Am Sonntag wäre der Mann, der die FPÖ groß machte, 70 Jahre alt geworden. Er starb im Oktober 2008, dennoch wirkt er bis heute nach. Er und sein Erbe sind höchst umstritten.
Turbulentes Österreich: Ibiza ist das gefühlt 10. Bundesland, es gibt parteipolitische Selbstzerfleischungen, staatsanwaltschaftliche Ermittlungen, Türkis tauschte Blau gegen Grün, selbst Grasser und Co. verkommen zu Randnotizen - alles undenkbar noch vor einem Jahr. Besonders im Fokus steht die FPÖ. Strache wird wohl gegen seine Ex-Kameraden mit eigener Liste zu Felde ziehen (die Wahlschlacht um Wien wird 2020 stattfinden).
Geistiger Ziehvater der Rechten
Beinahe untergeht dabei ein Gedenken an einen geistigen wie geistreichen Ziehvater der Rechten. Jörg Haider. Er wäre am Sonntag 70 Jahre geworden. Er war ein Mann, der die Republik und die EU aufregte wie kaum ein anderer Politiker. Ein umfassendes Erbe hat er hinterlassen. Nachahmer, Prozesse, Debatten. Doch was machte ihn so speziell? Und ist er wirklich ein Prototyp der Rechtspopulisten?
Authentisch, intelligent, doch widersprüchlich
Publizist und FPÖ-Ideologe Andreas Mölzer kannte den ehemaligen Kärntner Landesvater, der die FPÖ von einer Kleinpartei zu einer hochprozentigen Regierungspartei machte (das war 2000) sehr gut. „Rechtspopulismus ist Copyright Jörg Haider. Er war der Wegbereiter des Typus charismatischer Parteiführer.“
Rechtspopulismus ist Copyright Jörg Haider. Er war der Wegbereiter des Typus charismatischer Parteiführer.
Andreas Mölzer
Er sei seiner Zeit voraus gewesen, habe Stimmungen in der Bevölkerung orten können. Der ehemalige ÖVP-Klubobmann Andreas Khol, Mitkonstrukteur von Schwarz-Blau I unter Kanzler Schüssel (Österreich handelte sich deshalb Sanktionen ein), sagt: „Haider liebte die Menschen, die Menschen liebten ihn. Vor allem in Kärnten. Er hatte enorme soziale Kompetenz, hat jede Feuerwehrspritze eingeweiht.“ Er sei authentisch gewesen, hochintelligent. „Haider hat Dinge benannt, die heute brandaktuell sind. Etwa die Migrationsproblematik. Alle seine Forderungen sind heute umgesetzt.“
Der Vorwurf der Spaltung der Gesellschaft? Khol: „Das ist ein Kampfbegriff der Linken. Damit kann ich nichts anfangen.“ Politologe Anton Pelinka sieht Haider kritischer: „Er war der schillernde Vogel im Grau und Grau traditioneller Politik. Er war aber auch der Pausenclown, der um jeden Preis in die Schlagzeilen kommen wollte. Er war mehr Medien- als Machtmensch.“ Insofern stimmt FPÖ-Mann Mölzer zu. „Er war als Person illoyal. Überdies hat er auf die falschen Leute in seinem Umfeld gesetzt. Halbseidene Figuren, die eine Goldgräberstimmung für sich nutzten. Die Ergebnisse sieht man in der juristischen Aufarbeitung, die bis heute läuft.“ Haiders Vermächtnis beinhaltet auch die Milliardenpleite der Hypo. Wäre er nicht verstorben, würde er heute im Gefängnis sitzen? Mölzer ist skeptisch. „Man hat ihn posthum für alles Mögliche zum Sündenbock gemacht.“
Haider war der erste Politiker, der die Migrationsfrage als eine erkannte, die für die Zukunft relevant sein wird.
Andreas Khol
Sündenböcke für den Stimmenzuwachs
Fest steht: Der 11. Oktober, 2008, an dem Landeshauptmann Haider starb, erschütterte Österreich. Der Abgang eines Popstars der Politik, der er freilich war. Kurz nach seiner Wiederauferstehung als Bundespolitiker mit dem BZÖ verlor Haider die Kontrolle über seine Limousine und sein Leben.
Ein Mythos war geboren. Was hat er hinterlassen? Hat er Rassismus salonfähig gemacht? Tatsächlich spielte er schon lange vor Trump, Strache, AfD etc. mit entsprechenden Codes. Waren es zunächst antisemitische (Lob für die „ordentliche Beschäftigungspolitik im Dritten Reich“ oder SS-Veteranen), so setzte er später auf die Ausländer generell als Sündenböcke - ein diesbezügliches Volksbegehren sorgte für ein Lichtermeer am Heldenplatz und für noch mehr Aufsehen für Haider.
„Parteienlandschaft durcheinandergewirbelt“
Begleiterin Heide Schmidt trennte sich mit anderen von ihm, sie gründeten das Liberale Forum. Bei aller Aufregung, auch international, warnt Politologe Peter Pelinka davor, Haider zu überschätzen. Vor ihm sei schon Jean Marie Le Pen als „Rechtspopulist“ sehr erfolgreich gewesen, den Haider kopiert habe. „Er hat die Parteienlandschaft durcheinandergewirbelt und die FPÖ erfolgreich gemacht, die aber in der Regierung gescheitert ist: 2002, und dann, 2019, unter Haiders ungeliebtem Nachfolger Strache.“
Strache, da sind sich viele einig, versuche Haider zwar zu kopieren, doch habe er nicht das intellektuelle Niveau. Khol und Mölzer: „Haider wie Strache waren Männer der Tat. Und beide sind an sich selbst gescheitert.“
Erich Vogl, Kronen Zeitung
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