Knalleffekt in Brüssel: Österreich erteilt den Plänen des deutschen Finanzministers Olaf Scholz (SPD) für eine EU-weite Finanztransaktionssteuer eine Abfuhr und will die Zehner-Gruppe verlassen, die an der Steuer arbeitet. „Der aktuelle Finanzplan trifft die Falschen“, so Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP), der am Montagvormittag vor seinem ersten EU-Wirtschafts- und Finanzrat in Brüssel die Bombe platzen ließ. Österreich könne diesen Weg so nicht mitgehen.
„Die Idee der Finanztransaktionssteuer kam nach der Finanz- und Wirtschaftskrise auf, als man verantwortungsloses, hochspekulatives Verhalten besteuern wollte“, so Blümel. Es sei ursprünglich darum gegangen, „Anleger zu bestrafen, die auf abstürzende Kurse und Staatspleiten spekuliert haben, unethisches Spekulationsverhalten unattraktiv zu machen und die Realwirtschaft zu stützen“. Der jetzige Vorschlag „verkehrt die ursprüngliche Idee in ihr Gegenteil: Damit würden die Realwirtschaft und Kleinanleger bestraft und indirekt die Spekulanten belohnt.“
Zudem würden in den Plänen „99 Prozent aller Finanzgeschäfte“ nicht erfasst, kritisierte Blümel. Denn: Der Vorschlag aus Deutschland soll Geschäfte mit Aktien von Unternehmen mit mehr als einer Milliarde Euro Marktwert betreffen. Auf diese soll ein Steuersatz von 0,2 Prozent fällig werden, Geschäfte mit anderen Finanzprodukten würden nicht besteuert. Für Blümel sei das „nicht akzeptabel“.
Attraktivere Anlageformen als Ausweg aus Altersarmut
Besonders die kleinen und mittleren Anleger bei Unternehmen an der Börse würden damit bestraft, so Blümel, der dies in Hinblick auf die Altersvorsorge kritisch sieht. Die „liebste Anlageform“ sei in Österreich das Sparbuch, auf das es aber keine Zinsen gebe. Um gegen Altersarmut vorzusorgen, müsse man daher andere Anlageformen attraktiver machen, so der Minister.
„Wollen eine Finanztransaktionssteuer, die den Namen auch verdient“
Werde der aktuelle Vorschlag nicht so überarbeitet, „dass er wieder in Richtung der ursprünglichen Vorstellung von einer Finanztransaktionssteuer geht, Spekulanten bestraft und die Realwirtschaft fördert“, werde Österreich aus der Gruppe der Mitgliedsländer, die diese Finanzsteuer einführen will, aussteigen. „Das habe ich Olaf Scholz auch so mitgeteilt“, so Blümel. Österreich wolle „eine echte und wirksame europäische Finanztransaktionssteuer, die den Namen auch verdient“. Eine Frist nannt er nicht: „Es geht nicht draum, Ultimaten zu stellen.“
Schon einmal an den auseinanderklaffenden Vorstellungen gescheitert
Eine EU-weite Finanztransaktionssteuer war schon 2013 an weit auseinanderliegenden Vorstellungen über Tragweite und Modalitäten gescheitert. Zuletzt versuchten noch zehn EU-Länder, die Steuer über die sogenannte verstärkte Zusammenarbeit einzuführen.
Zu der Zehner-Gruppe, die noch an der Finanztransaktionssteuer arbeitet, gehören neben Deutschland und Österreich Belgien, Frankreich, Griechenland, Italien, Portugal, Slowakei, Slowenien und Spanien. Für die verstärkte Zusammenarbeit auf EU-Ebene sind mindestens neun Länder nötig. Würde bei einem Ausscheiden Österreichs noch ein weiterer Staat aussteigen, wäre das Vorhaben auf europäischer Ebene endgültig gescheitert.
Neues Regierungsprogramm „ist sehr gut angekommen“
Der jüngst angelobte Finanzminister hatte am Montag gemäß den Gepflogenheiten der Eurogruppe das neue österreichische Regierungsprogramm vorgestellt. Das Ziel, die Schulden- und Abgabenquote bei gleichzeitiger Investition in Nachhaltigkeit zu senken, sei „sehr gut angekommen“, berichtete Blümel.
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