Es wird spannend

Großbritannien-Wahl: Mehrheit für Johnson unsicher

Ausland
12.12.2019 07:04

Die Briten wählen am Donnerstag ein neues Parlament und können damit auch Einfluss auf den geplanten Brexit nehmen. Die Wahllokale sind von 8 Uhr (MEZ) bis 23 Uhr geöffnet. Unmittelbar danach wird eine erste Prognose veröffentlicht. Bei vier von fünf Wahlen seit der Jahrtausendwende lagen die Prognosen grundsätzlich richtig.

Nach jüngsten Umfragen ist ein Sieg der Konservativen von Premier Boris Johnson zwar weiter wahrscheinlich. Ganz sicher können sie sich einer Mehrheit aber nicht sein.

Boris Johnson (Bild: The Associated Press)
Boris Johnson

Es droht ein „hung parliament“
Die oppositionelle Labour Party von Jeremy Corbyn konnte den Abstand auf die Tories zuletzt verringern. Es ist daher nicht ausgeschlossen, dass es zu einem „hung parliament“ kommt. Damit ist eine Sitzverteilung gemeint, in der keine der beiden großen Parteien aus eigener Kraft eine Regierung bilden kann.

Das britische Parlament (Bild: AFP)
Das britische Parlament

Jüngste Umfrage sieht Tories bei 41, Labour bei 36 Prozent
Der jüngsten Erhebung vom Mittwochabend zufolge kämen Johnsons Tories auf 41 Prozent der Wählerstimmen und Labour auf 36 Prozent. Ob dies für eine Mehrheit der Sitze reichen würde, blieb offen.

Labour-Chef Jeremy Corbyn (Bild: The Associated Press)
Labour-Chef Jeremy Corbyn

Wahlforscher hatten zuletzt nur noch einen Vorsprung von 28 Mandaten für die Tories vor den anderen Parteien vorausgesagt. Die Konservativen kämen demnach auf 339 von 650 Sitzen. Vor zwei Wochen hatte eine ähnliche Umfrage Johnson noch eine Mehrheit von 68 Abgeordneten prophezeit. Für die jüngste Erhebung im Auftrag der Tageszeitung „The Times“ wurden mehr als 100.000 Menschen über einen Zeitraum von sieben Tagen einschließlich Dienstag befragt.

Mehrheitswahlrecht kennt nur Direktmandate
In vielen Wahlkreisen, vor allem in Mittel- und Nordengland, liefern sich die Konservativen und Labour ein enges Rennen. Das Ergebnis dort könnte entscheidend für das Wahlergebnis des ganzen Landes sein. Denn das britische Mehrheitswahlrecht kennt nur Direktmandate. Ins Parlament ziehen nur die Kandidaten mit den jeweils meisten Stimmen in einem der 650 Wahlkreise ein - egal wie knapp ihr Sieg war. Die Stimmen für unterlegene Kandidaten verfallen.

Oppositionsparteien rufen zum taktischen Wählen auf
Oppositionsparteien wie die Liberaldemokraten und die Schottische Nationalpartei riefen daher zum taktischen Wählen auf. Selbst der Schauspieler Hugh Grant, ein ausgesprochener Johnson-Gegner, machte dafür Werbung. Johnson versuchte daher bis zuletzt, in diesen hart umkämpften Wahlkreisen Stimmen zu gewinnen. Der Ausgang der Wahl dürfte auch Thema beim EU-Gipfel der Staats-und Regierungschefs am Donnerstag und Freitag in Brüssel werden.

Johnson führt bisher Minderheitsregierung an
Johnson führte bisher eine Minderheitsregierung an. Um sein mit der EU nachverhandeltes Brexit-Abkommen durchs Parlament zu bringen, braucht er eine stabile Mehrheit. Am 31. Jänner 2020 will er das Land aus der Europäischen Union führen.

Der britische Premierminister Boris Johnson muss zittern. (Bild: AFP)
Der britische Premierminister Boris Johnson muss zittern.

Sozialdemokraten müssen auf Unterstützung kleinerer Parteien hoffen
Sollte Labour-Chef Jeremy Corbyn Premierminister werden, will er innerhalb von drei Monaten einen neuen Brexit-Deal mit enger Anbindung an die EU aushandeln. Innerhalb von sechs Monaten sollen die Briten dann in einem neuen Referendum darüber abstimmen. Die Alternative wäre ein Verbleib in der Staatengemeinschaft. Corbyn selbst will sich neutral verhalten, wie er kürzlich betonte. Chancen auf eine eigene Mehrheit hat Labour kaum. Die Sozialdemokraten müssten auf die Unterstützung der kleineren Parteien hoffen.

Auch Johnsons Vorgängerin Theresa May wollte sich mit einer Neuwahl im Sommer 2017 mehr Unterstützung für ihren mit Brüssel ausgehandelten Brexit-Deal sichern. Sie verzockte sich und verspielte ihre knappe Mehrheit. Mit ihrem Abkommen flog sie drei Mal durch das Parlament und musste schließlich ihren Posten als Regierungschefin aufgeben. Zu ihren schärfsten Kritikern zählte Johnson.

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