Eigentor für Gegner?
Wie „Impeachment-Krieg“ Trump in die Karten spielt
Es war ein historischer Abend in Washington - und eine historische Schmach für Donald Trump. Mit klarer Mehrheit beschloss das Repräsentantenhaus wegen der Ukraine-Affäre ein Amtsenthebungsverfahren gegen den 45. Präsidenten der USA. Die wütenden Reaktionen Trumps auf Twitter und bei Wahlkampfveranstaltungen sind nur Teil seiner gezielten Inszenierung, die nun wohl vollends auf Polarisierung aus sein wird. Wegen der republikanischen Mehrheit im Senat, der über eine Amtsenthebung entscheidet, droht dem mächtigen Mann im Weißen Haus keine Gefahr. Am Ende könnten die Demokraten selbst die größten Verlierer des „Impeachment-Kriegs“ werden - und auch die US-Demokratie!
Es war eine ziemlich turbulente Debatte im Kongress, die sich über elf Stunden hinzog. Die Demokraten unter der Führung von Repräsentantenhaus-Sprecherin Nancy Pelosi betonten, dass es „unangefochtene Beweise“ dafür gebe, dass Trump gegen seinen Amtseid verstoßen habe. „Es ist tragisch, dass das rücksichtslose Handeln des Präsidenten ein Impeachment notwendig macht. Er hat uns keine andere Wahl gelassen“, sagte Pelosi in ihrer Eröffnungsrede. Parteikollege Adam Schiff, der gleichzeitig als Vorsitzender des Geheimdienstausschusses eine wichtige Rolle in der Vorbereitung des Amtsenthebungsverfahrens gespielt hat, wies darauf hin, dass „in Amerika niemand über dem Gesetz steht“.
Republikaner: „Jesus hatte mehr Rechte als dieser Präsident“
Die Republikaner wiesen darauf hin, dass die Opposition seit Antritt des Präsidenten darauf aus sei, diesen aus seinem Amt zu entfernen. Daher handelt es sich ihrer Ansicht nach um eine „politische Show“. „Das Verfahren, das zum heutigen Tag geführt hat, war eine komplette Farce. Es war ein Verfahren hinter verschlossenen Türen, es war unfair und übereilt. Der Ausgang war vorherbestimmt“, tobte der Abgeordnete Tom Cole. Barry Loudermilk zog sogar einen biblischen Vergleich: „Als Jesus fälschlicherweise des Verrats beschuldigt wurde, gab Pontius Pilatus ihm die Möglichkeit, seinen Anklägern gegenüberzustehen. Während dieses Schauprozesses räumte Pontius Pilatus Jesus mehr Rechte ein als die Demokraten diesem Präsidenten eingeräumt haben.“
„Sie sind hinter euch her“: Trump als Uncle Sam
Das Weiße Haus verurteilte die Eröffnung des Amtsenthebungsverfahrens gegen Trump scharf und bezeichnete sie als „verfassungswidrige Farce“. Die Abstimmung im Repräsentantenhaus sei der „Höhepunkt einer der beschämendsten Episoden in der Geschichte unserer Nation“, teilte Trumps Sprecherin Stephanie Grisham mit. Trump inszenierte sich auf Twitter als Uncle Sam, der auf einem schwarz-weißen Foto direkt in die Kamera blickt und mit dem rechten Zeigefinger in Richtung des Betrachters deutet. Zu lesen ist folgender Slogan: „In Wirklichkeit sind sie nicht hinter mir her, sie sind hinter euch her. Ich bin nur im Weg.“
Seine Aussage lässt sich auf verschiedene Arten deuten. Einerseits hat sich Trump immer wieder als zu Unrecht verfolgtes Opfer einer „Hexenjagd“ dargestellt und den Demokraten vorgeworfen, mit dem Impeachment der Demokratie den „Krieg“ erklärt zu haben. Andererseits könnte die dargestellte Geste darauf anspielen, dass die Gegner des Präsidenten - also die Abgeordneten der Demokratischen Partei - republikanische Wähler für sich gewinnen wollen.
Zahl der Impeachment-Unterstützer sinkt
Ob diese Rechnung der Demokraten aufgeht, ist mehr als fraglich. In einer zu Wochenbeginn veröffentlichten Umfrage im Auftrag des Senders CNN sprachen sich 45 Prozent der Befragten dafür aus, Trump des Amtes zu entheben - 47 Prozent unterstützten das nicht. Beunruhigend für die Demokraten: Im Oktober und November war die Zahl der Befürworter noch bei 50 Prozent gelegen, die der Gegner bei 43 Prozent. Die Hoffnung der Demokraten, dass die live im Fernsehen übertragenen Zeugenanhörungen bei den Ermittlungen im Repräsentantenhaus mehr Menschen von der Notwendigkeit eines Impeachment überzeugen, hat sich demnach nicht bewahrheitet. Stattdessen haben Trumps - obgleich noch immer niedrige - Zustimmungswerte in den vergangenen Wochen sogar zugelegt.
Offenbar wirkt diese Trumpsche Botschaft, die nun wohl noch intensiver hinausposaunt werden wird: Die Demokraten hätten seinen Wahlsieg 2016 nicht verkraftet und wollten ihn deswegen aus dem Amt putschen - und den Wählern damit ihre Wahl stehlen. Trumps Team nutzt das Impeachment bereits, um Spenden für den Wahlkampf einzusammeln. Während der laufenden Debatte am Mittwoch schickte das Wahlkampfbüro in Trumps Namen eine Rundmail zum „Impeachment-Krieg“ an Unterstützer. „Ich möchte zwei Millionen Dollar vor der heutigen Abstimmung sammeln“, heißt es dort. „Denkt daran, das ist Krieg, und Amerikas Zukunft hängt davon ab, dass wir gewinnen.“ Trump hofft, dass das Impeachment seine Anhänger nicht nur ihre Geldbörse zücken lässt - sondern dass es sie vor allem bei den Präsidentschafts- und Kongresswahlen im kommenden November zur Stimmabgabe motiviert.
Der 73-Jährige dürfte dabei auch an Bill Clinton denken. Der demokratische Präsident von 1993 bis 2001 überstand ein von Republikanern eingeleitetes Amtsenthebungsverfahren. Die Ermittlungen trieben Clintons Anhänger in Scharen zu den Urnen der Kongresswahlen 1998. Dadurch errangen die Demokraten fünf zusätzliche Sitze im Repräsentantenhaus und konnten auch die Zahl ihrer Senatoren halten. Erstmals seit 1934 legte damals die Partei des Präsidenten bei Zwischenwahlen zu, anstatt Sitze zu verlieren.
Trump: „Ich habe eine großartige Zeit“
Es könnte sich bewahrheiten, was viele Demokraten immer befürchtet haben: dass die Amtsenthebungsuntersuchung letztlich ihnen selbst schadet und Trump nutzt. Die Partei muss sich sorgen, dass die Wähler ihr vorwerfen, auf Trump fixiert zu sein, anstatt sich um die Probleme der Menschen zu kümmern. Zumal Trump trotz seiner erratischen Politik von guten Wirtschaftszahlen gestützt wird. „Ich mache mir keine Sorgen“, rief der Präsident am Abend seiner symbolisch größten Niederlage seinen Anhängern bei einem Auftritt im US-Staat Michigan zu. „Ich weiß nicht, wie es euch geht, aber ich habe eine großartige Zeit“, beteuerte Trump trotz seiner Wutanfälle.
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