Wie Bewohner einer geriatrischen Station in Wien zu Statisten für den Leitinhalt „Pflege“ werden und die türkis-grüne Regierungsspitze in perfekter Inszenierung ihre Geschlossenheit demonstriert.
„Was warten’s denn da alle?“, sagt eine ältere Dame, die sich gerade die „Krone“ mit dem Rollator geholt hat. „Aufn Kanzler!“, lächelt eine andere. Gespanntes Warten und hektisches Treiben im Haus der Barmherzigkeit in der Seeböckgasse in Wien-Ottakring. Ein Pulk aus Journalisten hat im Eingangsbereich der Pflegeanstalt Aufstellung genommen.
Perfekte Inszenierung des Themas Pflege
Alles wartet auf Bundeskanzler Sebastian Kurz, Vizekanzler Werner Kogler und Sozialminister Rudolf Anschober. Für eine perfekte Inszenierung des Themas Pflege hat man ein renommiertes Haus gewählt, das vor allem für die vollstationäre sowie auch Übergangs- und Kurzzeitpflege bekannt ist. Anschober kommt - wie aus oberösterreichischen Landesregierungszeiten gewohnt - unprätentiös als Erster, ohne Entourage, mehr als eine halbe Stunde vor dem Termin. Tritt ein, grüßt, verschwindet mit Verantwortlichen in einem Nebenraum. Knapp nach 9.30 Uhr richten sich die Kameras auf den Eingangsbereich, die Regierungsspitze ist da!
„Da geht’s lang!“, scheint der ernst blickende Vize Kogler dem Kanzler sagen zu wollen. Doch der, ganz Profi, hat schon längst vor dem Eintreten sein Kamera-Lächeln angeknipst, steuert zielgenau Menschen an, spricht mit ihnen, fragt ehrlich wirkend und interessiert nach. „Keine Fotos im Erdgeschoß“, lautet die Ansage der hiesigen Kommunikationsabteilung. Im dritten Stock könne man später Bewohner-Bilder machen, so der Inszenierungs-Plan.
Bewohner als Statisten
Umzingelt vom Journalisten-Tross geht‘s hinauf in die dritte Etage, geriatrische Station. Sympathische Senioren, die dort am nett gedeckten Tisch sitzen. Sie sind Statisten für einen Leitinhalt - die Pflegereform - der neuen Regierung. Anschober geht auf sie zu. Und während Kogler - noch immer ernsten Blickes - zögerlich und körperlich gesehen „von oben herab“ in Kontakt tritt, geht der Kanzler bereits vor einer älteren Dame in die Hocke. „Er ist wirklich ein fescher Mann!“, sagt sie später. „Der vertritt uns g’scheit!“, sagt eine andere.
„Der Kurz macht das schon“
Eines zeigt sich - auch später beim kurzen Presse-Statement, das zwar viel Charme, doch wenig Konkretes lieferte: Kurz weiß im Gegensatz zu Kogler, wie man solche Auftritte absolviert. Und auch Anschober fühlt sich auf dem Parkett, wo es menschelt, wohl. „Ist der auch ein Schwarzer?“, fragt uns eine Bewohnerin. „Grün!“ korrigieren wir. Und sie retour: „Egal, der Kurz macht das schon.“
Sabine Kronberger, Kronen Zeitung
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