Die Ausbreitung des Coronavirus hält derzeit die Welt in Atem. Wie gefährlich ist das Virus wirklich? Kann man sich schützen und wenn ja, wie? Welche Vorsichtsmaßnahmen machen Sinn? Um diese Fragen zu beantworten, lud Moderatorin Katia Wagner Ex-Gesundheitsministerin Andreas Kdolsky, Christoph Steininger von der Medizinischen Universität Wien, Flughafen-Wien-Vorstandsdirektor Günther Ofner und Wei Wu, ehemaliger Student in Wuhan, ins „Krone“-Studio.
In Österreich waren bis jetzt sämtliche Verdachtsfälle negativ. Doch es dürfte nur eine Frage der Zeit sein, bis es auch hierzulande den ersten positiven Test gibt. Bei vielen Menschen sorgt die neuartige Lungenerkrankung, die bislang Hunderte Tote forderte, für große Sorge. Wu berichtet, dass man in der chinesischen Metropole Wuhan, wo das Virus vermutlich seinen Ursprung hatte, nicht einmal mehr ohne Gesichtsmaske in einen Supermarkt hineingelassen wird.
„Man kann natürlich immer auch übertreiben“, versucht die ehemalige ÖVP-Politikerin und Gesundheits- und Familienministerin Andrea Kdolsky zu beruhigen. Aber: „Natürlich sind Vorsichtsmaßnahmen in Grippezeiten immer gut.“ Die persönliche Hygiene sei da besonders wichtig: „Händewaschen ist ein Thema, bei dem Österreich noch immer ein wenig hinten nach hinkt.“
Kdolsky: „Man kann ruhig in die Ellenbeuge hineinniesen“
Die Hand beim Niesen oder Husten vor den Mund halten, sei nicht so günstig. „Es gibt eine Nies-Etikette, die in letzter Zeit entstanden ist. Man kann da ruhig in die Ellenbeuge hineinniesen“, erklärt die Medizinerin. Alternativ kann man natürlich auch eine Maske oder ein Taschentuch verwenden. Das sind Verhaltensweisen, die man immer beherzigen sollte - in diesen Zeiten denke man aber mehr darüber nach.
Wichtig sei auch, sich auch bei leichten grippalen Infekten nicht ins Büro zu schleppen und eine Grippeimpfung. Aufs Handgeben bei der Begrüßung gänzlich zu verzichten, kann Kdolsky aber nicht empfehlen. Ein gesunder Mensch sei nicht gefährdet, „zumindest nicht zum jetzigen Zeitpunkt“. Aber: „Bussi-Bussi sollte man in der Grippewelle hintanstellen“ - da sei bestimmt auch niemand böse.
Dass ihr Nachfolger Rudolf Anschober eine Meldepflicht eingeführt habe, sei ein wichtiger Schritt gewesen. Auch China sei mit der Situation gut umgegangen und habe „bis jetzt alles richtig gemacht“. Die Sperre der Stadt Wuhan, wo das Virus seinen Ausgang genommen hatte, sei notwendig gewesen. Ein Problem sieht sie in der Berichterstattung. „Es ist eine Gratwanderung zwischen qualifizierter Information und dem, was an Panikmache durch die sozialen Medien geht.
Virologe Steininger: „Krankenhäuser sind derzeit voll mit Grippe-Patienten“
Christoph Steininger, der als Facharzt für Virologie an der Medizinischen Universität Wien tätig ist, hat den Eindruck, dass die Perspektive derzeit sehr verzerrt ist. „Warum wird nicht diskutiert, dass die Grippe ein wesentlich relevanteres Thema hier ist?“, fragt sich der Mediziner. Atemschutzmasken seien relevant, wenn es um andere Virusinfektionen ginge. „Unsere Krankenhäuser sind derzeit voll mit Grippe-Patienten“, erklärt Steininger. Impfung sei hier noch immer das beste Mittel.
Zum Notstand, den die Weltgesundheitsbehörde ausgerufen hatte, meinte er, dies sei „letztlich als Instrument zu sehen, um noch besser die Maßnahmen zwischen den Ländern koordinieren zu können.“ Der Ausdruck sei aber irreführend, da alles so weit unter Kontrolle sei. Man wisse allerdings noch immer sehr wenig über das Virus. „Es ist schwer, vorherzusagen, wann der Gipfel erreicht ist“, so Steininger - das hänge auch davon ab, wie die Maßnahmen in China greifen. Es werde wohl keine Abschwächung in den nächsten Wochen geben, aber das Virus vermehre sich nicht explosionsartig, wie bei einer unkontrollierten Epidemie. „Man sieht, dass die Maßnahmen sehr wohl einen Effekt zeigen.“
Die Zahlen von Todesfällen oder Neuinfektionen müsse man in Relation sehen. Zwei Prozent aller Infizierten versterben - allerdings gebe es auch eine Dunkelziffer von nichtdiagnostizierten oder milden Verläufen. „Wenn man das in Betracht zieht, dann hat man automatisch schon eine viel geringere Sterblichkeitsrate“, so der Virologe. Panik sei nicht angebracht: „Auch, wenn man aus Wuhan mit typischen Symptomen zurückkommt, ist es viel wahrscheinlicher, dass man Grippe hat, als die Coronavirusinfektion“, so Steininger.
Ofner: Kontrolle der Fluggäste „liegt nicht in unserer Hand“
Günther Ofner, Vorstandsdirektor der Flughafen Wien AG, erklärte, dass der Airportbetrieb bzw. andere Reisende durch gezielte Abschirmung nicht betroffen gewesen seien, als die Wuhan-Heimkehrer vor wenigen Tagen in Schwechat landeten. Erste Einschränkungen durch das Coronavirus habe es allerdings schon beim Flugverkehr gegeben. „Austrian Airlines und Lufthansa haben schon vor zwei Wochen Flüge reduziert und schließlich ausgesetzt“, so Ofner. Desinfektion von Fluggästen oder der Einsatz von Wärmebildkameras, wie sie in anderen Ländern durchgeführt werden, gebe es am Flughafen Wien noch nicht. Allerdings wird ab Donnerstag bei Passagieren auf Direktflügen aus China respektive Peking die Temperatur gemessen. „Diese Entscheidung liegt nicht in unserer Hand - das ist eine Frage der Behörde“, so Ofner.
Der Vorstandsdirektor erinnert daran, dass es auch andere Verkehrsmittel gibt - es gebe keine Möglichkeit, alle Menschen, die aus Asien kommen, lückenlos zu screenen. Wenn man allerdings einen Sitznachbar im Flugzeug habe, der stark hustet, könne man persönlich aktiv werden: „Sie können mit dem Personal reden, ob sie einen anderen Platz bekommen“, so Ofner. Ob das glückt, hänge aber von der Fluglinie beziehungsweise der Auslastung der Maschine ab.
Ofner: „Man sollte gut überlegen, ob Reise nach China notwendig ist“
Dass eine Maschine auf dem Weg von Kanada nach Jamaika auf halber Strecke umkehren musste, weil ein Fluggast „scherzte“, er habe das Coronavirus, findet Ofner nicht übertrieben: „Das ist kein Scherz, das ist ein krimineller Akt.“ Der Betroffene werde bestimmt zu Schadenersatz herangezogen. „Das Flugpersonal kann das nicht beurteilen, wie ernst die Lage ist“, erklärt der Vorstandsdirektor, daher würde der Pilot immer auf Nummer sicher gehen. Generell abraten von Reisen nach China will Ofner nicht, aber: „Im Moment sollte man sich gut überlegen, ob die Reise wirklich notwendig ist.“ Wenn dies der Fall sei, solle man „ohne Angst fliegen, aber sich vorsichtig verhalten“.
Wu zu Lage in Wuhan: „Alles läuft organisiert ab“
Wei Wu, Direktor am Institut für Geotechnik der BOKU hat sechs Jahre in Wuhan studiert. Er hatte Kontakt zu Bewohnern der Metropole, die als Epizentrum des Virus‘ gilt. „Die Leute verhalten sich sehr ruhig, sie wissen: Die Gefahr in Wuhan ist real“, erklärt der gebürtige Chinese. Es seien immerhin schon Hunderte Menschen gestorben, deshalb würde man sich diszipliniert verhalten und „alles läuft organisiert ab“.
Die Elf-Millionen-Metropole gleicht nach der Abriegelung durch die Volksrepublik einer Geisterstadt. „Die Maßnahmen sind momentan gesehen richtig - man kann die Gefahren noch nicht so abschätzen“, weint Wu. Diese könne man erst in der Zukunft bewerten. Anfangs sei die Situation nicht so ernst genommen worden, „jetzt merkt man den Ernst der Lage“, so der Instituts-Direktor. Verglichen mit dem Umgang mit dem SARS-Virus sei „ein Fortschritt zu erkennen“. Obwohl die Sterberate des Coronavirus nicht so dramatisch ist wie bei der Infektionskrankheit, die Anfang der 2000er-Jahre für zahlreiche Todesopfer sorgte, würden die chinesischen Behörden korrekt handeln: „Vorsicht ist besser als Nachsicht.“
Dass alle Asiaten generell gerne Schutzmasken tragen würden, sei übrigens nicht korrekt. „In Japan und Südkorea trägt man die Gesichtsmaske gerne - in China weniger“, erklärt er. „Momentan ist es ja Pflicht - man kommt nicht einmal ohne in den Supermarkt“, so Wu. Das traditionelle Frühlingsfest, das derzeit ansteht, werde er trotzdem nicht ausfallen lassen und zitiert den Philosophen Friedrich Nietzsche: „Was uns nicht umbringt, macht uns noch stärker.“
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Katia Wagner diskutiert in der gleichnamigen Sendung jeden Mittwoch mit Gästen aus Politik und Society gesellschaftspolitische Themen, die Österreich bewegen.
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