Ghosn im Libanon
Japan: Scharfe Kritik an Flucht von Ex-Auto-Boss
Der in Japan angeklagte frühere Renault- und Nissan-Chef Carlos Ghosn hat sich überraschend in den Libanon abgesetzt. Er werde nicht länger von einem manipulierten japanischen Justizsystem als Geisel festgehalten, teilte der 65-Jährige mit. „Ich bin nicht vor der Justiz geflohen - ich bin Ungerechtigkeit und politischer Verfolgung entkommen.“ In Japan wird er dafür scharf kritisiert. Er habe „die Möglichkeit aufgegeben, seine Unschuld zu beweisen und seine Ehre zu verteidigen“.
Ghosn war im November 2018 wegen Verdacht auf Untreue und finanziellen Fehlverhaltens verhaftet worden und im März des Folgejahres nach 107 Tagen in Haft auf Kaution freigekommen. Verbunden mit der Freilassung des ehemaligen Top-Managers waren allerdings strenge Auflagen, wie etwa die Erstellung eines Bewegungsprofils und Überwachung seiner Kommunikation. Aber auch die französische, libanesische und brasilianische Staatsbürgerschaft wurde ihm entzogen.
Nach eigenen Angaben wusste selbst einer seiner Anwälte nichts von der Flucht seines Mandanten. Dieser sprach von einem unentschuldbaren Verhalten. Er habe seit einer Woche nicht mehr mit Ghosn gesprochen und von der Ausreise aus den Nachrichten erfahren.
„Privatangelegenheit“
Wie es aus Kreisen des libanesischen Außenministeriums hieß, reiste Ghosn legal mit einem französischen Pass ein. Bei den Sicherheitskontrollen habe er seinen libanesischen Personalausweis genutzt, ein Privatjet, mit dem er von Istanbul nach Beirut gereist sei, habe als Transportmittel gedient. Der Libanon sieht Ghosns Ankunft als „Privatangelegenheit“.
Verhöhnung der Justiz Japans
In Japan sorgt Ghosns Flucht für Wirbel. Die Zeitung „Yomiuri Shimbun“ warf dem Ex-Manager Feigheit vor. Durch seine Ausreise in den Libanon habe er „die Möglichkeit aufgegeben, seine Unschuld zu beweisen und seine Ehre zu verteidigen“. Mehrere Medien werteten seine Flucht auch als Verhöhnung der Justiz Japans.
„Sorgfältige Arbeit“ ruiniert
Die liberale Zeitung „Tokyo Shimbun“ schrieb, mit seiner Ausreise verstoße Ghosn gegen seine Kautionsauflagen und „verspottet das japanische Justizsystem“. Es sei sehr wahrscheinlich, dass der Prozess gegen ihn nun nicht stattfinden werde. Auch die Entscheidung des Gerichts, Ghosn gegen Kaution auf freien Fuß zu lassen, erscheine nun unklug. Die „sorgfältige Arbeit“ der Staatsanwaltschaft, Beweise gegen ihn zu sammeln, sei damit ruiniert.
„Mir ist die Kinnlade heruntergefallen“
In der Zeitung „Asahi Shimbun“ zeigt sich auch ein ehemaliger Nissan-Manager über Ghosns Schritt enttäuscht: „Der Unternehmer, der Nissan so viele Jahre leitete und international bekannt war, stellt sich als diese Art von Mensch heraus. Mir ist die Kinnlade heruntergefallen. Mir fehlen die Worte“, zitierte die Zeitung den Ex-Unternehmer. Ghosns Prozess sollte im April 2020 beginnen. Ihn zur Rückkehr zu zwingen wird schwierig, da Japan lediglich mit den USA und Südkorea Auslieferungsabkommen hat.
"Ich bin unschuldig“
Ghosn, der sich auch persönlich bereichert haben soll, bestreitet alle Vorwürfe und sieht sich als Opfer einer internen Intrige bei Nissan wegen Widerstands gegen ein engeres Bündnis mit Renault. In einem Video wandte er sich bereits im April an die Öffentlichkeit: „Ich bin unschuldig in allen Anklagepunkten“, betont er damals. Auch seien die Vorwürfe rund um die Anklage allesamt „aus dem Kontext genommen“ und „verdreht“.
Er liebe Japan und Nissan und sei 1999 ins Land gekommen, um den Konzern wieder zum Erfolg zu führen. Dies sei gelungen - durch Liebe und harten Einsatz. Er witterte eine Verschwörung. Seine Liebe zu Konzern und Land sei allerdings ungebrochen.
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