Susanne Wiesinger wurde als Ombudsfrau ins Bildungsministerium geholt. Ihre Erfahrungen hat sie zu Papier gebracht - ein erschütterndes Fazit, das nun viel Staub aufwirbelt. Wiesinger wurde nach ihren Enthüllungen vorzeitig freigestellt. Unterrichtsminister Heinz Faßmann (ÖVP) zeigte sich über Wiesingers Vorgehen „verwundert“ und „irritiert“.
Ein Buch sorgt vor seiner Veröffentlichung am Montag für Aufregung. Bis in höchste politische Kreise. Titel: „Machtkampf im Ministerium“. Autorin: Susanne Wiesinger, Ombudsfrau im Bildungsministerium. Engagiert von Minister Heinz Faßmann. Sie sollte nach ihrem ersten Aufreger-Buch „Kulturkampf im Klassenzimmer“ (siehe Cover unten) durch die Lande ziehen und die Lage des Schulsystems erörtern.
Eine Frau, die sich den Mund nicht verbieten lässt
Heraus kam die Bilanz einer Frau, die sich nicht den Mund verbieten lässt, wie sie sagt. Wiesinger, die auch als „Krone“-Kolumnistin tätig ist, weiß, mit dem Buch wird sie viele neue Feinde hinzugewinnen. Es ist ein Angriff aufs System: politische Vereinnahmung des Lehrkörpers, Message Control durch Beamte, Ignorieren brennender Probleme. Versuche, sie, Wiesinger, zu steuern. Vorgefertigte Antworten bei Interviews sollte sie abgeben, nur keine eigenen Gedanken formulieren. Diesbezüglich habe man ihr auf die Finger geschaut. Motto: Macht heißt Kontrolle. Wiesinger schreibt von realitätsfernen Beamten. „Ideologie und Bürokratie verhindern Reformen“, heißt es unter anderem.
Am schwierigsten sei es in Wien. „Dass die Roten mich boykottieren, hatte ich befürchtet. Aber nicht in dem Ausmaß“, sagt die Frau, die selbst eine „Rote“ ist. Was sie dennoch von Lehrern (unter vier Augen) erfahren hat: Leugnen der Zustände an vielen „Brennpunktschulen“ (nicht nur in Wien, überall wo es Ballungszentren gibt, betont die Pädagogin), aggressive Kinder, Sprachverlust, Perspektivlosigkeit werde quasi gezüchtet. Vielfach weigerten sich Schüler, vor allem muslimischer Herkunft, am Bildungsangebot teilzunehmen. „Deutsch hassen sie sowieso“, zitiert Wiesinger einen AHS-Lehrer.
Es ist die Rede von Mädchen, die das Wort Rock nicht schreiben, weil der Islam das Tragen von Röcken verbiete, die Turnunterricht verweigern, weil das Jungfernhäutchen platzen könnte. „So entstehen Parallelgesellschaften schon in der Schule“, sagt Wiesinger. Was kommt nach dem Ende im Ministerium? Oft sei man ihr mit Ablehnung begegnet. „Nur nicht mit der reden, die will nichts Gutes.“
„Es droht der Kollaps“
Fazit: „Es droht der Kollaps. In Klassenzimmern spielen sich bildungspolitische Katastrophen ab.“ Ihr Abschlussbericht ist fertig, soll demnächst veröffentlicht werden. Was passiert nun, nachdem sie aufgrund ihrer Enthüllungen entlassen wurde? Am liebsten würde sie dorthin zurückkehren, wo sie vor 30 Jahren begonnen hat. Ins Klassenzimmer. Ob sich nun etwas ändern wird? Wiesinger, die auch zehn Thesen für Besserung formuliert (etwa Strafen für unwillige Eltern und Geld für mehr Personal), ist vorsichtig-pessimistisch. „Aber es gibt eine neue Regierung. Man darf die Hoffnung nie aufgeben.“
Erich Vogl und Doris Vettermann, Kronen Zeitung
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