Auf der Website des Bildungsministeriums ist - wie von Ressortchef Heinz Faßmann angekündigt - am Montagnachmittag der noch ausständige Tätigkeitsbericht der Lehrerin Susanne Wiesinger veröffentlicht worden. Darin plädiert sie vor allem für einen offenen Dialog über das Schulsystem. Problemstellungen sollten „lösungsorientiert und nicht ideologisch“ behandelt werden. Wiesinger war zuvor als Ombudsfrau von Faßmann gefeuert worden, weil sie ein Buch über die Missstände im Schulsystem geschrieben hatte. Nach gegenseitigen Vorwürfen kam es am Montagvormittag zu einem bristanten Treffen (siehe Video oben), nach dem Faßmann erklärte, er sei von Wiesingers Vorgehensweise „irritiert“.
Der bundesweite Vergleich habe gezeigt, „dass die im Bericht dargestellten Themen bereits in allen Bundesländern angekommen sind, wenn auch nicht überall im selben Ausmaß“, schreibt Wiesinger in ihrem Tätigkeitsbericht. Die Tätigkeitsfelder von Pädagogen habe sich ebenfalls verändert. Oft müssten Lehrer gleichzeitig auch als Sozialarbeiter, Psychologen, Polizisten bzw. als Vater- oder Mutterersatz auftreten. Dieser „Imagewandel“ müsste laut der Bildungsexpertin von Unterstützungsmaßnahmen begleitet werden.
Unterschiedliche Schultypen dürften nicht zu eine Spaltung der Gesellschaft führen, warnt Wiesinger und betont auch gleichzeitig in ihrem Resümee, dass die fachliche Auseinandersetzung mit Integration bereits bei der Lehrerausbildung ausreichend vermittelt werden müssten. In der Praxis sei auch eine umfangreiche Vernetzung mit externen Akteuren (Jugendwohlfahrt und Religionsgemeinschaften usw.) notwendig, um „rasch die richtige Hilfe“ holen zu können. Ein „gemeinsamer Wertekanon“, der an den Schulen vermittelt wird, ist aus Wiesingers Sicht die Lösung, um eine „kulturelle Zerrissenheit“ zwischen dem Herkunftsland und Österreich bei Schülern mit Migrationshintergrund zu vermeiden.
Faßmann dankt für das Aufzeigen der Probleme
Faßmann erklärte nach der Beendigung der Zusammenarbeit mit Wiesinger am Montag, dass er die Beiträge Wiesingers, die er Anfang 2019 selbst als „Ombudsfrau für Wertefragen und Kulturkonflikte“ ins Ministerium geholt hatte, zum Aufzeigen von Problemen im österreichischen Schulsystem für wertvoll halte, und dankte ihr auch dafür.
Den abschließenden Tätigkeitsbericht Wiesingers als Ombudsfrau habe er bereits auf seinem Schreibtisch liegen gehabt. Da aber noch eine Zusammenfassung und „politische relevante Empfehlungen“ gefehlt hätten, habe sich dessen Publikation etwas verzögert. Faßmann noch vor der Veröffentlichung des Berichts: „Wir müssen vom Aufzeigen von Problemen auch ins Handeln kommen.“ Dieses „Handeln“ hätte er gerne mit Wiesinger umgesetzt, dazu werde es aber nun nicht mehr kommen, so der Ressortchef.
Wiesinger bleibt Landesbeamtin
Zu Wiesingers persönlicher Zukunft verwies Faßmann lediglich darauf, dass die Lehrerin nach wie vor formell Landesbeamtin in Wien sei: „Das ist sie auch weiterhin.“ Dienstrechtliche Konsequenzen werde es keine geben. Die Ombudsstelle will Faßmann jedenfalls weiterführen. Über eine künftige Besetzung gab er keine Auskunft.
Als Autorin bereits zum zweiten Mal für Aufsehen gesorgt
Mit dem Buch „Kulturkampf im Klassenzimmer“ hat Wiesinger im Herbst 2018 eine Debatte über Auswirkungen des konservativen Islam an Schulen losgetreten, im Februar 2019 wurde sie Ombudsfrau im Bildungsressort. Ihr neues Buch „Machtkampf im Ministerium“ sorgte für Verärgerung und ist ein Rundumschlag gegen die Bildungspolitik. „Die Parteilinie scheint wichtiger zu sein als wirkliche Hilfe für die Schüler“, so Wiesinger, mit der nun ein Rechtsstreit droht.
Türkische Kulturgemeinde übt Kritik an Wiesinger
Die Türkische Kulturgemeinde in Österreich (TKG) kritisierte Wiesinger und warf ihr vor, „als Ombudsfrau nicht geschlichtet, sondern polarisiert und provoziert“ zu haben. Sie habe als Ombudsfrau „mit keinem türkischen Verein in Österreich oder einer türkischen Zeitung (...) Kontakt aufgenommen oder gesucht“.
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