Die Figur des Don Giovanni ist zeitlos, also passt sie auch ins Heute. Das hat sich wohl Regisseurin Elisabeth Stöppler gedacht und zeigt Mozarts Meisterwerk als modernes Gesellschaftsstück mit bitterem Unterton. Die Pluspunkte: ein erlesenes Sängerensemble und viel Dramatik von Andrea Sanguineti am Pult.
Der sonst so gewissen- wie rücksichtslose Verführer Don Giovanni verliert bei Elisabeth Stöppler jegliche Dämonie. Hier wirkt er eher wie ein Berufsjugendlicher, der sich den Konventionen nicht unterordnen will. Warum die Frauen reihenweise auf ihn hereinfallen, kann man nur schwer nachvollziehen. Dass er als Projektionsfläche für ihre Sehnsüchte in einer übersättigten Gesellschaft dient, funktioniert nur bedingt. Denn die genaue Zeichnung, die Stöppler allen anderen Figuren zukommen lässt, die Sympathie, die sie ihnen entgegenbringt, verweigert sie dem Titelhelden. So wie ihm Kostümbildnerin Su Sigmund ein vernünftiges Kostüm verweigert, wo doch alle anderen prächtig ausgestattet und einem stimmigen Farbkonzept unterworfen sind. Und selbst ein spektakuläres Ende gönnt sie dem Uneinsichtigen nicht. Selten war die Konfrontation mit dem steinernen Gast so uninspiriert. Alexey Birkus trotzt als Don Giovanni auch Stöpplers Konzept, indem er seine kraftvolle, kernige Stimme einsetzt. Und warum der gar nicht furchteinflößende Komtur (Dmitrii Lebamba durfte nur im Off singen) ein stummes Double (Rudi Widerhofer) braucht, ist eine der vielen Fragen, die dieser Abend offenlässt.
Starke, selbstbewusste Frauen
Spannender ist die Zeichnung der Frauenrollen. Katerina Tretyakova als Donna Anna ist kein Opfer des Verführers, sie wirft sich für den Unbekannten verführerisch in Pose und lebt das aus, was mit ihrem biederen Verlobten nicht möglich ist. Dazu singt sie in klaren, silbrigen Tönen. Auch die vom Untreuen verlassene Donna Elvira ist eine starke Frau - von Anna Brull so souverän gesungen wie gespielt. Und Zerlina (Eva-Maria Schmid) pendelt einwandfrei singend zwischen Unterwürfigkeit und Keckheit, lässt dabei spüren, dass ihr an ihrem Zukünftigen nicht viel liegt.
Einmal mehr beeindruckt der junge Bariton Neven Crnić, der als Leporello die Sympathien auf seiner Seite hat. Sowohl was das Singen betrifft als auch das Spielen, liefert er - neben Anna Brull - eine der besten Leistungen des Abends. Stimmlich begeistert auch Pavel Petrov als Don Ottavio, obwohl sein hinreißendes „Dalla sua pace“ durch die Video-Projektion der sich in Dessous rekelnden Donna Anna empfindlich gestört wird. Dariusz Perczak ist ein solider und mit seiner Maschin’ ziemlich cooler Masetto.
Dramatik aus dem Graben
Dirigent Andrea Sanguineti setzt im Graben vor allem zu Beginn auf viel Dramatik, schafft mit den Grazer Philharmonikern aber immer wieder auch feinsinnige Momente. Die zusätzlich noch eingefügten kleinen Melodien hätte es da überhaupt nicht gebraucht. Alle Termine und Karten findet man hier.
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