Er ist der Einzige aus der Übergangsregierung, der politisch „überlebt“ hat: Alexander Schallenberg, seit Dienstag, 11.08 Uhr, auch Außenminister der türkis-grünen Koalition. Mit Conny Bischofberger spricht der Karriere-Diplomat über die Kriegsgefahr im Iran, den Cyberangriff auf das Ministerium, Demut vor dem Amt und seine Glückskatze.
Sein Büro am Minoritenplatz wirkt noch etwas kahl, denn als Außenminister der Regierung Bierlein war Schallenbergs Arbeitsplatz das Bundeskanzleramt. „Da bin ich dann oft mehrmals am Tag zwischen Ballhaus- und Minoritenplatz hin- und hergelaufen“, erzählt er, „ich bin froh, dass ich jetzt nur noch eine Wirkungsstätte habe.“ Ein Bild hängt immerhin schon an der Wand, und eine bunte Tierfigur steht verloren auf einem Regal.
„Diese Katze ist im Lauf der Zeit für mich ein Glücksbringer geworden, sie ist aus Pappmaché und sehr zerbrechlich, ein Abschiedsgeschenk von einem lieben Freund aus einer Galerie. Sie begleitet mich seither.“ Schallenberg spricht vier Sprachen fließend, in Russisch hat er Schulkenntnisse. Seine eigentliche Sprache ist aber die der Diplomatie.
„Krone“: Sind Sie glücklich, dass Sie der einzige Minister des Kabinetts Bierlein sind, der „überlebt“ hat und weiterregieren darf?
Alexander Schallenberg: „Überlebt“ klingt ein wenig nach „The Hunger Games“ … (Lacht.) Es war nicht Teil meiner Lebensplanung. Aber es ist eine große Ehre und Auszeichnung, dass ich auch der neuen Bundesregierung angehören darf.
Wäre glücklich zu viel gesagt oder sind Diplomaten vorsichtig, wenn es um Emotionen geht?
Nein, das ist nicht der Diplomat in mir. Ich finde, man sollte mit Demut an eine neue Aufgabe herangehen, nicht mit einem Überschwang an Emotion. Eher mit Umsicht. Denn das ist eine große Verantwortung. Glücklich werde ich dann sein, wenn ich das Gefühl habe: Job well done!
Wie würden Sie Demut definieren?
Als Verantwortungsgefühl im Bewusstsein, dass letztlich das Amt immer größer ist als der Träger. Die Träger kommen und gehen, aber das Amt bleibt.
Es schwirrten ja alle möglichen Nachfolger für Sie durch die Gazetten. Wann und wie haben Sie es dann erfahren?
Vor dem Jahreswechsel. Sebastian Kurz hat mich angerufen und mich bei einem Mittagessen gefragt. Das war einer jener Momente im Leben, wo man einfach bereit sein muss, Verantwortung zu übernehmen. Gerne zu übernehmen, denn es gibt einen Grund, warum ich Diplomat geworden bin. Außenpolitik ist einfach mein Metier, Außenpolitik hat mich schon immer fasziniert.
Sie haben das Diplomatentum quasi mit der Muttermilch aufgesaugt. Wie sehr hat Sie das als Mensch geprägt?
Das sind schon besondere Herausforderungen, wenn ein Kind regelmäßig Land, Schule und Freunde wechseln muss, in eine neue Sprache hineinkommt. Das prägt die Jugend, das prägt den Menschen. In mir hat es vor allem Neugierde ausgelöst für das Internationale, für das Andere, das Fremde, vielleicht auch ein stärkeres Bewusstsein, wie sehr wir eingebettet sind in ein globales Ganzes. Daher sind wir immer gut beraten, uns ohne Vorurteile, mit reiner Neugier anzuschauen, was woanders vor sich geht.
Steht Österreich, nachdem Türkis und Grün jetzt zusammengefunden haben, in der Welt besser da?
Österreich steht in der Welt eigentlich immer gut da. Aber sicher ist das eine Koalition, die große Aufmerksamkeit, großes Interesse hervorruft, gerade auch beim deutschen Nachbarn, aber auch darüber hinaus. Das Ansehen Österreichs geht aber weit über das Tagespolitische hinaus. Wir sollten aber diesen Impuls, diesen Elan, den es jetzt gibt, auch außenpolitisch und europapolitisch nützen.
Also stand Österreich auch mit den Rechten in der Regierung international gut da?
Österreich hatte 2018 die EU-Ratspräsidentschaft inne. Sie ist sehr gut gelaufen, alles lief sehr professionell ab und wurde europaweit und international sehr gelobt.
Hat diese Regierungskonstellation spezielle Auswirkungen auf Ihre Arbeit?
Türkis-Grün ist in vielerlei Hinsicht ein Novum und die meisten europäischen Staaten werden einen erhöhten Wunsch nach Kontakten, nach Gesprächen, nach eingehenden Informationen haben, wie die Stimmung ist und was in Österreich wirklich geschieht. Was mir ganz wichtig ist zu sagen: Nicht nur der Außenminister macht Außenpolitik, sondern jeder Österreicher im Ausland ist Botschafter dieses Landes. Das gilt auch für alle anderen Regierungsmitglieder. Das ist kein Monopol meiner Person, das wäre vermessen.
Spricht da schon wieder die Demut?
Nein, das hat nichts mit Demut zu tun. Ich glaube, dass im 21. Jahrhundert die strikte Trennung Innen und Außen falsch ist. Sowohl Innen- als auch Außenpolitik haben Außenwirkungen. Die Grenze dazwischen verschwimmt.
Die USA haben einen hohen General im Iran mit einer Drohne hingerichtet …
Nennen wir es „getötet“.
Wie hoch schätzen Sie das Risiko eines Krieges ein?
Die Entwicklung der letzten Wochen und Monate, eigentlich schon im Zusammenhang mit dem sogenannten iranischen Atomdeal und dem Rückzug der USA, hat den Spannungsbogen in der Region enorm erhöht. Da sind viele Player involviert, auch Saudi-Arabien. Ich hoffe doch, dass es nicht zu einer kriegerischen Auseinandersetzung am Persischen Golf kommt. Das würde auch die gesamte Weltwirtschaftsentwicklung betreffen, weil der Iran eines der Nadelöhre ist. Österreich wird alles daransetzen, das zu verhindern.
Der Bundeskanzler hat Wien als Dialogplattform für mögliche Gespräche zwischen den USA und dem Iran angeboten. Kann ein so kleines Land wirklich etwas bewirken in der Welt?
Jeder Staat in der Weltgemeinschaft kann eine Rolle spielen, auch Österreich. Wir haben das in der Vergangenheit immer wieder bewiesen. Erstens ist Wien ein sehr bewährter Ort des Dialoges, zweitens haben ja schon die Iran-Atomgespräche hier sehr erfolgreich stattgefunden. Daher ist es nur folgerichtig zu sagen: Wir stünden wieder bereit. Es wird auch dementsprechende Kontakte mit beiden Seiten geben. Österreich genießt ein sehr hohes Vertrauen der meisten Staaten dieser Welt, auch weil man uns nicht unterstellt, dass wir Eigeninteressen, sei es militärischer Art oder andere, verfolgen.
Trump hat gedroht, 52 Ziele anzugreifen. Was hat Ihnen das gesagt?
Er nimmt Bezug auf die 52 amerikanischen Geiseln, die der Iran einmal genommen hat. Was Trump androht, ist nicht die Art, wie wir ein solches Problem angehen würden. Ich bin aber sehr froh, dass das Pentagon dieser Drohung des Präsidenten bereits widersprochen hat.
Auf die IT-Systeme des Außenministeriums wurde am Wochenende ein Cyber-Angriff verübt. Wie muss man sich das vorstellen und stimmt die Vermutung, dass Russland dahinterstecken soll?
Wir gehen davon aus, dass das Ziel der Abfluss von Daten, von Informationen ist. Sie können sich das wie einen laufenden Einbruchsversuch vorstellen. Derzeit funktionieren aber unsere IT-Systeme. Aufgrund der Schwere und der Art des Angriffes liegt die Vermutung nahe, dass es sich um einen gezielten Angriff eines staatlichen Akteurs handelt. In der Vergangenheit wurden bereits staatliche Institutionen einiger europäischer Länder zum Ziel ähnlicher Attacken. Die Frage, wer genau dahintersteckt, lässt sich derzeit nicht mit Sicherheit beantworten.
In 23 Tagen tritt Großbritannien aus der EU aus. Welche Folgen wird der Brexit für uns haben?
Er wird Europa in einer bedauerlichen Art und Weise verändern, eine der größten Volkswirtschaften verlässt uns. Aber vor allem auch ein Staat, der von seiner Geschichte her sehr liberal, offen und handelsorientiert war. Das ist ein Element, das uns künftig abgehen könnte. Auch wenn der Ruf der Briten in der Europäischen Union manchmal durchwachsen war, haben sie zum europäischen Integrationsprozess sehr viel beigetragen. Österreich ist wirtschaftlich weniger exponiert als andere Staaten. Unser Ehrgeiz ist sicher, die engstmögliche Anbindung Großbritanniens an die Europäische Union auch künftig sicherzustellen. Das heißt, sie sind vielleicht nicht mehr in der EU, aber sie sind immer noch in Europa.
Sie gelten als intimer Kenner der Szene in Brüssel. Tut es Ihnen eigentlich leid, ausgerechnet, die EU-Agenden an Karoline Edtstadler abgeben zu müssen?
Nein, es war ja schon ab 2017 so, dass die EU-Agenden im Bundeskanzleramt angesiedelt waren. Erstens halte ich es für sinnvoll, dass sie stärker auch mit dem jeweiligen Regierungschef zusammenhängen. Und zweitens ist es ja nicht so, dass das Außenministerium die EU-Agenden komplett verliert. Letztlich sind es doch die österreichischen Diplomaten, die in Brüssel oder in Paris oder in Dublin oder in Berlin die österreichische EU-Politik erklären und sie umsetzen. Das heißt, das Außenministerium ist weiterhin Teil der EU-Arbeit, auch wenn die Kompetenz zu einem Großteil im Bundeskanzleramt liegt.
Sie waren nie Mitglied einer Partei, werden aber der ÖVP zugerechnet. Wie kam das eigentlich?
Ich habe mein ganzes Leben die Volkspartei gewählt und sehe mich als Teil der Bewegung von Sebastian Kurz.
Sie gelten als enger Vertrauter des Bundeskanzlers. Wann und wie haben Sie einander kennengelernt?
Das war, als er frischgebackener Chef der Jungen ÖVP wurde. Da haben wir uns bei einer Veranstaltung in Niederösterreich kennengelernt und sind gleich ins Gespräch gekommen. Seit damals ist der Kontakt eigentlich nie wieder abgerissen.
Kurz wird oft als Meister der Inszenierung beschrieben. Wie tickt er als Mensch, können Sie uns als Freund da weiterhelfen?
Da müssen Sie schon ihn fragen.
Wie würden Sie ihn charakterisieren?
Er hat eine unglaubliche Gabe, auf Menschen zuzugehen und das Gespräch zu suchen. Und dann genau zuzuhören. Das ist etwas, was gerade bei führenden Politikern eine Seltenheit ist.
Ihre Vorgängerin Karin Kneissl fiel mit einem Hofknicks vor Putin auf. War das ein Fehler?
Ich würde es so sagen: Das Foto ist um den Globus gegangen und hat vielleicht einen Eindruck der österreichisch-russischen Beziehungen erweckt, der nicht ganz zutreffend war.
Nicht so russlandfreundlich?
Österreich hat eine sehr konstante Politik gegenüber Russland, wir suchen immer den Dialog. Wir haben enge wirtschaftliche und enge kulturelle Verknüpfungen. Es gibt viele, auch historisch gewachsene Verbindungslinien. Aber dessen ungeachtet haben wir auch eine sehr klare Linie, was Rechtsstaatlichkeit, Menschenrechte und den Umgang mit der Zivilgesellschaft betrifft.
Wie muss man sich den privaten Alexander Schallenberg vorstellen?
Ich habe die stille Hoffnung, dass es zwischen dem privaten und dem öffentlichen Alexander Schallenberg gar keine so große Trennung gibt. Mich interessiert Politik, Geschichte, auch Staatengeschichte, und ich beschäftige mich auch privat damit. Ich habe eine große Familie, ich habe viele Freunde, ich umgebe mich gerne mit Menschen. Das ist auch etwas, was man sowohl in der Diplomatie als auch in der Politik braucht. Das ist das, was mir Kraft gibt.
Diskutieren Ihre Freunde am Abend Weltpolitik mit Ihnen?
Auch, aber nicht nur, beileibe nicht nur. Ich genieße es auch, ins Theater zu gehen. Ich liebe das gesprochene und geschriebene Wort. Aber ich sitze meistens irgendwo hinten, im Schatten, nicht im Scheinwerferlicht.
Sind Sie, als Außenminister der ersten türkis-grünen Koalition, mit 50 am Ziel Ihrer Träume?
Ganz offen: Ich hätte mir das nie auch in den kühnsten Träumen nicht vorstellen können. Ich werde - das kann ich versprechen - mein Bestes geben, mein ganzes Know-how, alles, was mich ausmacht, um dieser Aufgabe auch gerecht zu werden.
Die Karriere des Karriere-Diplomaten
Geboren am 20. Juni 1969 als Sohn eines Botschafters in Bern. Aufgewachsen in Indien, Spanien und Paris, den Botschafterstationen des Vaters. Jusstudium an der Uni Wien und Paris, 1997 kommt er ins Außenamt, von 2008 bis 2013 ist er unter anderem Pressesprecher von Ursula Plassnik und Michael Spindelegger. Unter Außenminister Sebastian Kurz wird er 2014 Leiter für strategische außenpolitische Planung, 2016 Sektionsleiter für Europa. Seit Juni 2019 Außenminister. Schallenberg ist Vater von vier Kindern.
Conny Bischofberger, Kronen Zeitung
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