Die Sozialarbeiterin, die mittlerweile als Sachbearbeiterin beim Land Tirol beschäftigt ist, war im Mai 2009 zu einer bedingten Geldstrafe in Höhe von 1.200 Euro wegen fahrlässiger Körperverletzung durch Unterlassung verurteilt worden. Sie legte Berufung ein.
Ihr Anwalt meinte vor der Verhandlung gegenüber der "Krone", es habe hier "ein ganz kleiner Sündenbock den Kopf hinhalten müssen" (siehe ausführlicher Bericht in der Infobox). Der Richtersenat unter Vorsitz von Beatrix Kiechl sprach die Mitarbeitern der Jugendwohlfahrt Schwaz nun von jeder Schuld frei.
"Innerhalb ihres Ermessensspielraumes hatte die Sozialarbeiterin keine Möglichkeit, anders zu handeln", begründete die Vorsitzende den Freispruch. Zudem müsse man von dem Erkenntnisstand ausgehen, den die 49-Jährige damals zur Verfügung gehabt habe. Der Senat sei zu dem Schluss gekommen, dass die Sozialarbeiterin keine objektive Sorgfaltswidrigkeit gesetzt habe.
Ein Jahr Haft für leibliche Mutter
Die leibliche Mutter des kleinen Luca, der im November 2007 nach schweren sexuellen Misshandlungen mit 17 Monaten starb, muss jedoch für ein Jahr ins Gefängnis. Ihrer Berufung gab das Richtergremium nicht statt. Das erstinstanzliche Urteil gegen die mittlerweile 25-jährige Mutter lautete auf Quälen bzw. Vernachlässigen eines Unmündigen.
Das vom Erstgericht gefällte Urteil sei "nicht zu beanstanden", betonte Kiechl. Es hätte der Frau klar sein müssen, dass ihr Kind misshandelt werde. Daher hätte sie Sorge tragen und alles dafür tun müssen, dass der Bub keiner unmittelbaren Gefahr mehr ausgesetzt werde. Aufgrund ihrer Unterlassung habe sie die schweren Verletzungen zu verantworten. "Sie hätten ihr Kind nicht mehr alleine lassen dürfen", sagte die Richterin in Richtung der Angeklagten.
"Sie hätten die Misshandlungen erkennen müssen"
Der Verteidiger der Mutter, Albert Heiss, wehrte sich gegen den Vorwurf, seine Mandantin hätte erkennen müssen, dass ihr Lebensgefährte "eine Bombe" sei. "Selbst die Umgebung hat ihn als fleißigen, umgänglichen, religiösen Menschen geschildert und sie hätte innerhalb einiger Monate das wahre Wesen des Mannes erkennen sollen? Das war nicht möglich", sagte er.
"Rippen- und Armbrüche gehen an einem Kind nicht spurlos vorüber. Sie hätte sie bemerken und ärztlichen Rat aufsuchen müssen", meinte hingegen Oberstaatsanwalt Kurt Spitzer. Das Erstgericht habe die Frage der Erkennbarkeit der Verletzungen ausführlich und detailliert dargelegt. Es sei von der Mutter nicht verlangt worden, den Täter zu erkennen, sondern die Misshandlungen ihres Kindes.
Tirol soll "Gewaltschutzambulanz" bekommen
Mit Erleichterung hat Tirols Soziallandesrat Gerhard Reheis am Donnerstag in einer kurzfristig einberufenen Pressekonferenz auf den Freispruch der Sozialarbeiterin reagiert. "Mir fällt ein Stein vom Herzen", sagte Reheis kurz nach Bekanntwerden des Urteils. Die Mitarbeiter der Jugendwohlfahrt würden in einem äußerst schwierigen Umfeld mit hoher Sorgfalt arbeiten und unter schwierigsten Bedingungen professionelle Arbeit leisten, betonte er.
Gleichzeitig kündigte er an, dass man deshalb aber nicht zur Tagesordnung zurückkehren werde. Tirol soll eine sogenannte "Gewaltschutzambulanz" bekommen. Dort sollen gerichtsmedizinisch geschulte Fachärzte arbeiten, die schnell erkennen, wann tatsächlich Handlungsbedarf bestehe. Vorarbeiten und Gespräche zur Einrichtung eines solchen Zentrums seien bereits im Gang. Angesiedelt sein soll es beim Institut für Gerichtsmedizin.
"Rechtssicherheit für die Kollegen"
Silvia Rass-Schell, Leiterin der Abteilung Jugendwohlfahrt in Tirol, war ebenfalls erleichtert über den Freispruch. Diese Entscheidung schaffe Rechtssicherheit für die Kollegen. Auch sie sei nach dem Bekanntwerden des Falls völlig entsetzt gewesen, dass so etwas habe passieren können. Vom Gesetz her habe die Jugendwohlfahrt allerdings den klaren Auftrag, die Familie zu erhalten. Die nun freigesprochene Sozialarbeiterin ist mittlerweile als Sachbearbeiterin beim Land Tirol beschäftigt. Dass sie jetzt in ihren alten Beruf zurückkehren möchte, hielt Rass-Schell für unwahrscheinlich.
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