Reife Leistung

Lancia Phedra – Van du italophil bist, ist er was für dich

Motor
29.06.2010 09:02
Wessen Herz für italienische Lebensart schlägt, wer das Leben durch die grün-weiß-rote Brille sieht und dazu viel Platz im Auto braucht, weil er etwa eine große Familie hat, der kommt an einem Lancia Phedra kaum vorbei. Noch immer nicht. Wir hatten ihn in der 170-PS-Variante in Top-Ausstattung zum Test auf cuore und rene.

Genau genommen gibt es natürlich eine italienische Alternative, nämlich den im Wesentlichen baugleichen Fiat Ulysse, der den italienischen Stil allerdings eher auf die nüchterne Art pflegt. Und ganz lupenrein ist die Italianitá auch nicht, schließlich handelt es sich mit Peugeot 807 und Citroen C8 insgesamt um italofranzösische Vierlinge, die als „Eurovan“ gemeinsam konstruiert wurden und seit 2002 auf dem Markt sind. 

Bei aller Gleichheit in den Genen hat jedes der vier Geschwister eine eigene Ausstrahlung, dabei ist der Lancia derjenige, der am meisten auf Edelambiente abhebt. Sein Gesicht wurde 2008 etwas geliftet, der Kühlergrill verleiht ihm tatsächlich eine hochwertige Anmutung. In der getesteten Version „Platino+“ geht Lancia auch im Innenraum voll in diese Richtung: Feines Leder, Alcantara und herrliche Nähte erfreuen das Auge. Schade, dass da eine „Holz“-Zierleiste durchs Bild läuft, die eher wie ein Küchen-Linoleumboden aussieht und dessen Farbe sich mit dem wirklich schönen Leder schlägt.

Unkomplizierter Komfort ohne Schnickschnack
Der Test-Phedra bietet eine Menge Komfort für Fahrer und Mitreisende. Die beiden Schiebetüren sind (gegen Aufpreis) elektrisch und per Schlüssel fernbedienbar, die Multizonenklimaanlage mit eigenem Gebläse für Reihe zwei und drei verhindert dicke Luft, ein Getränkefach hält kühle Getränke bereit, Schubladen unter den Vordersitzen schlucken das Handgepäck, allerdings fehlt Platz für Kleinkram (aus der Ablage vor dem Tacho fällt alles raus). Eine große Handtasche lässt sich auch zwischen den Sitzen am Boden fixieren. Nutzt man diese Gelegenheit nicht, kann man ungehindert nach hinten durchsteigen, ebenso von links nach rechts und umgekehrt. So ist also sogar im strömenden Regen ein Fahrerwechsel möglich, ohne dass jemand nass wird und egal wo der Ersatzfahrer bis zum Wechsel saß. 

Als einziges echtes Komfortmanko empfinde ich die zu kurze und leicht nach vorne geneigte Auflagefläche der Vordersitze. Das Gute am Gestühl: Für die kleine Konferenz oder das Reisepicknick lassen sich die Sessel nach hinten drehen. Fürs Reisen oder diverse Businesstransporte stehen bis zu 3.000 Liter Kofferraumvolumen (dachhoch) bereit. Minimal sind es – bei Ausstattung mit sieben Sitzen und bis zur Abdeckung beladen – 324 Liter.

Der Fahrer erfreut sich am Navigationssystem, das mit Bluetooth-Freisprechanlage und Soundsystem kombiniert ist. Schöner wäre es allerdings, wenn das Gerät harmonisch integriert wäre und nicht wie ein billiges Zulieferteil in einem Normschacht stecken würde. Der Bedienung merkt man insgesamt an, dass sie nicht ganz mit dem Edelniveau mithalten kann, zu verstreut sind die Elemente. Wohingegen vor allem die Tachoeinheit, die mittig unterhalb der Frontscheibe thront, durch ihre leicht grün schimmernden Displays positiv heraussticht. Optisch kommt das in Versionen ohne fixes Navi noch besser, weil sich dann statt dem 7“-Bildschirm ein drittes Rundinstrument in der Mitte befindet.

Großer Motor, aber nichts für große Füße
Der 170-PS-Multijet-Dieselmotor bewegt das Auto recht flott, aber vor allem mit Automatik nicht sportlich. 10,8 Sekunden vergehen aus dem Stand bis Landstraßentempo, glatte 10 sind es mit Schaltgetriebe. 1,8 Tonnen wollen bewegt werden, und so ein Bus hat ja auch dem Wind einiges entgegenzusetzen (die kräfte halten sich bei 197 km/h die Waage). So nimmt es nicht Wunder, dass der Spritverbrauch im Test im Schnitt über 10 Litern war (Normverbrauch 8,2 l/100 km). Alternativ wird ein 120-PS-Diesel angeboten, Benziner gibt es für den Phedra nicht mehr.

Das Fahrwerk ist eher weich ausgelegt, harte Stöße kommen aber durch. In Kurven neigt sich der Phedra deutlich zur Seite. Insgesamt geht das Fahrwerk aber in Ordnung, wenn man sich vor Augen hält, dass es ja schon ein paar Jahre auf dem Buckel hat.

Was im Fahrbetrieb mit Füßen jenseits der Schuhgröße 39 stört, ist der völlig verbaute Fahrerfußraum. Die Füße stoßen ständig über den Pedalen an. Mit meinen 45ern kann ich den Phedra nur dann einigermaßen sicher bewegen, wenn ich Sneakers anhabe. Mit normalen Halbschuhen verheddere ich mich.

Unterm Strich bleibt ein etwas angegrauter (Euro-)Van, der durchaus noch die Bedürfnisse einer Familie erfüllen kann, zumal wenn sie italophil veranlagt ist. Für die gut 47.000 Euro des Testwagens (Minimaleinstieg bei 32.000 Euro mit 120 PS) bekommt man locker schon einen moderneren Van, der dann auch noch sparsamer ist. Aber italienisch ist der halt dann nicht…

Stephan Schätzl

Warum?

  • Ein unkomplizierter Van für alle Fälle.
  • Durchstieg in alle Richtungen frei.

Warum nicht?

  • Insgesamt dann doch schon etwas in die Jahre gekommen.

Oder vielleicht …

  • … die Eurovan-Geschwister oder einer aktuellerer Vans, angefangen beim Ford Galaxy.
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(Bild: KMM)
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