„ZiB 2 am Sonntag“-Anchor Martin Thür über Archive, Eichenholz und Nachrichtensucht.
„Krone“: Sie haben mich zum Blättern in alten Zeitungen eingeladen.
Martin Thür: Ich liebe es, ins Archiv der Nationalbibliothek oder des Staatsarchivs zu gehen. Ganz viele Menschen finden ja die Zeitung von gestern langweilig. Aber ich finde, die Zeitung von gestern oder noch besser von vorgestern erzählt wahnsinnig viel darüber, warum die Dinge heute so sind, wie sie sind. Deswegen finde ich alte Archive so ungemein spannend.
Das heißt: Der Blick zurück ist etwas Wichtiges?
Ja, und er nützt, wenn man nach vorne schauen will. Nicht immer, nicht ständig oder verklärt, denn ich bin schon ein zukunftsorientierter Mensch. Aber er ist wichtig, um zu verstehen, wie es heute ist und wie es in der Zukunft sein könnte.
Hilft Ihnen das Archiv auch in Ihrem Beruf?
Ja, ich komme öfter hierher, um zur Recherche alte Bücher auszuborgen. Denn das Internet vergisst total viel und weiß vor allem wahnsinnig viel nicht.
Was ist es, das Sie in Ihrem Job an- und ins Archiv treibt?
Es ist dieses Gefühl: Warum ist das jetzt eigentlich so? Gerade bei Dingen, die man für gegeben annimmt, frage ich gerne nach dem Warum. Dinge, die viele mit „Ja, das ist halt so" beantworten, genau die will ich mir genauer anschauen.
Das kann einen aber auch in den Wahnsinn treiben.
Ja (lacht), es ist die Hölle, weil man wird ja nie fertig mit dem Recherchieren. Das Problem ist nicht, dass ich mich beklagen könnte, dass ich zu wenig Fragen habe, sondern nicht die Zeit habe, alle Antworten zu finden.
Wo finde ich Sie, wenn Sie nicht in Archiven stöbern?
In meiner Werkstatt. Mein Großvater war Tischler, und ich liebe den Geruch von Holz. Ich habe mir im Keller eine kleine Werkstatt eingerichtet, wo ich tischlerisch werke. Zurzeit entsteht ein Regal aus alten Eichenholzbrettern fürs Vorzimmer. Das Schöne am Werken ist, dass es ein konstantes Problemlösen, ja ein Puzzeln, ist. Am Schluss ist es fertig, und du hast tatsächlich etwas geschaffen.
Ich stelle fest, Sie sind gerne unter der Erdoberfläche.
(lacht) Stimmt! Gerade als innenpolitischer Journalist ist man laufend auf Twitter oder vor dem Computer. Es herrscht ein ständiges Gewitter an Informationen. Da ist es manchmal oft schön, das ganze Aktuelle auszuschalten, in die Werkstatt oder ins Archiv zu gehen und durchzuschnaufen.
Weil dort kein Empfang ist!
Genau. Ich sage Ihnen, das hilft einem Nachrichtensüchtigen, wie ich es nun einmal bin, ungemein. Das ist wie wenn ein Raucher in ein Nichtraucherlokal geht.
„Auch das bin ich“ von Stefan Weinberger, Kronen Zeitung
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