Wien-Wahl 2020:

Eine Schlacht um reichlich enttäuschte Wähler

Wien
29.12.2019 15:51

Alles wie immer oder eine völlig neue politische Landschaft? Im roten Wien ist zum ersten Mal alles möglich. Im kommenden Jahr wird die spannendste Wahl überhaupt geschlagen. Politologen analysieren die Lage.

Im Jahr 2015 konnte die SPÖ noch 39,6 Prozent der Stimmen holen, die FPÖ satte 30,8 Prozent. „Jetzt gibt es eine Gruppe, die beide nicht mehr mögen. Auf dem Markt sind reichlich enttäuschte Wähler“, erklärt Peter Filzmaier im großen „Krone“-Ausblick auf die Wien-Wahl 2020.

(Bild: APA/Herbert Pfarrhofer)

Neuauflage Rot-Grün oder Dreierkoalition ÖVP-Grüne-NEOS?
Zum ersten Mal ist bei der Frage, von wem Wien künftig regiert wird, alles möglich. Eine Neuauflage von Rot-Grün oder eine Dreierkoalition aus ÖVP-Grüne-NEOS gegen SPÖ-Bürgermeister Michael Ludwig: „Die Dreierkoalition ist schwierig. Aber die Verlockung ist vielleicht größer als die Kompliziertheit“, so Filzmaier.

Das rot-grüne Führungsduo Ludwig und Hebein (Bild: APA/Hans Klaus Techt)
Das rot-grüne Führungsduo Ludwig und Hebein

Filzmaier: „SPÖ wird trotz FPÖ-Absturz Stimmen verlieren“
Die Aussichten für die beiden größten Parteien dürften ihnen selbst Sorgenfalten bereiten: „Die SPÖ profitiert vom Absturz der FPÖ, und sie wird trotzdem Stimmen verlieren“, sagt Filzmaier. Die ehemaligen FPÖ-Wähler wandern zur ÖVP, frühere SPÖ-Fans zu den Grünen. Der gefühlt ewig rote Bürgermeistersessel ist in Gefahr.

Findet Ludwig Verbündete?
Während öffentlich wahlgekämpft wird, werden hinter den Kulissen Allianzen geschmiedet. „Denn nach dem Urnengang beginnt ein Wettrennen, wer mit wem zusammenkommt“, weiß der Politologe. Schafft es Ludwig, sich bis zum Wahltag Verbündete zu sichern? Oder findet sich eine Regierung gegen ihn? Die großen unbekannten Faktoren: die Wahlbeteiligung, die Bundesregierung und Heinz-Christian Strache. „Denn nur darum geht es. Tritt eine Liste Strache an oder nicht?“, so Filzmaier abschließend.

Wiens Bürgermeister Michael Ludwig (Bild: APA/ROLAND SCHLAGER)
Wiens Bürgermeister Michael Ludwig

Hajek: „Tritt Strache an, sind seine Chancen hoch“
Und Strache hat tatsächlich Erfolgschancen. „Umfragen zeigen, dass sich ein großer Teil der FPÖ-Wähler Strache zurückwünscht. Wien ist noch dazu seine Heimatbasis“, erklärt Politologe Peter Hajek. „Tritt Strache an, sind seine Chancen hoch, treten nur die drei Abtrünnigen des Klubs DAÖ an, laufen sie gegen null.“

Heinz-Christian Strache (Bild: APA/Georg Hochmuth)
Heinz-Christian Strache

Ibiza, Spesenskandal, Mietzuschüsse, Spitzelaffäre: Ist Strache-Anhängern bei dem Ex-Vizekanzler denn alles egal, was sie bei jeder anderen Partei anprangern und nie verzeihen würden? „Wie sagt man: Ist der Ruf erst ruiniert, lebt es sich gänzlich ungeniert“, so Hajek. „Sofern Strache nicht verurteilt wird!“, betont der Experte. Da ist Schluss. „Wenn die Staatsanwaltschaft Anklage erhebt, bekommt er Probleme. Und an Klagen wird gearbeitet.“

Zwischen der FPÖ und einer möglichen Liste Strache könnte es im Wahlkampf schmutzig werden, so die Experten. Währenddessen benötigen die Roten einen Schub. Das Rennen um den Bürgermeistersessel ist eröffnet, und hinter den Kulissen läuft schon der Poker um künftige Koalitionen. Willkommen in der Wien-Schlacht 2020!

Maida Dedagic, Kronen Zeitung

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