Spanier also. Im Kopf entstehen sofort Eigenschaften und Bilder. Heißblütig. Leidenschaftlich. Temperamentvoll. Mit rollendem RRRR und tiefer Stimme. Sonnengebräunte Haut, dunkel behaarte Brust, ein Körper wie ein Stierkämpfer. Ja, auch der Seat Tarraco ist Spanier, zumindest offiziell. Tatsächlich ist er ein braver Norddeutscher, wird in Wolfsburg gebaut und ist - vor allem groß und vernünftig. Und unspanisch.
Tarraco! Das klingt wie auf den Boden stampfende genagelte Schuhe eines Tänzers. Flamenco. Paso Doble. Die kantigen Tagfahrlichter strahlen wie blitzend weiße Zähne, während an der Rückseite Auspuffblendenattrappen irritieren wie ein schlecht sitzendes Toupet. Na gut, besser als weiße Socken in Sandalen. In Martorell bei Barcelona haben sie sich redlich bemüht, dynamische Linien in die gewaltige Karosserie zu pressen. Die machen das 4,74 Meter lange und 1,66 Meter hohe SUV zwar nicht zierlich, bewahren es aber davor, klobig zu wirken. So weit, so emotional, wenn man so will.
Der Rest ist pure Vernunft
Der Seat Tarraco ist der minimal längere Zwillingsbruder von VW Tiguan Allspace und Skoda Kodiaq, bietet Platz ohne Ende, Ausstattung, so weit Brieftasche und Konzernbaukasten reichen, und das ein wenig günstiger als der offizielle Wolfsburger. Vor allem in Österreich ist schon das Basismodell fett ausgestattet, auch weil hierzulande das eigentliche Basismodell nicht angeboten wird. So sind Voll-LED-Scheinwerfer und -Rückleuchten, Digitalcockpit, Parkpiepser hinten, 17-Zoll-Alufelgen, Auto-Notbremse, Tempomat oder auch Spurhalteassistent und noch vieles mehr immer an Bord. Ein paar Tausender mehr und das Rundum-sorglos-Paket ist komplett. Sehr empfehlenswert: das Glaspanoramaschiebedach. Um einen weiteren gibt es sogar eine dritte Sitzreihe. Exklusiv in Österreich sind auch fünf Jahre Garantie mit dabei.
Macht im Fall des Testwagens fast 55.000 Euro für die Version mit 150-PS-Diesel, Allradantrieb und dem in diesem Fall obligatorischen, leicht ungeschmeidigen Siebengang-Doppelkupplungsgetriebe, ohne die beiden zusätzlichen Einzelsitze, aber mit einer ausfahrbaren Anhängerkupplung, an die man einen bis zu 2,35 Tonnen schweren Wohnwagen/Pferdeanhänger/Tieflader hängen darf.
Dann wird sich der TDI aber wohl ganz schön anstrengen müssen. Im Solobetrieb ist man flott unterwegs, untermalt vom vernehmlichen, leicht rollenden RRRRR des Zweiliter-Selbstzünders. 9,8 Sekunden vergehen im Bestfall bis, der Seat seine 1857 kg auf die Hundertermarke gewuchtet hat, die möglichen 198 km/h sind auch auf spanischen Autobahnen verboten. Acht Liter flossen im Schnitt pro 100 Kilometer durch die Leitungen.
Der nach dem Start immer aktive Spurhalteassistent lässt sich schnell per Druck auf den Blinkerhebel und Bestätigung am Multifunktionslenkrad abschalten. Sobald das erledigt ist, nervt nichts mehr. Der Tarraco fährt brav und leidlich komfortabel, die Lenkung vermittelt Gefühl zur Straße, ohne auch nur annähernd sportliche Ambitionen zu wecken, alles ist unauffällig und eckt nicht an. Das gilt auch für den zweckmäßig eingerichteten Innenraum. Hier fällt der clevere Getränkehalter auf, der sich aus dem Weg schieben lässt.
Eine der herausragenden Fähigkeiten des Spaniers ist der Transport von Menschen und Gütern. Zu fünft lässt es sich gut aushalten, dann mit bis zu 760 Liter Gepäck (hinter die dritte Sitzreihe würden 230 Liter passen). Legt man alles flach, bildet sich eine fast ebene Ladefläche für fast zwei Kubikmeter. Das Kofferraumabdeckrollo verschwindet unter dem Boden.
Unterm Strich
Der Seat Tarraco ist das richtige Familienauto für alle, die deutsche Gründlichkeit, Unaufgeregtheit und Zuverlässigkeit lieben, das aber niemals zugeben würden und deshalb kein deutsches Auto kaufen wollen. Günstiger als ein VW ist er noch dazu. Motormäßig hätte man noch einen 190-PS-Diesel sowie zwei Benziner mit 150 oder 190 PS zur Wahl. Basispreis ist 32.190 Euro. Und es ist wie im richtigen Leben: Das Temperamentvolle mit der behaarten Brust wird oft für ein Strohfeuer ausgewählt. Für eine lange Beziehung geht es um echte Qualitäten und Zuverlässigkeit. Es ist trotzdem nie ein Fehler, an der eigenen Leidenschaftlichkeit zu arbeiten.
Warum?
Sehr viel Platz
Gute Ausstattung
Fünf Jahre Garantie
Warum nicht?
Wirklich spanisch wirkt er nicht.
Oder vielleicht …
… Nissan X-Trail, Hyundai Santa Fe, Skoda Kodiaq, VW Tiguan Allspace
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