Die Sonderkommission zur Klärung der Vorwürfe gegen die Ballettakademie der Wiener Staatsoper hat am Dienstag ihren Abschlussbericht vorgelegt. Und dieser hat es in sich. Der Akademie werden mangelnde Strukturen in Bezug auf die Verantwortlichkeiten, unzureichende medizinisch-therapeutische Versorgung der Ballettschüler und fehlendes Problembewusstsein in Bezug auf Kinderschutz und Kindeswohl vorgeworfen.
Im April waren schwere Vorwürfe gegen die Ballettakademie der Staatsoper laut geworden. Vornehmlich durch eine mittlerweile entlassene Ballettlehrerin seien die Schüler dort teils gedemütigt worden, Gewalt und Drill sowie einem ungesunden Körperbild ausgesetzt gewesen. Auch der Vorwurf eines sexuellen Übergriffs durch einen Lehrer stand im Raum. Die Staatsanwaltschaft leitete daraufhin Ermittlungen gegen den Lehrer und zwei Kolleginnen ein. Für Hinweise und als Anlaufstelle für Betroffene wurde eine eigene Website eingerichtet.
Kindern wurde geraten, mit Rauchen anzufangen
„Eine Gefährdung des Kinderwohls“ sieht die Kommission in ihrem schriftlichen Bericht etwa durch „die unzureichend kontrollierte Gesamtbelastung der jungen Tänzer und Tänzerinnen, die sich aus Training, Proben, Auftritten, Wettbewerben und dem Schulbesuch ergeben. Erschwerend kommt das Fehlen einer weisungsfreien Kinderschutzbeauftragten hinzu.“ Zudem sei Kindern geraten worden, mit dem Rauchen anzufangen, um die Figur zu halten, so die Kommissionsvorsitzende Susanne Reindl-Krauskopf. Kinder seien mit Vornamen und Konfektionsgröße angesprochen worden. Dieses Verhalten sei von einzelnen Lehrern über einen längeren Zeitraum gezeigt worden.
„Leiter fast nie im Unterricht anwesend“
Im Bereich der untersuchten Strukturen wurden zudem „verschwimmende Verantwortlichkeiten zwischen Leitung der Ballettakademie, künstlerischer Leitung der Ballettakademie und Direktion der Staatsoper“ festgestellt, der Führungsstil wird als „intransparent und nicht-partizipativ“ beschrieben. Hinzu komme, „dass der künstlerische Leiter der Ballettakademie selten an der Ballettakademie und fast nie im Unterricht anwesend ist“. An der Staatsoper sei man davon ausgegangen, „dass Aufgaben delegiert werden und es erledigt wird. Das war Teil des Problems. Denn die Leitung der Ballettakademie ging davon aus, dass nur Dinge verändert werden, wenn es von oben angeordnet wird“, kritisiert Kommissionsvorsitzende Susanne Reindl-Krauskopf, Vorständin des Instituts für Strafrecht und Kriminologie an der Uni Wien.
Kritik an mangelndem Problembewusstsein
Auch ein „Problembewusstsein in Bezug auf Kinderschutz und Kindeswohl fehlt in der Ballettakademie insbesondere auf Führungsebene“. Für die Sonderkommission steht somit fest, „dass der Schutz der Kinder und Jugendlichen vor Diskriminierung, Vernachlässigung sowie gesundheitlicher Beeinträchtigung nicht im notwendigen Ausmaß erfolgt“.
„Nachvollziehbares Gesamtkonzept fehlt“
Zu bereits getroffenen Maßnahmen seitens der Ballettakademie heißt es im Abschlussbericht, der an der Universität für Musik und darstellende Kunst präsentiert wurde: Die gesetzten Schritte erweckten „den Eindruck, dass zwar an verschiedenen Punkten gearbeitet wird, es aber noch an einem nachvollziehbaren Gesamtkonzept fehlt“.
Zwar seien seit Beginn der Tätigkeit der Sonderkommission im April seitens der Ballettakademie zahlreiche Änderungen vorgenommen worden, „doch erwecken sowohl die Vorgehensweise wie auch die Inhalte der getroffenen Maßnahmen bei der Kommission den Eindruck, dass die Motivation dieser Änderungen nicht primär dem Wohl der Kinder und Jugendlichen gilt“, heißt es zusammenfassend.
Kommission empfiehlt, Strategie für zeitgemäße Ausbildung zu entwickeln
Die grundsätzliche Empfehlung der Kommission richte sich daher „darauf, eine Strategie für eine zeitgemäße (klassische) Ballettausbildung auf höchstem Niveau unter Berücksichtigung der Bedürfnisse der potenziellen SchülerInnen und der (schul)rechtlichen österreichischen Rahmenbedingungen zu entwickeln“.
Insgesamt hat die Kommission, die zunächst von der nunmehrigen Bundeskanzlerin Brigitte Bierlein geleitet wurde, welche dann von Susanne Reindl-Krauskopf, Vorständin des Instituts für Strafrecht und Kriminologie an der Uni Wien, abgelöst wurde, 16-mal getagt und mit 24 Auskunftspersonen gesprochen. Bei der eingerichteten Clearing-Stelle hätten sich 43 Personen gemeldet, wobei 20 Personen an beratende Stellen weitervermittelt wurden.
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