Regime mauert sich ein

Iran: Nicht vertuscht, „absolut nicht geschossen“

Ausland
13.01.2020 12:40

Nach dem Abschuss der ukrainischen Passagiermaschine vor knapp einer Woche gerät die Führung im Iran zunehmend unter Druck - und mauert sich ein. Am Montag wies man in Teheran allerlei Vorwürfe zurück. „In diesen betrüblichen Tagen wurde viel Kritik an Autoritäten unseres Landes laut“, sagte Regierungssprecher Ali Rabiei. „Einige Verantwortliche wurden sogar der Lüge und Vertuschung bezichtigt - dies war jedoch, in aller Ehrlichkeit, nicht der Fall.“ Auch auf Demonstranten, die sich zuletzt ungewöhnlich offen gegen die oberste Instanz, Ayatollah Ali Khamenei, ausgesprochen und dem „Diktator“ den Tod gewünscht hatten, habe man „absolut nicht geschossen“.

Die Passagiermaschine war am vergangenen Mittwoch kurz nach dem Start am Flughafen von Teheran abgestürzt. Nach tagelangen Dementis räumte der Iran am Samstag ein, die Maschine irrtümlich abgeschossen zu haben. In der Folge wurden international sowie im Iran selbst Vorwürfe laut, das Regime habe versucht, den Vorfall zu vertuschen. Der iranische Präsident Hassan Rouhani teilte mit, den Abschuss „zutiefst“ zu bedauern. Auch Außenminister Mohammad Javad Zarif bat um Entschuldigung, machte aber das „Abenteurertum der USA“ für die Katastrophe mitverantwortlich.

Spätes Schuldeingeständnis: Präsident Rouhani (re.), Außenminister Zarif (Bild: AFP PHOTO/HO/IRANIAN PRESIDENCY)
Spätes Schuldeingeständnis: Präsident Rouhani (re.), Außenminister Zarif

Demonstranten bieten Sicherheitskräften die Stirn
Am Wochenende gingen in Teheran Hunderte Menschen auf die Straße, um der 176 Opfer des Abschusses zu gedenken. Die Mahnwache mündete in einen wütenden Protest, in dem die Demonstranten auch den Rücktritt der für den Abschuss und die tagelange Leugnung Verantwortlichen forderten. In Videos, die im Internet verbreitet wurden, sind Schüsse in unmittelbarer Nähe von Kundgebungen zu hören. Zudem werden Blutlachen gezeigt. Zu sehen sind auch bewaffnete Männer, die offenbar Sicherheits-Einheiten angehören. In einigen Videos schlagen Einsatzkräfte mit Schlagstöcken auf Demonstranten ein. Menschen rufen: „Schlagt sie nicht!“

(Bild: AP)

Polizei: „Absolut nicht geschossen“
Die Polizei wies Anschuldigungen zurück, auf Demonstranten geschossen zu haben. „Bei den Protesten hat die Polizei absolut nicht geschossen, weil die Polizei der Hauptstadt die Anweisung hatte, sich zurückzuhalten“, hieß es in einer am Montag veröffentlichten Erklärung von Polizeichef Hossein Rahimi.

Trump: „Die Welt sieht zu“
US-Präsident Donald Trump griff die Anti-Regime-Kundgebungen mehrfach auf, indem er sich zunächst auf Twitter mit der Protestbewegung solidarisierte und dann die Staatsführung in Großbuchstaben dazu aufrief, „die Demonstranten nicht zu töten“. „Die Welt sieht zu, und noch wichtiger: Die USA sehen zu.“ Einen gleichlautenden Tweet setzte er auch auf Persisch ab.


Ein iranischer Regierungssprecher bezeichnete Trumps Aussagen als „nicht ehrlich gemeint“, der US-Präsident vergieße „Krokodilstränen“.

Dritter Protest-Tag in Folge
Auch am Montag kam es im Iran zu regierungskritischen Protesten - den dritten Tag in Folge. Im Internet verbreitete Videos zeigten Demonstranten bei einer Universität in Teheran, die riefen: „Sie haben unsere Eliten getötet und sie mit Klerikern ersetzt.“ In anderen Teilen Teherans bezogen Einheiten der Bereitschaftspolizei Stellung.

Sicherheitsexperte warnt: „Zu viel Unterstützung kann zu Eskalation führen“
Der Chef der Münchner Sicherheitskonferenz, Wolfgang Ischinger, warnte unterdessen vor einer zu großen Unterstützung des Westens für die Demonstranten im Iran. „Zu viel Unterstützung kann auch dazu führen, dass der Konflikt eskaliert“, sagte er am Montag im ZDF-„Morgenmagazin“. Ischinger kritisierte ausdrücklich Trumps diesbezügliches Verhalten auf Twitter.

Den richtigen Umgang mit den Demonstranten im Iran bezeichnete Ischinger als „eine der schwersten Gratwanderungen“. Neben Zurückhaltung und Vorsicht müsse man der iranischen Bevölkerung auch zeigen, dass der Protest in der Welt gesehen werde. Um in der Region Einfluss zu haben, braucht es laut Ischinger „neben politischer Überzeugungskraft und kluger Diplomatie notfalls auch Unterfütterung durch militärische Mittel“.

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