Sie hat die Umweltagenden an die Grünen verloren, ist jetzt „nur“ noch Landwirtschaftsministerin. Mit Conny Bischofberger spricht Elisabeth Köstinger über Frauenpower, Solidarität mit Alma Zadic und ihr fröhliches Naturell.
Am Stubenring 1 ist die Portierin etwas überfordert. Köstinger? Sagt ihr nichts. Findet sie auch nicht im Computer. Die Ministerin für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus reagiert total nachsichtig: „Am Tag nach der Angelobung kann man noch nicht über alles Bescheid wissen“, meint sie, „es sind ja doch sieben Monate vergangen, seit ich hier war.“ Am 3. Juni, erinnert sich Köstinger, habe sie gemeinsam mit ihrem Mann und dem damals elf Monate alten Sohn an der Hand das Bundesministerium verlassen. Am Dienstag, nach ihrer neuerlichen Angelobung, kehrte sie, wieder in Begleitung ihrer beiden Männer, zurück. „Es war tatsächlich so, als würde ich nach Hause kommen“, strahlt sie.
Am Besprechungstisch in ihrem Büro ist eine Brettljause gedeckt. Mangalitza-Salami aus dem Burgenland, Schinkenspeck aus Oberösterreich, Sennerkäse aus Vorarlberg und „Schneidige Susi“ vom Schaf, alles von der biologischen „Warenhandlung“ zweier Schwestern in der Wiener Marxergasse.
„Krone“: Vor dem ersten Ministerrat gab es ein Treffen des türkisen Teams im ehemaligen Büro von Brigitte Bierlein. Wurden die „Neuen“ da von den „Oldies“ gebrieft?
Elisabeth Köstinger: Wir haben auch die Tage vor der Angelobung schon genützt, um Erfahrungen auszutauschen und Abläufe zu skizzieren. Sebastian Kurz ist es sehr wichtig, dass wir als Team eng und gut zusammenarbeiten. Und so versuchen wir aus dem alten Team, so geht es geht, die Kolleginnen ohne Regierungserfahrung zu unterstützen. Da geht es oft um Kleinigkeiten, die aber wichtig sind.
Was war beim ersten Ministerrat mit den Grünen anders als 2017 mit der FPÖ?
Das Wahlergebnis spiegelt sich natürlich in der Ministeriumaufteilung wieder. 10 zu 4. Wir sind als ÖVP maßgeblich gestärkt worden. Atmosphärisch sehe ich keinen großen Unterschied, denn wir hatten auch in der letzten Regierung persönlich einen sehr guten Umgang miteinander. Wir verstehen uns insgesamt als Team. Auseinandersetzungen ja, unterschiedliche Zugänge klar. Aber Streiten als Selbstzweck braucht wirklich keiner.
Ihre Kollegin, Leonore Gewessler, ist mit dem Fahrrad zur Angelobung gekommen. Wie sind Sie gekommen?
Mit dem Dienstauto. Aber ich bewundere das sehr und versuche immer wieder, so viele Kilometer wie möglich zu Fuß oder öffentlich zurückzulegen. Ich muss aber ganz ehrlich sagen, bei der Termindichte würde ich es nicht schaffen, nur mit dem Rad zu fahren. Ich glaube, Frau Gewessler will auch nicht fliegen, sondern nur Zug fahren. Das ist sicher ein großer zeitlicher Aufwand.
Sie haben durch den Koalitionswechsel die Klimaagenden an sie verloren. Sind Sie erleichtert oder traurig?
Es war von Anfang an klar, dass die Grünen nicht in eine Regierung gehen können, ohne maßgeblich für die Klimaschutzagenden Verantwortung zu tragen. Deshalb macht dies Aufteilung Sinn. Wir stehen für die Themen Entlastung, Sicherheit, Wirtschaftsstandort. Die Grünen haben ihre Kernthemen Klimaschutz und Transparenz. Also war es logisch.
Erleichtert oder traurig?
Traurig. In den Bereich „Nachhaltigkeit“ habe ich sehr viel Herzblut gesteckt, weil mir das als Mama auch persönlich am Herzen liegt. Ich habe das wirklich sehr gerne gemacht. Wir haben viele Weichenstellungen gesetzt: das letzte Kohlekraftwerk in Österreich abgeschaltet, Ölheizungen verboten. Also übernimmt Frau Gewessler einen sehr gut aufgestellten Bereich mit tollen und fleißigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Sie sollte wirklich perfekte Startbedingungen haben.
Umweltschutzorganisationen, aber auch Klimaschützer haben Ihre Klimastrategie als „völlig unzulänglich“ bezeichnet. Was ist - selbstkritisch - Ihre Bilanz?
Zu glauben, dass irgendwo ein Knopf ist, den man drückt, und dann ist von heute auf morgen alles anders, wäre naiv. Klimaschutz bedeutet immer auch eine ganz massive Umstellung des eigenen Lebens. Mobilität einzuschränken ist in der Stadt leicht, weil es dort perfekte Bedingungen gibt. Aber am Land schaut es schon anders aus. Ich wollte Klimaschutz mit Hausverstand machen, mit den Menschen und nicht gegen sie. „Unzulänglich“ weise ich absolut zurück. Aber das war auch nicht immer eine wirklich sachliche Auseinandersetzung.
Hätten Sie beispielsweise bei Tempo 140 nicht aufschreien müssen?
Das war ein Test- und Pilotversuch, den Verkehrsminister Norbert Hofer gestartet hat. Das war sein Zuständigkeitsbereich und seine Verantwortung. Dass ich keine Verfechterin von Tempo 140 war, habe ich mehrmals festgehalten.
Nun soll ja unter den Grünen Österreich zehn Jahre früher klimaneutral sein, 2040 statt 2050. Wird es mit den Grünen jetzt besser?
Die FPÖ hat das Thema Klimaschutz nicht als große Priorität gesehen, natürlich verschieben sich jetzt die Schwerpunkte. Ich denke, dass es auch in der Vergangenheit bereits sehr gute Ansätze gegeben hat. Außerdem muss man von den Zielen dann auch in die Maßnahmen kommen. Die Mühen des Alltags, die haben noch jeden erwischt
Ihnen bleibt die Landwirtschaft. Ist die Brettljause, die hier gedeckt ist, ein Sinnbild dafür?
Ja, aber es ist noch viel, viel mehr. Es fehlt noch das Obst und Gemüse. Wir sind ein Land, das sich in vielen Bereichen selbst versorgen kann, das mit kleinbäuerlichen Strukturen die Lebensmittelproduktion bestreitet. Das Bio-Land Nummer 1 weltweit. Und weil wir gerade über Klimaschutz gesprochen haben: Die beste Klimaschutzmaßnahme, die jeder Einzelne machen kann, ist, regional und saisonal einzukaufen, am besten bei den Bäuerinnen und Bauern.
Die neue Regierung hat mehr Frauen als Männer. Machen so viele Frauen einen Unterschied?
Die Frauen in der Bundesregierung sind nicht ausgewählt worden, weil sie Frauen sind, sondern weil sie tagtäglich beweisen, dass sie mit Kompetenz und Herzblut und Leidenschaft gute Arbeit machen. Sebastian Kurz als Bundeskanzler bringt uns sehr viel Wertschätzung entgegen, aber im Endeffekt muss jede Frau in ihrem Aufgabenbereich bestehen und ihre Sache gut machen.
„Kompetenz, Herzblut, Leidenschaft“, sind das weibliche Eigenschaften?
Können auch männliche sein … Aber ich glaube, wir Frauen werden nach wie vor unterschiedlich beurteilt. Es wird bei uns viel mehr auf Äußerlichkeiten geachtet, und wenn Frauen einmal härter sind, dann wird das gleich als unpassend empfunden. Im 21. Jahrhundert sollten wir eigentlich schon einen Schritt weiter sein.
Besonders hart attackiert wird derzeit Alma Zadic, die neue Justizministerin. Wegen einer medienrechtlichen Geldstrafe wird über sie behauptet, sie sei vorbestraft. Die FPÖ schreibt, man brauche keine Muslimin in der Regierung. Was sagen Sie dazu?
Ich habe Alma in den Sondierungsgesprächen kennen- und schätzen gelernt. Sie ist eine beeindruckende junge Frau, die einen spannenden Lebensweg hinter sich hat und mit Sicherheit auch vor sich hat. Sie hat wirklich meine volle Solidarität. Und auch die Solidarität von Sebastian Kurz.
In all den Wochen, in denen Sie an der Seite von Sebastian Kurz aufgetreten sind, haben Sie immer gelächelt. Ist das Ihr Lebensmotto? Mit einem Lächeln geht alles leichter?
Ich wundere mich manchmal, dass das so ein ungewöhnliches Attribut sein soll. Ich mache meine Aufgaben und meinen Job einfach sehr, sehr gerne. Ich habe eine unbändige Energie für die Tätigkeiten, die zu bewältigen sind. Wir sind ein extrem gutes und vertrauensvolles Team. Ich weiß nicht, warum sich so viele daran stoßen, dass ich lächle. Soll ich mich bemühen, ein bisschen grantiger zu schauen? Nein, das ist einfach mein Naturell.
Am 17. Mai gab es nichts zu lächeln, da wurde das Ibiza-Video veröffentlicht. Wie haben Sie den Abend erlebt?
Es war extrem unerwartet und hat unser Gefüge und unsere ganze Arbeit von einer Sekunde auf die andere auseinandergerissen. Nach 20-Stunden-Tagen, sieben Tage die Woche, steht plötzlich alles, der Terminkalender ist leer geräumt. Und auf einmal muss man sich mit unfassbar vielen Dingen auseinandersetzen, an die man zuvor keine Sekunde gedacht hat. Ich habe damals verinnerlicht, dass nichts selbstverständlich ist, dass in der Politik von einem Moment auf den anderen alles vorbei sein kann und in diesem Fall eben zu Neuwahlen geführt hat. Rückblickend gesehen war es auch die einzig richtige Entscheidung.
Was hat Ibiza mit Ihrer Partei gemacht?
Ich glaube, es hat uns noch mehr zusammengeschweißt. Wir haben noch mehr gelernt. Die Voraussicht und das strategische Geschick unseres Bundeskanzlers waren bemerkenswert. Er wächst in solchen Situationen immer wieder über sich hinaus. Man ist sehr stolz, Teil dieses Teams zu sein.
Bauerntochter und junge Mutter
Geboren am 22.11.1978 in Wolfsberg, aufgewachsen auf einem Bauernhof in St. Paul im Kärntner Lavanttal. Politisch aktiv seit 1995 (Landjugend, Jungbauern), ÖVP-Mitglied seit 2007, Mitglied des Europäischen Parlaments ab 2009. Nach der vorgezogenen Nationalratswahl holt Sebastian Kurz sie 2017 als Ministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus in die türkis-blaue Regierung. Bei Türkis-Grün ist sie wieder Ministerin für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus. Ihr Sohn Lorenz ist eineinhalb Jahre alt.
Conny Bischofberger, Kronen Zeitung
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