Das Institut für Höhere Studien (IHS) hat die gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Folgen des Coronavirus untersucht. Grundsätzlich werde die Gefährdungslage für den Einzelnen in Österreich überschätzt, hieß es. Die Auswirkungen auf den Tourismus in Österreich seien überschaubar, wirtschaftlich sei vor allem China betroffen.
„Die Gefährdung für den Einzelnen in Österreich ist durch die Grippe momentan viel größer als durch das Coronavirus“, erläutert einer der Autoren, Gesundheitsökonom Thomas Czypionka. Er verweist auf die „Irrationalität“ im Umgang: Atemschutzmasken seien ausverkauft, obwohl die Infektion über die Hände erfolge. Um eine allfällige Ansteckung zu vermeiden, sei daher die Hände-Desinfektion wichtig. Die Gefährdung in Österreich durch Influenza (Grippe) sei derzeit jedenfalls viel bedeutender als jene durch das Coronavirus, SARS oder MERS zusammen: Bei all diesen Krankheiten habe es bisher keine Todesfälle in Österreich gegeben, auf das Konto der Influenza gingen hingegen mehrere Tausend Todesfälle in Österreich jährlich. An Masern seien 2018 im Vergleich dazu weltweit 142.000 Menschen gestorben.
Auswirkungen auf heimischen Tourismus gering
Trotz der steigenden Bedeutung des Tourismus aus China seien die Folgen für die heimische Tourismusbranche wohl überschaubar. Der Anteil chinesischer Touristen an den Nächtigungen in Österreich lag 2019 bei einem Prozent, insgesamt gab es 1,464.090 Nächtigungen von Chinesen hierzulande. Dem Ausfall chinesischer Touristen in Österreich infolge des Coronavirus stünden wiederum andere Touristen gegenüber, die in der jetzigen Situation auf Asien-Reisen verzichten und nun vermehrt in Europa bzw. in Österreich urlauben.
China leidet selbst am meisten
Die wirtschaftlichen Auswirkungen des Coronavirus treffen laut IHS in allererster Linie China. China sei heute wesentlich bedeutender und auch verwobener mit der Weltwirtschaft als zu Zeiten der SARS-Epidemie, seine Wirtschaft habe einen Anteil von fast 20 Prozent am weltweiten BIP. Die am stärksten betroffene Region Hubei mache aber nur 4,5 Prozent der Wirtschaftsleistung Chinas aus. Nach den chinesischen Neujahrs-Ferien werden erst die kommenden Wochen das Ausmaß der Folgen auf die chinesische Wirtschaft wirklich zeigen, so die IHS-Forscher. Betroffen seien personenbezogene Dienstleistungen und kurzfristiger Warenkonsum ebenso wie der Reiseverkehr und Tourismus. Die nächsten Wochen könnte die Industrieproduktion in China außerhalb der betroffenen Städte noch darunter leiden, dass insbesondere internationale Konzerne den Betrieb einschränken, um das Ansteckungsrisiko ihrer Belegschaft zu minimieren.
Neben China seien vor allem Japan und Singapur stärker betroffen, da hier die Verflechtung am größten sei und wirtschaftliche Aktivität immer auch unter Reisebeschränkungen leide, schreiben Thomas Czypionka, Miriam Reiss und Isabel Pham in dem am Mittwoch veröffentlichten Blog-Beitrag auf der IHS-Homepage.
Wirtschaftliche Folgen ähnlich wie bei SARS-Epidemie
Die konkreten wirtschaftlichen Folgen des Coronavirus seien in etwa mit den Folgen des SARS-Virus vergleichbar. Die SARS-Epidemie in den Jahren 2002/2003 habe einerseits zwar vermutlich eine höhere Dunkelziffer, weil das Virus bei den Erkrankten und Gestorbenen damals schwerer nachweisbar gewesen sei. Andererseits sei heute die Weltwirtschaft mit China weit verwobener als damals. Diese beiden Effekte würden sich gegenseitig aufheben, so die Annahme der IHS-Wissenschaftler.
Die IHS-Forscher haben den Effekt der SARS-Epidemie auf die heutigen BIP-Größen hochgerechnet, um die ökonomischen Folgen des Coronavirus abzubilden. Eine Studie ermittelte für China einen Rückgang des BIP infolge des SARS-Schocks um 1,05 Prozent. Umgelegt auf die heutige Wirtschaftsleistung von China käme das einem Einbruch um 128 Milliarden Euro gleich. Für umliegende Staaten wie Taiwan und Singapur ergab das Modell ebenfalls merkliche Effekte. Außerhalb Asiens waren die Auswirkungen des SARS-Ausbruchs jedoch deutlich geringer ausgeprägt. So wurde für die USA ein Effekt von 0,07 Prozent bzw. für den Rest der OECD (inkl. EU) ein Effekt von 0,05 Prozent geschätzt.
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