Samstag Krisentreffen
Wahl-Eklat: Deutsche „Groko“ vor Zerreißprobe
Die Ministerpräsidenten-Wahl im Bundesland Thüringen hat ein politisches Beben in Deutschland verursacht (siehe Video oben). Nach der überraschenden Wahl des FDP-Kandidaten Thomas Kemmerich mit den Stimmen der AfD wurde der Druck so groß, dass Kemmerich bereits am Tag danach seinen Rücktritt erklärte. Welche Auswirkungen aber hat der Eklat auf die große Koalition in Berlin? Die Spitzen von Union und SPD im Bund wollen über Konsequenzen in einem Koalitionsausschuss beraten. Darauf habe man sich auf SPD-Initiative hin verständigt, sagte Parteichef Norbert Walter-Borjans am Donnerstag.
Bei der Ministerpräsidenten-Wahl hatte sich Kemmerich überraschend mit Stimmen von FDP, CDU und der AfD durchgesetzt. Das sorgte bundesweit für Empörung. Rufe nach Neuwahlen werden laut.
Merkel: „Mit Werten und Überzeugungen der CDU gebrochen“
Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte am Donnerstag während einer Südafrika-Reise gesagt: „Es war ein schlechter Tag für die Demokratie. Es war ein Tag, der mit den Werten und Überzeugungen der CDU gebrochen hat.“ Es müsse jetzt alles getan werden, damit deutlich werde, dass dies in keiner Weise mit dem in Übereinstimmung gebracht werden könne, was die CDU denke und tue, sagte sie in Pretoria.
Merkel wollte sich in Südafrika nicht zu der Frage äußern, ob die Vorgänge in Thüringen auch dazu führen könnten, dass die große Koalition in Berlin scheitert. Sie habe bereits Kontakt zu Vizekanzler Olaf Scholz (SPD) und den SPD-Vorsitzenden Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans gehabt.
Druck auf CDU-Chefin Kramp Karrenbauer
Die Kanzlerin sprang ihrer Nachfolgerin als CDU-Chefin, Annegret Kramp-Karrenbauer, bei. Lässt sie aber auch wissen: Nichts ist vorbei. Der Verteidigungsministerin und CDU-Chefin ist von Kritikern in den vergangenen Monaten oft vorgehalten worden, sie habe sich zu unentschlossen und zu unklar zur Lage in Thüringen und zur Situation der Parteifreunde um den dortigen Landesvorsitzenden Mike Mohring geäußert. Merkel jedenfalls ließ an Deutlichkeit nichts missen.
Am Freitag kommt das Präsidium der CDU in der Berliner Parteizentrale zusammen, um das weitere Vorgehen zu besprechen. Die CDU-Chefin demonstrierte Entschlossenheit, den Thüringer Wahlvorgang den direkt oder indirekt Beteiligten nicht ohne Weiteres durchgehen zu lassen. Dazu will sie sich wohl die Rückendeckung des Präsidiums einholen. Da sitzen aber auch Kritiker der Chefin.
Nutzt SPD Vorgänge zum Koalitionsbruch?
In der Union wird befürchtet, dass der Koalitionspartner SPD in Berlin die Vorgänge in Thüringen als Ausstiegsszenario aus der „GroKo“ nutzen könnte, wenn die CDU nicht schnell genug reagiert. Für die SPD hat sich die Sache mit den Schritten der FDP keineswegs erledigt. Der Dammbruch müsse behoben werden - „aber er kann nicht wieder gut gemacht werden“, sagte SPD-Chefin Saskia Esken der Deutschen Presse-Agentur. Und Walter-Borjans legte mit Blick auf den Koalitionsausschuss am Samstag nach: „Es muss klar sein, dass jetzt schnell gehandelt wird.“ Und - etwas beruhigend für die Union - fügt er hinzu: „Ich bin zuversichtlich, dass das dem Koalitionspartner klar ist.“
Wären Linke und AfD Nutznießer der derzeitigen Polit-Krise?
Denn offen ist, ob eine Neuwahl in Thüringen und ein Ausstieg aus der großen Koalition der SPD wirklich nutzen würde. In der CDU heißt es, bei einer Neuwahl dürften aus diesem missglückten Wahlmanöver von FDP und Christdemokraten vor allem die politischen Ränder gestärkt hervorgehen - Linke und AfD. Denn sowohl die Linkspartei und ihr bei der Wahl am Mittwoch gescheiterter Ministerpräsident Bodo Ramelow als auch die AfD können sich als Opfer des Manövers verkaufen. Erste Wirkungen könnten sich schon bei der Wahl am 23. Februar in Hamburg
zeigen.
Ob die CDU interne Konsequenzen zieht, blieb am Donnerstag unklar. Die Entscheidung Kemmerichs sei „richtig, aber selbst nach 24 Stunden schon längst überfällig“, sagte CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak in Berlin. Damit entstehe eine Chance, aus der schwierigen Situation herauzukommen und weiteren Schaden abzuwenden. „Alle demokratischen Kräfte“ seien gefordert, nach neuen Wegen zu suchen, wie dies entlang der eigenen Grundüberzeugungen gelingen könne.
CSU-Chef Markus Söder legte am Donnerstag ebenfalls noch einmal nach: „Es braucht eine rasche, eine schnelle und eine konsequente Korrektur dieses Missgeschicks von Thüringen und danach eine Festlegung, wie dauerhaft damit umzugehen ist. Denn so etwas darf sich nicht mehr wiederholen“, sagte der bayerische Regierungschef am Rande einer Landtagssitzung in München.
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