„Gipfel der Schande“
Klima: Was beschlossen wurde – und was nicht
Mit bitterer Enttäuschung für Umweltschützer und auch für die Millionen Opfer des Klimawandels ist die UNO-Konferenz in Madrid zu Ende gegangen. Dieser Öko-Gipfel wird als „Gipfel der Schande“ in die Geschichte eingehen. Verantwortlich für das spektakuläre Scheitern ist vor allem der Haupt-Klimasünder Brasilien. Was die Klimadiplomaten nach zwei Wochen beschlossen haben - und was noch fehlt:
KLIMASCHUTZ: Erst im kommenden Jahr sollen die Unterzeichnerstaaten des Pariser Klimaabkommens neue nationale Klimaschutzpläne für 2030 vorlegen. Das haben sie 2015 zugesagt - daran werden sie im Gipfelbeschluss nun erneut ausdrücklich erinnert. Und zwar unter Verweis auf die „wachsende Dringlichkeit“ und die „bedeutende Lücke“, die bisher zwischen den Zusagen und dem eigentlich Notwendigen beim CO2-Sparen besteht, wenn die Erderwärmung auf deutlich unter zwei oder sogar 1,5 Grad im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter begrenzt werden soll. Dabei gibt es ausdrücklich einen Bezug zur Klimawissenschaft. Thematisiert werden außerdem die Themen Ozeane, biologische Vielfalt und Geschlechtergerechtigkeit - all das war umkämpft.
VERGANGENHEIT DER INDUSTRIESTAATEN: Bevor es das Pariser Abkommen gab, hatten die Industriestaaten auch schon Ziele für den Klimaschutz und die finanzielle Unterstützung von Entwicklungs- und Schwellenländern. Nicht alle haben diese Ziele eingehalten. Auch Deutschland hinkt seinem 2020-Ziel bei den CO2-Emissionen ja deutlich hinterher. Es soll jetzt in einem „Arbeitsprogramm“ noch einmal darüber gesprochen werden, ob sie gute Vorbilder waren für die Staaten, die ihre Wirtschaft erst entwickeln. Vor allem die Industriestaaten finden, man solle besser nach vorn schauen und sich auf das Pariser Abkommen konzentrieren.
GELD FÜR ÄRMERE LÄNDER: Ein Dauerthema ist der Umgang mit Schäden und Verlusten in ärmeren Ländern durch die Folgen des Klimawandels - also etwa durch Stürme, Dürren, Starkregen oder steigende Meeresspiegel. Es wurde darüber gesprochen, wie es bisher damit läuft, und wie weiter daran gearbeitet wird. Künftig könnte es die Möglichkeit geben, dass die betroffenen Staaten dafür auch Geld aus dem Green Climate Fund (GCF) bekommen, auch darüber soll jetzt gesprochen werden.
Dieser Geldtopf ist bisher grundsätzlich dafür da, Treibhausgas-Minderung und die Anpassung an den Klimawandel zu finanzieren, nicht aber Schadenersatz zu leisten. Außerdem gibt es noch einen kleineren, für die ärmeren Staaten unkomplizierteren Anpassungsfonds. Das Thema Schäden und Verluste kam aus Sicht vieler bisher zu kurz. Ab 2020 sollen insgesamt 100 Milliarden Dollar pro Jahr für „Klimafinanzierung“ bereitstehen, dazu gehört neben öffentlichem auch privates Geld und Kredite. Beim Thema Finanzen zeigten sich viele Länder, etwa die afrikanische Gruppe, zum Gipfel-Abschluss unzufrieden.
NICHT GEKLÄRT: HANDEL MIT KLIMASCHUTZ-GUTSCHRIFTEN
Die sogenannten Marktmechanismen sollen dafür sorgen, dass Staaten einen Teil ihrer CO2-Einsparung auch im Ausland erledigen können. Man könnte auch sagen, sie kaufen sich Klimaschutz anderswo. Umgekehrt können Länder, die ihre eigenen Ziele übererfüllen, Gutschriften verkaufen. Damit das auch wirklich global gesehen zu weniger Emissionen führt, braucht es strenge Regeln dazu, wer sich was anrechnen und womit man handeln darf. Da fanden die Staaten keinen Kompromiss - vor allem, aber nicht nur Brasilien wurde dafür kritisiert. Darüber soll nun kommendes Jahr weiterverhandelt werden. Schon vor einem Jahr beim Gipfel in Polen wurde das Thema vertagt. Kooperieren können Staaten aber trotzdem schon.
„Eine echte Katastrophe“
„Die Ergebnisse von Madrid werden dem weltweiten Klimanotstand in keiner Weise gerecht. Der Amazonas brennt ab, die Gletscher schmelzen und Menschen sterben unter brütender Hitze, und Extremereignisse nehmen zu. Für das Leben auf dem Planeten ist das eine echte Katastrophe“, so Global-2000-Experte Johannes Wahlmüller. Unmittelbar nach der Verkündigung des Kompromisses - das Papier nicht wert, auf dem er geschrieben ist - spielten sich in und um das Konferenzzentrum erschütternde Szenen ab. Viele der Hunderten Fridays-for-Future-Aktivisten, die freilich im Flugzeug nach Spanien gejettet waren, brachen weinend zusammen. Allen war Erschütterung ins Gesicht geschrieben.
Staatenlenkern wie Brasiliens Jair Bolsonaro, der den Regenwald den Interessen von Großgrundbesitzern opfert, ist das herzlich egal. Denn Bolsonaro sitzt auf einem Berg schundbilliger Uralt-Klimazertifikate, die er sich für die Rettung der grünen Lungen teuer abkaufen lassen wollte. Als Verhinderer steht neben der CO2-Großmacht China auch Indiens zusehends autoritär regierender Hindu-Präsident Narendra Modi am Öko-Pranger. Daran kann auch Greta Thunbergs zorniger Unmut nichts ändern. Dabei hatten Tausende Delegierte aus 200 Staaten zwei Wochen hitzig verhandelt - herausgekommen ist weniger als heiße Luft.
Entwicklungsländer als traurige Verlierer
Zu den traurigen Verlierern dieses Klimagipfels der Schande gehören auch die Entwicklungsländer und die zu versinken drohenden Inselstaaten. Sie hatten vergeblich auf einen internationalen Fonds zur Bewältigung der schon aufgetretenen Milliardenschäden gehofft. Kritik kommt auch von Grün-Mandatarin Leonore Gewessler, die immer öfter als mögliche neue Umweltministerin gehandelt wird: „Die inhaltsleeren Worthülsen und nicht bindenden Appelle an die UNO, das Klima zu retten, sind ein Stich ins Herz des Pariser Klimaabkommens.“
Mark Perry, Kronen Zeitung/krone.at
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