„Krone“ in Tel Aviv
Uri Geller: Boris Johnsons bester Mann
Der bekannteste Mentalist der Welt will den EU-Austritt von England abwickeln und hat sich bei Premierminister Boris Johnson beworben. Beim „Krone“-Besuch in Tel Aviv enthüllt der Löffelverbieger seine übersinnlichen Pläne und spannende Geheimdienstverbindungen.
Tunnelsysteme in Nordkorea durch übersinnliche Talente aufgespürt. Russland zur Unterzeichnung eines Nuklearvertrags beeinflusst. Mittels Gedankenkraft an militärischen Offensiven im Golfkrieg mitgewirkt. Pentagon und Mossad als Referenzen.
Der stichwortartig notierte Lebenslauf von Uri Geller liest sich wie ein abenteuerlicher Geheimdienst-Roman mit einem Schuss Science-Fiction dazu – und dennoch steckt wohl mehr als ein Fünkchen Wahrheit dahinter. Denn sowohl das Fachmagazin „Nature“ als auch die amerikanische CIA haben die Gehirnströme des Mentalisten bei wissenschaftlichen Tests im Labor genau unter die Lupe genommen. Schlussfolgerung der Spionage-Profis in Protokollen: Er habe seine paranormalen Wahrnehmungsfähigkeiten „in überzeugender Weise demonstriert“. Dann kann der mit Riesenschritten auf uns zukommende Brexit nach dem Megxit für den bekanntesten Löffelverbieger der Welt wohl nur ein Klacks sein.
Premierminister Boris Johnson hat sich in einer Stellenanzeige auf die Suche nach personeller Verstärkung für den EU-Austritt seines Landes begeben. Gewünscht waren explizit auch „Spinner und Außenseiter“. Geller fühlte sich ob seiner Fähigkeiten angesprochen und hat sich postalisch bei seinem „Jugendfreund“ in Erinnerung gerufen. Höflich schloss er den Brief mit den Worten: „Vielen Dank für die Berücksichtigung meiner Bewerbung.“ Dann folgte noch die Unterschrift.
Braucht der Poltergeist der englischen Politik tatsächlich Telepathie, um die anstehende Herkulesaufgabe zu bewältigen? Wird der Tausendsassa mit britisch-israelischer Doppelstaatsbürgerschaft und Wiener Wurzeln die Verhandler mit Energiewellen bombardieren – oder wie sehen seine Pläne aus? All das und einige Überraschungen mehr wird uns Uri Geller beim Lokalaugenschein in Tel Aviv selbst verraten.
Positive Energie soll Handlungsverträge beeinflussen
Vergangener Samstag, es ist jüdischer Sabbat, in der verwinkelten Altstadt von Jaffa im Herzen der israelischen Metropole. In Kopfsteinpflaster-Oasen gesetzte Orangenbäume stehen in voller Pracht. Von der Küste her weht eine salzig Brise, 18 Grad. In einer Falafel-Bar ziehen ein paar Jugendliche an Wasserpfeifen. Uri Geller trifft man nicht. Uri Geller erscheint. Sein Blick ist stechend, der Händedruck sanft. 73 Jahre soll er alt sein. Mit ein bisschen Fantasie könnte er fast als 37 durchgehen.
„In mir fließt ja österreichisches Blut“, scherzt er gleich zu Beginn und entführt die „Krone“ zunächst einmal zu einer improvisierten Mini-Vernissage in die Altmans Galerie. 400 Gemälde und Skulpturen hat der Illusionist bisher geschaffen. Eine Auswahl davon gibt es aktuell in der hiesigen Ausstellung zu bestaunen.
„Ich habe schon gezeichnet, lange bevor ich durch das Fernsehen bekannt wurde“, erzählt er und deutet auf ein Ölgemälde aus dem Jahr 1958, das er als Zwölfjähriger gemalt hat. Es zeigt einen griechischen Bauern unter Olivenhainen. In Zypern, wo er nach der Scheidung seiner Eltern mit seiner Mutter, die der Familie von Sigmund Freud entstammte und bitterarm war, aufgewachsen ist. In den Siebzigern lernte er über David Bowie das Genie Salvador Dalí kennen, das ihm den Weg zum Abstrakten geebnet habe. Dann geht das Namedropping so richtig los: Michael Jackson, Justin Timberlake, John Lennon. Mit allen drei sei er durch die Kunst verbunden.
Für den King of Pop, immerhin Gellers Trauzeuge, entwarf er das Booklet seines letzten Albums mit. Für Timberlakes Boyband *NSYNC hat er das Logo mitdesignt. Mit dem Ober-Beatle wiederum verband ihn eine enge Freundschaft. „Er hat mich am meisten inspiriert. John war, so wie ich, vom Leben auf anderen Planeten überzeugt. Ich besitze die einzige Bleistift-Zeichnung von ihm, die ein UFO zeigt.“ Apropos fliegende Untertasse: Jetzt kommt noch der orange Geller-Teller! „Der ist aus meiner Keramik-Sammlung. Alles ist von mir entworfen“, sagt er. Der ehemalige Harrods-Besitzer Mohamed Al-Fayed habe ihn auf die Idee einer Geschirr-Serie gebracht und ergänzt, als wäre es nicht ohnedies bekannt, „sein Sohn Dodi ist beim Autounfall mit Prinzessin Diana ums Leben gekommen“.
Ich war gegen den Brexit. Aber jetzt braucht man Chuzpe für den EU-Austritt. Ich bin der richtige Mann für diesen Job.
Uri Geller
Gänsehaut und somit raus aus der klimatisierten Ausstellungshalle und zurück ins mediterrane Sonnenlicht. Auf mittelalterlichem Sandstein geht es - Stiegen rauf, Stiegen runter - durchs Hafengrätzel, wo der biblischen Legende nach Jona Gottes Rat missachtete und zur Strafe von einem Wal verschluckt wurde. Uri muss sich noch schnell von seinem Sohn Daniel verabschieden, der als Staatsanwalt in London Karriere macht, und nebenbei die WhatsApp-Nachricht einer bekannten First Lady beantworten („bitte keine Namen nennen!“). Dazwischen verbiegt er für Fans aller Altersklassen mit Engelsgeduld Dutzende Löffel, Münzen und was er sonst noch in die Hände bekommt. Er zieht Einheimische und Touristen mit seinem Charisma an wie ein Magnet, signiert sich die Finger wund.
War immer alles so glitzernd und glänzend in seinem Showbusiness-Leben? Die Elvis-Villa, die er in Memphis gekauft hat. Die First-Class-Flüge. Millionen auf dem Konto. „In den Achtzigern“, blickt Geller zurück, „ist mir der Ruhm zu Kopf gestiegen. Ich begann mit meinem Aussehen zu hadern, bekam Bulimie.“ In dieser Krise habe ihm die Familie geholfen. Gemeinsam mit seiner Frau und den Kindern übersiedelte er für ein Jahr nach Japan, wo sie am Fuße des Fujis als Aussteiger lebten und „neue Spiritualität“ entdeckten. Schließlich das Comeback im Scheinwerferlicht – man muss ja schließlich von etwas leben. Im Zeitraffer geht es weiter: die lange Zeit in den USA, England. 2015 dann die Rückkehr in seine Geburtsstadt Tel Aviv, die einst, als er wegging, noch keine pulsierende Partystadt war, sondern Teil des britischen Mandatsgebiets Palästina.
Womit wir also wieder auf der Insel wären und dem großen Thema, dem er sich nun verschrieben hat. Immerhin haben die Gellers dort den größten Teil ihres Lebens verbracht. Die Feiern im Luxusanwesen in Berkshire, das dem Weißen Haus in Washington nachempfunden wurde und derzeit weitervermietet wird, waren legendär. Auch Theresa May könnte vorbeigeschaut haben, schließlich war es ihr Wahlbezirk. Wobei sie ja eher als Partyschreck galt.
Mit einem speziellen Schwur versuchte Uri Geller-Freud (so der vollständige Name in seinem britischen Pass) die frühere Tory-Chefin von ihren unglückseligen Brexit-Deals abzuhalten. Ob dies schließlich seinen Psycho-Tricks zu verdanken war oder doch ihrer eher kläglich gescheiterten Politik, wird wohl für immer ein Rätsel bleiben. Fakt ist, dass Boris Johnson mittlerweile in der Downing Street residiert („zum Glück wurde es nicht Corbyn, das musste ich verhindern!“) und der Austritt so fix ist wie das Amen im Gebet.
„Ich habe Boris im November 1998 kennengelernt“, erinnert sich Geller. „Er hat damals noch als Journalist für den „Daily Telegraph“ gearbeitet und mich daheim interviewt. Zum Schluss habe ich natürlich einen Löffel für ihn verbogen, und er war völlig verblüfft.“ Und was hat Redakteur Johnson für den Artikel noch so alles recherchiert? Zum Beispiel, dass der TV-Star einst in Mexiko Ölquellen entdeckt hat. Nur von der Villa war der Reporter vor Ort nicht ganz so begeistert. „Ein kitschiges Riesenhaus im Dallas-Stil“, kritisierte er leicht süffisant im längst archivierten Zeitungsbeitrag.
„Alte Liebe rostet nicht“
22 Jahre nach diesem ersten Aufeinandertreffen und ganz nach dem Motto „Alte Liebe rostet nicht“ will sich der Illusionist jetzt für den Blondschopf so richtig ins Zeug legen. „Für so ein Unterfangen braucht man Chuzpe – und die habe ich definitiv. Meine Erfahrung und die politischen Kontakte wären hilfreich, um einen sanften Brexit sicherzustellen. Zunächst braucht man aber gute Handelsverträge“, plaudert Geller aus dem Zauberkästchen. „Die Nation muss motiviert werden. Es geht ja um die Jugend im Land.“ Die Conclusio daher: „Ich bin der richtige Mann für diesen Job!“
Wie er die zukünftige Rolle Österreichs in Europa ohne Großbritannien sieht? „Positiv.“ Von einem Öxit könne keine Rede sein. Beim Ibiza-Thema will sich der sonst recht redselige Prognostiker dann aber auf keine Details einlassen. Nur so viel: „Es würde mich nicht wundern, wenn Geheimdienste dahinterstecken.“ Handys seien mittlerweile die idealen Abhörgeräte. „Aber irgendwann in nicht so ferner Zukunft werden wir ohnedies einen Chip im Hirn implantiert haben. Über den kann man das Internet steuern, dann braucht man auch keine Smartphones mehr.“ Die aktuell größten Gefahren aus seiner Sicht: der Klimawandel und mögliche Meteoriteneinschläge auf der Erde.
In mir fließt österreichisches Blut. Meine Mutter entstammte der Familie von Sigmund Freud in Wien.
Uri Geller
Die Frage aller Fragen zu guter Letzt: Wie funktioniert das jetzt wirklich mit den verbogenen Gegenständen im Fernsehstudio - und warum hat das bei vielen Menschen bei Mitmach-Aktionen daheim funktioniert und bei manchen überhaupt nicht? Unter der Palme eines Kaffeehauses in Jaffa holt Uri einen Löffel aus der Tasche, sagt einen Abrakadabra-Spruch auf und wie von Geisterhand fällt der vordere Teil herab. Ob er das Besteckstück vorher manipuliert hat? Die Möglichkeit hätte er zweifelsohne gehabt, da braucht man keine Forscher dazu.
Wie andere Mentalisten setzt er auch auf den Faktor Ablenkung. Aber irgendwie spielt es auch keine Rolle. „All die Skeptiker werden nie begreifen, dass sie es am Ende waren, die mich großgemacht haben. Sie haben einen Mythos um mich aufgebaut.“ Schlussendlich sei es nie seine Gedankenkraft gewesen, die Löffel in den Wohnzimmern der Zuseher verbog oder stillstehende Uhren wieder zum Ticken brachte, sondern immer die Energie der Menschen, die er lediglich entzünde.
Uri lassen die Diskussionen um ihn mittlerweile sowieso kalt. Ebenso die Tatsache, dass bis Redaktionsschluss dieser Ausgabe eine Antwort von Brexit-Boris auf die Bewerbung noch ausständig war. Er ist sich seiner ganz speziellen Ausstrahlung bewusst und fiebert jetzt einmal der Eröffnung des Geller-Museums im Mai entgegen. Dann nimmt er noch einen letzten Schluck vom Cappuccino und entschwindet. Man sieht sich – vielleicht in Downing Street Nummer 10.
Gregor Brandl, Kronen Zeitung
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