Finanzminister, Regierungskoordinator, ÖVP-Spitzenkandidat in Wien und bald zum ersten Mal Vater: Mit Conny Bischofberger spricht Gernot Blümel (38) über Disziplin und Multitasking, Zahlen und Geld und seinen ersten und einzigen Kredit.
Es ist das kleinste aller Ministerbüros, aber mit seinen barocken Fresken an der Decke strahlt es etwas fast Museales aus. Der moderne Besprechungstisch steht auf einem antiken, blassblauen Teppich, auf dem Sternparkett wartet ein grünes Balance-Board. Gernot Blümel legt seinen Kopf weit zurück und zeigt nach oben zu den Engeln: „Am Anfang konnte ich mich fast nicht konzentrieren, so unfassbar schön ist dieser Blick.“
Auch im Winterpalais des Prinzen Eugen während der Regierungsverhandlungen sei es ihm am Anfang so ergangen. „Es ist wirklich ein Privileg, in solchen Räumen arbeiten zu dürfen.“ Vor allem für jemanden, der „eine gewisse Affinität zu Kunst, Kultur und Geschichte hat“, fügt er hinzu. Ab sofort sind Budget, Defizit und Finanzen sein Thema.
Krone: Herr Finanzminister, bei welcher Gelegenheit steigen Sie auf dieses Balance Board?
Gernot Blümel: Ich telefoniere ganz gerne da oben. Das lenkt ein bisschen ab und bringt einen wieder, wie der Name schon sagt, in Balance.
Ab welchem Zeitpunkt war klar, dass Sie Finanzminister werden?
Nachdem Hartwig Löger nicht mehr weitermachen wollte, hat mich Sebastian Kurz gegen Ende der Koalitionsverhandlungen gefragt, ob ich das Finanzressort übernehmen wollen würde. Ich habe kurz nachgedacht, weil es doch eine große Verantwortung ist.
Wie kurz?
Einige Stunden.
Was waren die Bedenken?
Egal, wie tief man in den Themen drinnen ist - ich habe ja die Finanzen und auch die Budgets der letzten Jahre mitverhandelt -, es braucht immer eine Zeit lang, bis man auch wirklich jedes Detail versteht. Aber ich habe gewusst, es gibt viele exzellente Beamte im Haus und deshalb wird das funktionieren.
Ihr Vorgänger hat gemeint, als Erstes geht er einmal ins Kloster. Klingt nach einem anstrengenden Ressort.
Das glaube ich sofort. Edi Müller hat das wirklich ausgezeichnet gemacht, also auch von dieser Stelle ein großes Danke an ihn.
Was befähigt Sie dazu, Finanzminister zu sein?
Ich war bereits in der Regierung tätig und habe in den letzten Jahren immer wieder Budgets und Steuerreformen mitverhandelt. Von der Ausbildung her habe ich auch Wirtschaft studiert.
Wirtschaft und Philosophie. Hilft Letzteres im Finanzministerium?
Ich finde, die Philosophie hilft überall. Die großen Ökonomen des 18. und 19. Jahrhunderts waren ja vor allem Philosophen. Adam Smith, der erste große Nationalökonom. John Stuart Mill, der die politische Ökonomie definiert hat. Auch Marx war Ökonom. Er war im Übrigen der Meinung, dass die gesellschaftlichen Verhältnisse von den ökonomischen Verhältnissen abhängen. Dazu gibt es die Gegenthese von Georg Simmel, der sagt, dass die ökonomischen Verhältnisse von den gesellschaftlichen Verhältnissen abhängen. Also es gibt extrem viele Berührungspunkte.
Welche zwei Eigenschaften braucht ein Finanzminister unbedingt?
Das, was ich mir von einem Finanzminister immer erwartet habe. Dass er erstens nicht ständig neue Schulden macht und dass er zweitens die Steuern senkt. Genau das will ich auch umsetzen. Wir werden einerseits den Schuldenberg abbauen und andererseits die Menschen entlasten. Der Staat nimmt den Menschen zu viel weg, er muss ihnen wieder mehr im Börserl lassen.
Sind Sie froh, dass Sie keinen grünen Staatssekretär als Aufpasser da sitzen haben?
Ich bin weder froh noch traurig. Das war eine Entscheidung der Grünen. Ich habe gehört, dass Josef Meichenitsch infrage gekommen ist, mit dem ich in den Verhandlungen sehr, sehr gut zusammengearbeitet habe. Das wäre zweifellos eine Bereicherung gewesen. Darüber hinaus hätte man sich die Termine aufteilen können. Das fällt jetzt weg. Rein inhaltlich ist Werner Kogler in der Koordinierung aber ohnehin ein sehr starkes Gegenüber.
Sind Sie mittlerweile befreundet?
Ich habe ihn sehr, sehr schätzen gelernt. Gerade was Finanz- und Budgetpolitik betrifft, kennt er sich wirklich aus. Da ist viel Expertise da.
Was mögen Sie an den Grünen?
Dass sie den Anspruch des Gestaltens haben. Es gibt nichts Schlimmeres, als wenn Politiker nicht wissen, was sie verändern wollen. Jetzt will ich zwar nicht alles so verändern wie es die Grünen verändern wollen, sondern lieber in eine andere Richtung. Aber ich respektiere den starken Willen der Grünen.
Hat die FPÖ den nicht auch gehabt?
Ich finde, bei den Grünen spürt man diesen inhaltlichen Gestaltungswillen noch deutlicher.
Herr Blümel, Sie sind nicht nur Finanzminister, sondern auch Regierungkoordinator und Chef der ÖVP Wien, wo im Herbst gewählt wird. Wenn Sie dort wahlkämpfen und vielleicht in die Stadtregierung gehen, werden Sie dann nur kurz Minister bleiben?
Also zunächst einmal: Ich freue mich auf die Wahlen. Ich habe die ÖVP Wien vor ziemlich genau vier Jahren in einer katastrophalen Situation übernommen. Mittlerweile sind wir professioneller und schlagkräftiger geworden. Eine moderne Stadtpartei. Was nach den Wahlen passieren wird, sehen wir nach dem Wahlergebnis.
Sie wissen also nicht, wie lange Sie Finanzminister sind?
Das entscheiden in erster Linie die Wienerinnen und Wiener. Aber das Jahr 2019 hat gezeigt, dass in der Politik immer vieles möglich ist, und deswegen bin ich sehr gespannt, was passieren wird.
Wäre das nicht fahrlässig, nach kurzer Zeit dieses Amt wieder abzugeben?
Also zunächst einmal müssen wir die Kirche im Dorf lassen, was die Möglichkeiten bei der Wahl betrifft. Wir starten von einem sehr niedrigen Niveau. Die Umfragen sind zwar gut, aber eine Wahl muss man erst einmal gewinnen und dann schauen wir weiter.
Unter welchen Umständen würden Sie nach Wien gehen?
Das kommt auf das Wahlergebnis an. Zuerst wird gewählt und dann wird gezählt. (Lacht.)
Ob ich nach Wien gehe? Zuerst wird gewählt und dann wird gezählt. Aber das Jahr 2019 hat gezeigt, dass in der Politik immer vieles möglich ist.
Gernot Blümel
Könnten Sie sich auch eine Koalition an der SPÖ vorbei gemeinsam mit den Grünen und den NEOS vorstellen?
Ich halte nichts davon, vor einer Wahl über konkrete Koalitionsformen zu spekulieren. Ich finde das ein bisschen - wie soll ich sagen - respektlos dem Wähler, der Wählerin gegenüber.
Sie werden im März auch Vater. Wie werden Sie das alles unter einen Hut bringen?
Mit einem straffen Zeitplan und viel Disziplin. Ich habe natürlich vor, so viel Zeit wie möglich mit meiner Tochter zu verbringen. Sie kommt im März, meine Frau hofft am 8. März, das wäre der Weltfrauentag. Eigentlich habe ich jetzt schon ein schlechtes Gewissen ihr gegenüber, weil ich weiß, dass es wohl nicht so viel sein wird, wie meine Eltern mit mir verbracht haben. Ich denke manchmal daran, wie das für sie sein wird.
Könnten Sie nicht zumindest einen Papamonat nehmen?
Eingedenk der sehr intensiven beruflichen Zeit wird sich das, so glaube ich, nicht ausgehen.
Wie bereiten Sie sich auf die Vaterrolle vor?
Ich habe durch meine drei Geschwister eine gewisse Vorbildung. (Lacht.) Meine Neffen und Nichten sind drei Monate, eineinhalb Jahre, drei Jahre und sechs Jahre alt. Wir haben ein sehr enges Verhältnis und da habe ich einiges mitbekommen. Die Aufgaben werden wir zu Hause so gut es geht teilen. Vielleicht werde ich das Kind auch manchmal ins Ministerium mitnehmen, das lockert den Alltag vielleicht ein wenig auf.
Herr Blümel, Sie haben erklärt, dass Sie noch nie im Minus gewesen seien. Ist das so eine große Leistung, wenn man 17.827 Euro verdient?
Ich habe das ja nicht als Leistung definiert. Außerdem war das auch auf meine Studentenzeit gemünzt, wo ich mir mein Leben mit allerlei Jobs finanziert habe. Ich war Kellner, habe in einer Pressespiegelagentur gearbeitet, auch in einem Lager, wo ich Paletten verschoben habe. Was man halt so macht als Student.
Sind Sie jemand, der über Ihre Ausgaben Buch führt?
Nein, denn ich habe ein ganz gutes Zahlengefühl. Ich bin aufgewachsen mit drei jüngeren Geschwistern, mein Vater war alleinverdienender Pflichtschullehrer. Ohne die Hilfe der Großeltern wäre es sich finanziell nicht ausgegangen. Das heißt, ich bin so sozialisiert worden, dass man auf die persönlichen Ausgaben genau schaut.
Was ist das Teuerste, was Sie sich je gekauft haben?
Meinen MBA auf der Wirtschaftsuniversität, die Studiengebühren waren 25.000 Euro. Das habe ich mir angespart und dann investiert. Einen Kredit habe ich allerdings für die Wohnung aufgenommen, die ich mir vor ein paar Jahren gekauft habe.
Haben Sie privat schon einmal im Casino gespielt?
Ja. Ist lange her. Ich habe um 50 Euro gespielt mit dem Vorsatz: Wenn sie weg sind, dann sind sie weg. Ich bin nicht sehr verführbar, was solche Dinge betrifft.
Wenn unten auf der Johannesgasse ein Bettler sitzt, geben Sie ihm Geld?
Nicht immer, aber manchmal. Kommt darauf an, wann ich das letzte Mal etwas gegeben habe.
Sie sind äußerlich derselbe Typ wie Sebastian Kurz. Wird man sich mit den Jahren immer ähnlicher?
Wir kennen einander seit Anfang der Nuller-Jahre. Sind damals gleichzeitig in die Junge ÖVP eingetreten. Ob wir uns ähnlich sehen? Das ist eine reine Fremdbewertung. Ich selbst empfinde es nicht so.
Wo würden Sie bei einer Aufstellung mit ihm stehen?
Ich habe noch nie eine Familienaufstellung gemacht. Aber ich würde sagen: Als Freund an seiner Seite, also neben ihm, und politisch werde ich ihm immer den Rücken stärken. Denn er ist als Bundeskanzler und Parteiobmann der Chef.
Gernot Blümel: Die Tochter kommt im März
Geboren am 24. Oktober 1981 in Wien, aufgewachsen in Moosbrunn, NÖ. Studium der Philosophie in Wien und Dijon sowie der Wirtschaft an der Executive Academy der WU. Vizepräsident der Jungen Europäischen Volkspartei, Ministerratskoordinator im Kabinett von Vizekanzler Spindelegger. Ab 2013 Generalsekretär der ÖVP, seit 2015 Obmann der Wiener Volkspartei. 2018 wird er Minister für EU, Kunst, Kultur und Medien, 2020 Finanzminister. Privat lebt Gernot Blümel mit der Journalistin Clivia Treidl zusammen, die beiden erwarten im März ihr erstes Kind.
Conny Bischofberger, Kronen Zeitung
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