Wahlsieger ausgebremst

Thüringen: FDP-Kandidat neuer Ministerpräsident

Ausland
05.02.2020 14:58

Politisches Beben in Thüringen: Die Wahl zum Ministerpräsidenten des ostdeutschen Bundeslandes hat überraschend der FDP-Politiker Thomas Kemmerich für sich entschieden. Er setzte sich bei der Abstimmung am Mittwoch im Landtag in Erfurt im entscheidenden dritten Wahlgang auch mit Stimmen der CDU und der rechtspopulistischen AfD gegen den bisherigen Amtsinhaber Bodo Ramelow (Linke) durch.

Der von der AfD aufgestellte parteilose Kandidat Christoph Kindervater erhielt im dritten Wahlgang keine Stimme. Die Entscheidung zwischen Kemmerich und Ramelow fiel denkbar knapp aus. Auf den bisherigen Regierungschef entfielen 44 Stimmen, Kemmerich erhielt 45. Es gab eine Enthaltung. „Das ist das erste Mal in der Geschichte der Bundesrepublik, dass ein Ministerpräsident mit den Stimmen der AfD ins Amt gewählt wurde“, sagte der Erfurter Politikwissenschaftler Andre Brodocz.

Zweiter Ministerpräsident der FDP
Kemmerich ist erst der zweite Ministerpräsident der FDP in der Geschichte der Bundesrepublik. Der liberale Politiker Reinhold Maier war von 1945 bis 1952 Ministerpräsident von Württemberg-Baden und dann von April 1952 bis September 1953 Regierungschef des neuen Bundeslandes Baden-Württemberg.

(Bild: APA/AFP/Jens Schlueter)

Die Thüringer FDP hatten den Einzug ins Parlament bei der Wahl am 27. Oktober nur denkbar knapp geschafft und die Fünf-Prozent-Hürde um nur 73 Stimmen übersprungen. Im Landtag hat sie nur fünf von 90 Sitzen.

SPD und Grüne verloren deutlich
Ramelow war seit 2014 Regierungschef des Freistaats und der erste Ministerpräsident der Linken in Deutschland. Ramelows Linke hatte zwar mit 31 Prozent die Landtagswahl im Herbst klar gewonnen, doch seine Koalitionspartner SPD und Grünen verloren deutlich. Im Landtag hat Rot-Rot-Grün nur noch 42 von 90 Sitzen. Dennoch hatten die bisherigen Koalitionspartner am Dienstag einen neuen Regierungsvertrag unterschrieben.

Bodo Ramelow (Bild: APA/AFP/Jens Schlueter)
Bodo Ramelow

Christdemokraten und Liberale wollten Ramelow nicht wählen, hatten aber auch kategorisch ausgeschlossen, mit der AfD zusammenzuarbeiten. Gemeinsam kommen die drei Fraktionen auf 48 Sitze für Mitte-Rechts.

Aus Protest gegen die Wahl von Thomas Kemmerich (FDP) hat Linke-Landeschefin Susanne Hennig-Wellsow ihm einen Blumenstrauß vor die Füße geworfen. (Bild: (c) dpa-Zentralbild)
Aus Protest gegen die Wahl von Thomas Kemmerich (FDP) hat Linke-Landeschefin Susanne Hennig-Wellsow ihm einen Blumenstrauß vor die Füße geworfen.

Weil Ramelow keine Mehrheit hatte, hatte auch die AfD mit dem parteilosen Kindervater einen eigenen Kandidaten ins Rennen geschickt. Nachdem Ramelow in den beiden ersten Wahlgängen erwartungsgemäß die absolute Mehrheit verfehlt hatte, warf Kemmerich im dritten Wahlgang ebenfalls seinen Hut in den Ring.

Rechtsnationaler AfD-„Flügel“ in Thüringen beheimatet
Die AfD (Alternative für Deutschland) war 2013 von Eurokritikern gegründet worden. Sie ist seither stark nach rechts gerückt, viele prominente Mitglieder der ersten Stunde sind ausgetreten. Der Thüringer Fraktionschef Björn Höcke ist Wortführer des rechtsnationalen „Flügels“, der vom Verfassungsschutz als „Verdachtsfall“ im Bereich des Rechtsextremismus eingestuft wird. Im Bundestag hat die AfD noch 89 von ursprünglich 94 Abgeordneten.

Björn Höcke (AfD) (Bild: APA/AFP/Ronny Hartmann)
Björn Höcke (AfD)

Die CDU lehnt eine Koalition mit der AfD weiter ab. Kemmerich müsse deutlich machen, „dass es keine Koalition mit der AfD gibt“, sagte Thüringens CDU-Chef Mike Mohring. Er bestätigte, dass seine Fraktion im dritten Wahlgang Kemmerich unterstützt habe. Auf eine Mehrheit kam der FDP-Politiker in geheimer Wahl mutmaßlich aber nur dank der AfD, der zweitstärksten Fraktion. Darauf angesprochen, sagte Mohring: „Wir sind nicht verantwortlich für das Wahlverhalten anderer Parteien.“

AfD-Fraktionschef Höcke sagte, seine Partei sei angetreten, den bisherigen Ministerpräsidenten Ramelow in den Ruhestand zu schicken. „Deswegen haben wir die Wahl heute so getätigt wie wir sie getätigt haben“, sagte Höcke.

Bodo Ramelow (Mitte) und Susanne Hennig-Wellsow (rechts) (Bild: APA/AFP/Jens Schlueter)
Bodo Ramelow (Mitte) und Susanne Hennig-Wellsow (rechts)

„Missachtung des Wählerwillens“
Die Landes-SPD warf den Liberalen eine „Missachtung des Wählerwillens“ vor. Er sei „geschockt, dass die FDP sich hergibt, Spielchen mit der AfD zu machen“, sagte der bisherige Landesinnenminister Georg Maier (SPD). Die Wahl eines FDP-Ministerpräsidenten entspreche nicht dem Votum der Wähler.

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