Was mich an manchen Elektroautos stört, ist - nein, nicht die geringe Reichweite, es ist das Fahrgeräusch. Von wegen die Stromer gleiten lautlos dahin, viele klingen wie eine Straßenbahn. Ganz anders der Mercedes EQC: Von dessen beiden Asynchron-E-Motoren hört man praktisch nichts. Herrlich, diese Stille! Und herrlich, dieses Merc-E-desfahren …
Gerade im direkten Vergleich zum Audi e-tron (der zwar eine halbe Nummer größer ist, aber ähnlich wahrgenommen wird wie der Benz) fällt das richtig auf. „Der Mercedes unter den Elektroautos“ sagen sie beim Daimler, was ich ursprünglich großspurig und etwas einfallslos fand. Inzwischen, nach meiner Testfahrt, denke ich: Ja, so kann man den EQC recht treffend charakterisieren. Die Motoren sind doppelt von der Karosserie entkoppelt, die Fenster bestehen schon im Basismodell aus Akustikglas.
Das ganze Erleben ist komfortabel. Das Fahrwerk ist serienmäßig adaptiv, sodass man die Wahl hat zwischen reinem Komfort und respektablen Kurvenqualitäten. Trotz vernehmlicher Seitenneigung. Wohl auch dank des tiefen Schwerpunkts wirkt das doch recht mächtige SUV leichtfüßiger, als es die 2420 kg (DIN-)Leergewicht vermuten lassen würden.
Mit den Paddles hinterm Lenkrad lässt sich einstellen, wie stark die Elektromotoren rekuperieren und dadurch abbremsen, wenn man den Gasfuß lupft. Im Maximalfall kommt man fast ohne die Betätigung der Bremse aus; das andere Extrem ist segeln, solange es der Luftwiderstand zulässt.
Volle Kraft voraus!
Satte 408 PS stellen die beiden Motoren maximal bereit, dazu noch sattere 760 Nm, die bekanntlich aus dem Stand abgerufen werden. Souveräner macht das auch kein AMG-V8. Die Fahrleistungen sind sportlich, 5,1 Sekunden genügen für den Sprint auf 100 km/h, allerdings wird bereits bei 180 km/h abgeregelt. Das ist durchaus vernünftig, denn die Batterie hat nur 80 kWh Stunden Kapazität - und die wären bei ungezügelter Raserei etwa auf deutschen Autobahnen schneller leergezuzelt, als das intelligente Navi die für die vorausgeplante Reise vorgesehenen Ladepunkte aktualisieren kann.
Bei normaler Fahrweise bin ich auf einen Durchschnittsverbrauch von 27,6 kWh/100 km gekommen, das wären also rechnerisch knapp 300 Kilometer (nach WLTP werden 390 km angegeben). Allerdings würde ich mich nicht trauen, das bis zum letzten „Tropfen“ auszureizen. Das Navi plant Ladestopps allerdings durchaus bei ein paar Prozent Rest-Akku - blöd, wenn man dann unterwegs etwas mehr aufs „Gas“ steigt, als das Auto erwartet. Die gute Nachricht: Mit der „Mercedes me“-Ladekarte kann man an unzähligen Ladesäulen verschiedenster Anbieter „roamen“, man wird also in aller Regel nicht saftlos liegen bleiben, wenn man nicht vergisst, das Navi zu aktivieren. Ob man dann unbedingt eine Station findet, an der der EQC die maximal möglichen 110 kW saugt (die ihm 80 Prozent Ladestand in 40 Minuten bescheren), ist allerdings eine andere Frage. An einer 22-kW-Wechselstromsäule fasst er nur 7,4 kW aus. Man braucht keinen Taschenrechner, um herauszufinden: Das dauert.
Neu-EQC-Fahrer können die Zeit nutzen, um ihr Auto herumzugehen und es genauer zu betrachten, sich dabei die Frage zu stellen, warum ein Elektroauto Fake-Lufteinlässe braucht oder stilisierte Auspuffblenden. Okay, auch nicht unsinniger, als einen (allerdings formidablen) Elektro-Porsche „Taycan Turbo“ zu nennen. Mit der Plastikmaske an der Front wird man sich hoffentlich längst angefreundet haben, auch wenn sie sicher nicht die Schokoladenseite des EQC ist. Dafür entschädigen die serienmäßig adaptiven LED-Scheinwerfer. Schöner ist das leicht rundliche Heck (ja, das mit der auspuffesken Chromspange).
Oder man bleibt einfach sitzen und genießt den Innenraum, wo die Designer die Inspiration, die sie sich von Kühlrippen alter Audio-Verstärker und Kupferspulen geholt haben, in Zierblenden und Luftausströmer umgesetzt haben. Das wirkt zwar nicht ganz so elegant wie die düsenartigen Lüftungsausströmer im eng verwandten Mercedes GLC, aber optisch dennoch sehr gut gelungen. In der Praxis spiegelt sich das Armaturenbrett leider in der Windschutzscheibe - gewöhnungsbedürftig.
Gar nicht gewöhnungsbedürftig ist die Sprachbedienung des MBUX-Systems. Es hört auf „Hey Mercedes“ und ist recht gut im Verstehen von Anweisungen. Auch die Bedienung über die zwei zu einem großen verschmolzenen 10,25-Zoll-Displays und die Touchflächen am Lenkrad funktioniert gut. Das Touchpad auf der Mittelkonsole hätten sie sich in Stuttgart aber schenken können.
Platz ist jede Menge, man kann sich vorne wie hinten ausreichend ausbreiten. Das darf man auch erwarten, immerhin misst der Mercedes unter den Elektroautos 4,76 Meter in der Länge und 1,88 Meter in der Breite, auch der Radstand ist mit 2,87 Meter respektabel. Der Kofferraum fasst 500 bis 1460 Liter, unter der Fronthaube befindet sich KEIN zusätzlicher Stauraum.
SUV, aber nichts fürs Gelände
Natürlich handelt es sich beim Mercedes EQC um ein SUV - fürs Gelände ist er aber nichts. Mit zwölf Zentimeter Bodenfreiheit streift er an jedem Kieselstein. Allradantrieb hat er allerdings, dank je einem Motor pro Achse. Prinzipiell arbeitet der vordere; erst wenn mehr Kraft angefordert wird, als der liefern kann, schaltet sich der hintere zu.
Unterm Strich
Ab 75.500 Euro steht der Mercedes EQC in der Preisliste, der Testwagen kommt (als „Edition 1886“ mit Extras) auf über 94.000 Euro. Zum Vergleich: Ein 330 PS starker Mercedes GLC 400 d kostet mit Basisausstattung 70.200 Euro, hat weit mehr als die doppelte Reichweite, aber weniger Leistung und Ausstattung.
Wer mit der Reichweite des Mercedes EQC auskommt, wird seine Freude an ihm haben. Er fährt gut und komfortabel, sehr geschmeidig und wahnsinnig leise. Aber bei allem „Elektroautos retten die Welt“: Umweltfreundlich ist die Straßenbahn.
Warum?
Weil er herrlich fährt
Weil er gerade im Vergleich zu Verbrennern in Österreich günstig ist
Warum nicht?
Weil ein 2,4-Tonnen-Elektro-SUV vieles ist, aber nicht umweltfreundlich - aber genau das wird E-Autos zugeschrieben
Oder vielleicht …
… Audi e-tron, Jaguar I-Pace, Tesla Model X
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