Giftanschläge, Folter

Die mysteriöse Flucht des Moldau-Milliardärs

Ausland
09.02.2020 15:53

„Krone“-Lokalaugenschein in Chișinău: Wie ein untergetauchter Oligarch das zerrissene Land zwischen Rumänien und der Ukraine beherrscht.

Medienmogul, Mafiapate, Milliardenräuber und Möchtegern-Ministerpräsident: Die Biografie des Oligarchen Vladimir Plahotniuc liest sich wie ein Thriller. Seine Karriere steht symptomatisch für Moldau nach Ende der Sowjetära. Doch warum ist er trotz seines Verschwindens im Sommer 2019 immer noch so dominant? Spurensuche in einem ungewöhnlichen Land, das die Schatten der Vergangenheit endlich abwerfen möchte.

Wohnsilos und Fahrzeuge aus der Sowjetzeit dominieren in Moldaus Hauptstadt Chișinău. (Bild: Gregor Brandl)
Wohnsilos und Fahrzeuge aus der Sowjetzeit dominieren in Moldaus Hauptstadt Chișinău.

Durchs Zentrum von Chisinău knattert ein rostiger Traktor. Auf einem Fahrrad kämpft eine Dame mit Kopftuch und Schürze gegen die Kälte. Häuschen mit mintgrünem Putz und Stroh auf dem Dach lösen sich mit Glaspalästen ab. Dazwischen wittert ein orthodoxes Marterl dahin. Wir treffen den ehemaligen moldauischen Botschafter in Wien, Andrei Popov. Mittlerweile leitet er das Strategieinstitut IPIS. Die brennendsten Probleme seien aktuell Armut und Migration. „Täglich reisen 150 Menschen aus - für immer“, sagt er. Dabei gebe es keine ethnischen Konflikte zwischen der rumänischsprechenden Bevölkerung und der russischen Minderheit. „Uns fehlt einfach Nationalbewusstsein.“

Botschafterin Christine Freilinger (Bild: Gregor Brandl)
Botschafterin Christine Freilinger
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Touristisch gibt es hier viel zu entdecken, wie zum Beispiel Nationalparks, Klöster oder auch den längsten Weinkeller der ganzen Welt.

Christine Freilinger, unsere Botschafterin in der Republik Moldau

Giftanschläge, Folter und Flucht mit dem Privatjet
Die regierungskritische Journalistin Natalia Morar bringt es auf den Punkt: „Plahotniuc nahm das Land in Geiselhaft.“ Doch auch heute noch säßen viele Vasallen an den Schalthebeln. Wie kam „Mr. P.“ an die Macht? Er wurde 1966 geboren, absolvierte ein Ingenieursstudium und gründete ein Öl-, Banken- und Medienimperium. 2016 übernahm er die PDM-Partei und baute sein kriminelles Netz mit Drogen, Geldwäsche und Korruption aus. Es gab Entführungen, Folter, Giftanschläge.

Nach der Abwahl setzte er sich im Juni im Privatjet ab. Da er über mehrere Identitäten verfügt, ist sein derzeitiger Aufenthaltsort unklar. Es gibt Hinweise, dass er inkognito in Miami lebt, oder in einem Chalet in der Schweiz. Fakt ist: Das Reisebudget Plahotniucs ist gedeckt. Das Phantom hat mutmaßlich eine Milliarde Euro (!) an Steuergeldern abgezweigt - und das aus dem Armenhaus des Kontinents.

Gregor Brandl, Kronen Zeitung

Expertise in Ex-Sowjetrepublik gefragt
Zukunftsperspektiven durch Infrastruktur und Unterstützung vor Ort in einer durch Armut und Abwanderung geprägten Ex-Sowjetrepublik: Seit 2004 ist Moldau ein Schwerpunktland der rot-weiß-roten Entwicklungshilfe. Die ADA (Agentur der Österreichischen Entwicklungszusammenarbeit) investiert jährlich drei Millionen Euro im Land. Aktuell fördert man 30 sorgfältig ausgewählte Projekte in den Bereichen Wasser, Umwelt, Klimawandel, Bildung, Regierung und Sicherheit. Zusätzlich setzt die ADA 8,2 Millionen € für die EU im Land um.

Ein gutes Beispiel ist das CEITI-Zentrum in Chişinău. Hier werden junge Leute im IT-Bereich ausgebildet, um für den Arbeitsmarkt fit zu werden und den Mangel an Fachkräften zu bekämpfen. In der Hochschule für Weinbau schwenkt der 18-jährige Daniel indes ein Achterl Rot unter der Nase und schildert blumig die Geschmacksnoten der lokalen Rebsorten. Hier werden Top-Winzer von morgen ausgebildet. Der Teenager will im Gegensatz zu vielen Gleichaltrigen in Moldau bleiben und hier Karriere machen, „als Sommelier in einem Spitzenlokal“, wie er versichert.

Eine erfolgreiche Wirtschaftspartnerschaft ist das Fachkräfte-Zentrum für Finanzwesen. Dort bietet die Grazer Wechselseitige Versicherung mit Partnern Kurse an. Auch in der problematischen Wasserversorgung und bei der Kanalisation ist heimische Expertise stets heiß begehrt.

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