380-kV

Zweites Verfahren gegen Freileitung eingeleitet

Salzburg
15.01.2020 15:27

Gegner der 380-kV-Freileitung in Salzburg haben am Mittwoch an die Bundesregierung appelliert, gesetzliche Verstöße gegen das Unionsrecht zu beheben und das geplante Projekt neu zu bewerten. Argumentiert wurde mit zwei Vertragsverletzungsverfahren, die mittlerweile von der EU-Kommission gegen Österreich eingeleitet wurden. Weitere Proteste gegen Rodungen wie derzeit in Bad Vigaun sind möglich.

Die Bürgermeister der Gemeinden Koppl und Eugendorf sowie zwei Bürgerinitiativen im Flachgau forderten die Politik und den Projektbetreiber der Stromleitung, die Austrian Power Grid (APG), bei einer Pressekonferenz auf, die rechtskräftige gerichtliche Entscheidung abzuwarten und den im vergangenen Herbst erfolgten Baubeginn der Leitung zu stoppen. „Unionsrecht ist verbindlich und geht dem innerstaatlichen Recht vor“, argumentierte der Rechtsanwalt der beiden Flachgauer Gemeinden, Adolf Concin.

„Wir fordern, dass der Mangel in der Gesetzgebung von der Regierung behoben und das Gesetz so angepasst wird, wie es die EU vorgibt“, erläuterte der Koppler Bürgermeister Rupert Reischl. „Der Unmut in der Bevölkerung steigt“, zeigte er Verständnis für den Widerstand in der Bevölkerung. „Wie weit das ausartet, kann derzeit keiner sagen.“ Sein Amtskollege, der Eugendorfer Bürgermeister Johann Strasser, sicherte seine Unterstützung zu, falls sich Grundbesitzer im Flachgau wie derzeit in Bad Vigaun im Tennengau an Bäume ketten, um Rodungen zu verhindern. „Wenn sich Leute an einen Baum binden, fahre ich als Bürgermeister hin und frage: Wie kann ich helfen?“

Im März 2019 hat das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) die Beschwerden gegen das Großprojekt und den positiven Baubescheid des Landes abgewiesen, allerdings eine Berufung vor dem Verwaltungsgerichtshof (VwGH) ermöglicht. Die Gemeinden Koppl und Eugendorf und zwei lokale Bürgerinitiativen brachten darauf auch Rechtsmittel ein. Sie hätten Teile der Leitung gerne als Kabel unter der Erde geführt gesehen. Allerdings wurden die Anträge auf aufschiebende Wirkung gegen das Großprojekt abgewiesen. Damit war ein Baubeginn auch vor der noch ausstehenden Entscheidung des Höchstgerichts möglich.

Im Juli 2019 hat die EU-Kommission das erste Vertragsverletzungsverfahren gegen Österreich eingeleitet, weil für die Leitung zwar eine Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP), nicht aber die im Vorfeld nach EU-Recht zwingend vorgeschriebene Strategische Umweltprüfung (SUP) stattgefunden hat. Im Oktober 2019 wurde ein weiteres Vertragsverletzungsverfahren gegen Österreich eingeleitet, und zwar wegen einer Unionsrechtswidrigkeit beim Trassenaufhieb. Der Europäische Gerichtshof (EuGH), der Verwaltungsgerichtshof und die Europäische Kommission hätten zwischenzeitlich entschieden, dass Trassenaufhiebe unionsrechtlich gleich wie Rodungen zu behandeln seien, erklärte Rechtsanwalt Concin.

Was den Trassenaufhieb im Ausmaß von rund 600 Hektar für den Bau der Salzburgleitung betrifft, so liege hier eine „klare Unionsrechtswidrigkeit“ vor, betonte Concin. Trassenaufhiebe für den Bau von Stromleitungen hätten als Rodungen gelten müssen. Dies sei bei der Prüfung der Umweltverträglichkeit nicht mitberücksichtigt worden. „Das Vertrauen der Bevölkerung in den Rechtsstaat ist eingeschränkt. Der Staat soll sich an die Gesetze halten.“ Die Politik habe es nun in der Hand, zumindest die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes abzuwarten.

Der Anwalt gab zu bedenken, dass die Regierungsparteien die Verstöße gegen das Unionsrecht jetzt erkannt hätten. Er verwies auf das Regierungsübereinkommen 2020 bis 2024 der neuen Österreichischen Bundesregierung. Auf Seite 148 des Regierungsprogrammes seien die zwei Vertragsverletzungsverfahren genannt und entsprechende gesetzliche Anpassungen angekündigt worden. Demnach solle die SUP sowie eine gesetzliche Regelung kommen, wonach Trassenaufhiebe Rodungen sind.

Über den aktuellen Stand der Vertragsverletzungsverfahren könne er keine Angaben machen, sagte Concin. „Da gibt es keine Transparenz, keine Auskunft von der Kommission und der Republik.“ Der Antragsteller APG mache derzeit zwar nichts Ungesetzliches, gehe aber ein Risiko ein. Falls das Höchstgericht entscheidet, dass keine Genehmigung für das Projekt vorliegt, entstünde ein extremer volkswirtschaftlicher Schaden, warnte der Rechtsanwalt. Dazu Reischl: „Man soll sich die Zeit nehmen, die Gerichtsentscheidung abzuwarten. Zurück an den Start, fangen wir neu an“, appellierte er.

Die Salzburg-Leitung ist der Lückenschluss im 380-kV-Ring in Österreich. Die geplante Freileitung verläuft zwischen Elixhausen (Flachgau) und Kaprun (Pinzgau) und ist 113 Kilometer lang. Im Gegenzug zur Errichtung der neuen Leitung werden rund 193 Kilometer an bestehenden 110- und 220-kV-Leitungen abgebaut. Das Investitionsvolumen für die Leitung beläuft sich laut APG auf rund 800 Mio. Euro.

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