Die FPÖ hat nach mehrmaliger Ankündigung am Montag - einen Tag vor dem Heiligen Abend - ihren 668 Seiten dicken Historikerbericht zur Aufarbeitung der Parteigeschichte vorgelegt (siehe Video oben). „Herausgekommen ist eine Serie von Studien, die die Geschichte des freiheitlichen Lagers unter besonderer Berücksichtigung eines Naheverhältnisses zum Nationalsozialismus beleuchten. Ein solches gibt es, das ist kein großes Geheimnis und historisch erklärbar“, sagte Historiker Thomas Grischany.
Grischany, der in der Kommission aktiv mitgearbeitet hatte, räumte auch Fehler ein. So habe die Kommission bei ihrer Konstituierung nicht klargemacht, was sie eigentlich können soll und darf. „Historiker kümmern sich naturgemäß um die Vergangenheit. Es hätte von Anfang an klar sein müssen, dass sich die Kommission nicht zu tagespolitischen Vorwürfen äußern kann.“ Damit nahm er etwa Bezug auf die Liederbuchaffäre rund um den niederösterreichischen FPÖ-Politiker Udo Landbauer.
Hier können Sie den gesamten FPÖ-Historikerbericht lesen.
Zudem habe man es laut Grischany verabsäumt, klar zu kommunizieren, dass der Historikerbericht nur ein erster Schritt zu einer Aufarbeitung der Vergangenheit der FPÖ sein könne, „und wir uns weitere Arbeiten zu diesem Thema wünschen und uns dieser Diskussionen in Zukunft auch stellen möchten“.
Video: FPÖ präsentierte Historikerbericht
NSDAP-Mitgliedschaften beleuchtet
Laut Grischany umfasst der Historikerbericht drei große Themenbereiche: den formalen, den materiell-inhaltlichen und den personellen Bereich. Die Aufarbeitung der personellen Ebene sei der heikelste Bereich gewesen. „Der Beitrag über Untersuchungen über NSDAP-Mitgliedschaften von Anfang an ist das Herzstück des Berichts. Wir haben damit einen Prozess angestoßen.“
„FPÖ hat Eigenleben entwickelt“
Wie Grischany berichtete, sei die wichtigste Erkenntnis aus dem Bericht, dass die FPÖ trotz der personellen Verflechtungen auf der inhaltlich-materiellen Ebene ein Eigenleben entwickelt hat. „Sie ist also nicht bloß eine Art Wurmfortsatz eines Sammlungsbeckens der Ehemaligen.“ In zwei Beiträgen von Wissenschaftlern aus Israel wird positiv hervorgehoben, dass die FPÖ klar jeden Antisemitismus verurteile. Niemand warne so eindringlich wie die Rechtspopulisten vor dem politischen Islam mit seiner anti-jüdischen Stoßrichtung, schrieb Mordechai Kedar von der israelischen Bar-Ilan-Universität.
Mölzer: „Vorwurf der Parteinähe geht ins Leere“
FPÖ-Ideologe Andreas Mölzer wies bei der Pressekonferenz Kritik am Bericht zurück. Etwa könne keineswegs von Unwissenschaftlichkeit gesprochen werden, schließlich hätten sechs habilitierte Professoren mitgearbeitet, denen man wohl kaum diesen Vorwurf machen könnte. Auch gehe der Vorwurf der Parteinähe ins Leere, denn außer dem Vorsitzenden Wilhelm Brauneder als früherem FPÖ-Politiker und den Historikern Thomas Grischany und Lothar Höbelt hätten Wissenschaftler aus anderen, nicht den Freiheitlichen nahestehenden politischen Lagern mitgearbeitet.
Dass man das Thema Burschenschafter nur am Rande behandelt habe, liege daran, dass es sich dabei um private Vereine handle, in deren Archive man nicht einfach Einsicht nehmen könne, so Mölzer. Dennoch hätten sich zwei Wissenschaftler dieses Themas angenommen.
Hafenecker: „Sehr ernsthaft angelegt“
Wie FPÖ-Generalsekretär Christian Hafenecker erklärte, sei der gewählte Termin der Präsentation des Berichts einen Tag vor Weihnachten weder „Schikane der Journalisten“ noch „taktisches Manöver“. Er betonte, dass das Projekt „sehr ernsthaft und sehr wissenschaftlich angelegt“ sei. Dass der Bericht so umfangreich sei, liege unter anderem daran, dass es „einige Themenfelder“ aufzuarbeiten galt und das Projekt dadurch immer größer geworden sei.
Man habe den Bericht einer breiten Öffentlichkeit mit einer Podiumsveranstaltung zugänglich machen wollen, beteuerte Hafenecker. Zunächst habe man diesbezüglich auch „vorsichtige Zusagen“ bekommen, „aber plötzlich ist niemand mehr bereit gewesen, mit uns zu diskutieren“. Es habe Absagen gehagelt, so Hafenecker.
„Weihnachtsgeschenk der FPÖ“
Eingeladen habe man auch wichtige Persönlichkeiten der politischen „Gegenöffentlichkeit“, unter ihnen etwa den Historiker Oliver Rathkolb, der am Zwischenbericht bereits vehement Kritik geäußert hatte. Die Absagen seien „offenbar konzertiert“ erfolgt, so Hafenecker. Schließlich habe FPÖ-Chef Norbert Hofer gemeint, dass der Punkt erreicht sei, an dem man nicht mehr damit konfrontiert werden wollte, erklärte der freiheitliche Generalsekretär. Deshalb sei die Präsentation einen Tag vor dem Heiligen Abend erfolgt, gewissermaßen ein „Weihnachtsgeschenk der FPÖ“, damit politische Gegner über Weihnachten etwas zu lesen hätten.
„ÖVP hat sich sechs, SPÖ zehn Jahre Zeit gelassen“
Insgesamt habe man zwei Jahre für die Aufarbeitung gebraucht. Die ÖVP hingegen habe sich sechs Jahre Zeit gelassen, die SPÖ zehn, so Hafenecker. Wichtig sei, dass man nun ein „Standardwerk“ vorliegen habe. Wer sich für die Zukunft neu aufstellen wolle, müsse sich auch mit der Vergangenheit beschäftigen. In die Reform müsse einbezogen werden, „welche Fehler man nicht mehr machen möchte“. Vielleicht sei in der Vergangenheit die Schwelle, der Partei beizutreten, „nicht hoch genug“ gewesen.
Die Erarbeitung des Berichts war noch unter Ex-Parteichef Heinz-Christian Strache in Auftrag gegebenen worden. Anfang August hatte die Präsentation einer 32 Seiten umfassenden Kurzfassung des „Rohberichts“ für vehemente Kritik von Wissenschaftlern und einigen Co-Autoren gesorgt.
Kommentare
Da dieser Artikel älter als 18 Monate ist, ist zum jetzigen Zeitpunkt kein Kommentieren mehr möglich.
Wir laden Sie ein, bei einer aktuelleren themenrelevanten Story mitzudiskutieren: Themenübersicht.
Bei Fragen können Sie sich gern an das Community-Team per Mail an forum@krone.at wenden.