krone.tv-Reportage

Evakuierter: „Mehr Angst vor Spital als vor Virus“

Österreich
09.02.2020 19:10

Ein Virus hält die Welt in Atem: In China hat das neuartige 2019-nCoV bereits mehr als 800 Todesopfer gefordert, 37.500 Menschen sind infiziert. Österreich blieb bisher verschont. Die krone.tv-Reportage über eine Woche der Rückholaktionen, Vorsichtsmaßnahmen und politischen Anstrengungen, die tödliche Epidemie in Schach zu halten.

MedUni Wien, Virologie. Hier landen Proben der Verdachtsfälle aus allen Bundesländern, werden auf das Virus getestet. Bis jetzt waren alle negativ. Prof. Dr. Judith Aberle ist seit 25 Jahren Virologin, weil „es ständig etwas Neues gibt, neue Herausforderungen“. Das zeigt auch ihr Alltag, in dem es um weit mehr als das Coronavirus geht. „Im Moment testen wir jede einzelne Probe, sobald sie am Zentrum für Virologie eintrifft, damit die Verdachtsfälle möglichst schnell abgeklärt werden. Und natürlich wollen die Patienten das Testergebnis schnell bekommen.“ 

(Bild: Alexander Bischofberger-Mahr)
(Bild: Alexander Bischofberger-Mahr)
(Bild: Alexander Bischofberger-Mahr)

Bis jetzt waren es 62 negativ ausgefallene Tests. Über den ganzen Tag hinweg werden die verschiedensten Proben angeliefert. „Wir sind das nationale Referenzlabor für Influenza, aber auch für eine Reihe anderer wichtige Virusinfektionen des Menschen, dazu gehören HIV, Hantaviren, Hepatitisviren, Arboviren, das Masernvirus, Mumpsvirus und Rötelnvirus.“ Inzwischen gibt es in Niederösterreich den nächsten Verdachtsfall eines Mannes und sechs weitere Österreicher sind aus Wuhan ausgeflogen worden - die Tests laufen also weiter.

Prof. Dr. Judith Aberle (Bild: Alexander Bischofberger-Mahr)
Prof. Dr. Judith Aberle
(Bild: Alexander Bischofberger-Mahr)
(Bild: Alexander Bischofberger-Mahr)

Kein Besuch, Kontakt und Freigang - Essen wird geliefert
Österreichs erste Rückholaktion unterstützt vom Bundesheer ist am 2. Februar erfolgreich über die Bühne gegangen. An vorderster Front: der österreichische Konsul in Peking, Nikolai Herold zwölf Stunden ist er von Peking nach Wuhan gefahren, um die sechs Österreicher persönlich abzuholen und sicher zurückzubringen. Nun ist er selber in Quarantäne an einem geheim gehaltenen Ort.

(Bild: Alexander Bischofberger-Mahr)
Nikolai Herold in Wuhan (Bild: Nikolai Herold)
Nikolai Herold in Wuhan
Konsul Nikolai Herold, der sich freiwillig in das Krisengebiet begeben hat, um die Österreicher und ihre Angehörigen direkt vor Ort zu betreuen, landete mit den Heimkehrern sicher in Wien. (Bild: zVg)
Konsul Nikolai Herold, der sich freiwillig in das Krisengebiet begeben hat, um die Österreicher und ihre Angehörigen direkt vor Ort zu betreuen, landete mit den Heimkehrern sicher in Wien.
(Bild: Alexander Bischofberger-Mahr)

Interview mit Konsul Nikolai Herold über Skype
Alle haben drei mal drei Meter großes Zimmer, es gibt keinen Besuch, Kontakt mit den anderen Personen und kein Freigang - das Essen wird geliefert. krone.at erreicht ihn via Skype. Er erzählt, wie der Flug verlaufen ist: „Es gab keine Platzkarten, alle haben eine Nummer bekommen. Diese wurde auf ein fiktives Flugticket gedruckt, damit ist man dann zum medizinischen Personal und wurde untersucht.“ Nach mehreren Stunden war die Maschine fürs Boarding bereit: „Es gab eine freie Sitzplatzwahl, ich habe mir einen Gangplatz ergattert. Neben mir saß ein belgischer Student. Als ich später erfahren habe, dass in Belgien ein Test positiv ausgefallen ist, habe ich mir meinen Teil gedacht und ihm geschrieben. Er ist es nicht.“

Angst vor chinesischem Krankenhaus höher als Coronavirus
Mit ihm muss auch Robert Moser aus Dölsach in Osttirol noch bis kommenden Sonntag ausharren. Die Angst, sich mit dem Coronavirus infiziert zu haben, war für den Familienvater nicht so groß wie die Angst, dass er „irgendwo in China in ein Krankenhaus muss und ich mich dort mit ganz anderen Sachen anstecken könnte“. Mittlerweile haben alle sieben Österreich bereits drei Untersuchungen in der Form von Abstrichen, die als Proben zum Testen verschickt werden, hinter sich.

Robert Moser (Bild: Robert Moser, krone.at-Grafik)
Robert Moser
(Bild: Alexander Bischofberger-Mahr)

Zum Essen gibt es genug. „Es ist immer ausreichend zum Frühstücken, Mittagessen und Abendessen da. Wir müssen schauen, dass wir nicht zu viel Gewicht zulegen.“ Auf seiner Gymnastikmatte versucht der Osttiroler sich fit zu halten, nebenbei liest er viel und telefoniert mit seinen Liebsten.

(Bild: Alexander Bischofberger-Mahr)

Alle zwei Tage werden Abstriche gemacht
Beim österreichischen Konsul spielt die Angst nur am Rande mit: „Natürlich ist ein gewisser Angstaspekt dabei, aber im Endeffekt bin ich schon in der Obhut des Gesundheitsdienstes. Alle zwei Tage werden Abstriche gemacht. Ich hoffe, der bleibt auch weiterhin negativ.“ Denn er will bald zurück nach Peking, um seine diplomatische Arbeit fortzusetzen. Auch Robert Moser ist dankbar für sein Schicksal: „Danken möchte ich in dieser schwierigen Zeit, meine Familie zu Hause. Meine Frau hat mich psychisch unterstützt und mein Sohn mit seinen aufheiterten Worten - aber auch das Außenministerium, das Gesundheitsministerium, Innenministerium, das Bundesheer, Konsulat und viele Einzelpersonen, die im Hintergrund viel Arbeit leisten. Bei ihnen möchte ich mich ganz herzlich bedanken, dass wir überhaupt in Wien sind und die Quarantäne aussitzen können.“

Gesundheitsminister Rudolf Anschober (links im Bild), Michael Binder (Medizinischer Direktor des KAV) und der Wiener Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (rechts) im Rahmen einer Pressekonferenz zur Rückkehr der Österreicher aus dem chinesischen Coronavirus-Epidemiegebiet (Bild: APA/HERBERT PFARRHOFER)
Gesundheitsminister Rudolf Anschober (links im Bild), Michael Binder (Medizinischer Direktor des KAV) und der Wiener Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (rechts) im Rahmen einer Pressekonferenz zur Rückkehr der Österreicher aus dem chinesischen Coronavirus-Epidemiegebiet

„Schützen sie sich, protect yourself“
Am Flughafen ist die Angst vor einer Infizierung deutlich sichtbar. Händler verkaufen drei verschiedene Atemschutzmasken. Kostenpunkt: zwischen zehn und 20 Euro. Die Ware wird mit selbst gemachten Postern beworben: „Schützen Sie sich, protect yourself“, darunter eine Frau mit blauer Maske - auf dieser steht: „Corona“. Bei einer Pressekonferenz wird verkündet, dass neuerdings alle Flugpassagiere, die aus China ankommen, auf Fieber gecheckt werden.

(Bild: Alexander Bischofberger-Mahr)
(Bild: Alexander Bischofberger-Mahr)

Nicht nur Werbeposter handeln vom Coronavirus - auch Flugblätter
Flughafensprecher Peter Kleeman über die neuen Maßnahmen: „Die Stimmung am Wiener Flughafen ist beruhigt. Wir erhalten immer wieder Anfragen von Reisenden, die sich dafür interessieren, wie die aktuelle Situation am Flughafen ist, wie die Situation in China ist, ob man besondere Vorsichtsmaßnahmen treffen muss.“ Wien-Schwechat und die Behörden informieren Passagiere mit Flugblättern auf Deutsch, Englisch und Chinesisch. „Am Ende ist die Gesundheit und Sicherheit der Passagiere, Beschäftigten und der gesamten Bevölkerung an erster Stelle steht.“

Für Gesundheitsminister Rudolf Anschober ist volle Transparenz in so einer Situation das oberste Gebot. „Ich glaube, das schafft Sicherheit, beruhigt die Bürger in einem Sinn, dass die Gewissheit vorhanden ist, dass nichts versteckt wird. Dass alles auf den Tisch gelegt wird. Wir publizieren tagtäglich Daten und haben eine Hotline eingerichtet. Mit Ehrlichkeit eine Sicherheit schaffen und alle Vorkehrungsmaßnahme umsetzen - lieber eine zu viel als eine zu wenig“, so Anschober.

Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Bild: Alexander Bischofberger-Mahr)
Gesundheitsminister Rudolf Anschober
(Bild: Alexander Bischofberger-Mahr)

„WHO in China ist Garant, dass korrekt vorgegangen wird“
Ob er glaubt, das Coronavirus habe inoffiziell mehr Menschen das Leben gekostet, als kommuniziert wird? „Wir haben eine funktionierende Weltgesundheitsorganisation (WHO), die kontrolliert auch in China. Ich kann mich dafür verbürgen, dass die Zahlen, Daten und Fakten, die es in Europa gibt, hundertprozentig stimmen. Da haben wir 28 Erkrankungen und Gott sei Dank bis zum heutigen Tag keine einzige in Österreich. In China mag am Beginn eine gewisse Verzögerung beim notwendigen Krisenhandling stattgefunden haben. Das wird mittlerweile in China selbst diskutiert. Mein Eindruck ist, dass die WHO vor Ort der Garant dafür ist, dass korrekt vorgegangen wird.“

Hier geht‘s zur interaktiven Karte der Johns-Hopkins-Universität - diese erfasst alle Erkrankten weltweit. 

Auch bei der Air-China-Maschine CA841 aus Peking konnte Entwarnung gegeben werden. Die Atemschutzmasken werden am Flughafen Wien-Schwechat dennoch gekauft und getragen.

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