Mehr als 1000 Menschen haben sich am Mittwoch vor dem Wiener Sozialministerium versammelt, um ihre Forderungen nach einer 35-Stunden-Woche lautstark zu untermauern. Die Anwesenden zeigten sich aufgrund der aktuell stockenden KV-Verhandlungen streikbereit - notfalls bis zum Sommer.
Sprechchöre, Trillerpfeifen, Transparente - laut ging es am Mittwoch vor dem Sozialministerium zu. Zahlreich erschienen Beschäftigte aus 13 unterschiedlichen Organisationen im privaten Pflege- Gesundheits- und Sozialbereich, um ihren Forderungen Ausdruck zu verleihen.
„Wenn der Sozialbereich steht, steht das ganze Land!“
Der einhellige Tenor: Die 35-Stunden-Woche müsse dringend eingeführt werden, vor allem zur Burnout-Prävention und zur Gesundheitsförderung der Beschäftigten. Die Betriebsratsvorsitzenden, die zur Menge sprachen, zeigten sich kampfbereit, kündigten weitere Streiks an und zeigten hohe Bereitschaft, diese auch bis in den Sommer weiterzuführen. „Streiken würd ich liken“, stand auf einem Plakat, und genauso war die Stimmung. Der Warnstreik sei ein guter Anfang, sagte etwa Alexander Magnus, Betriebsratsvorsitzender der Sucht- und Drogenkoordination Wien, und forderte zum Durchhalten auf: „Wenn der Sozialbereich steht, steht das ganze Land!“
Für eine Einigung in der kommenden KV-Verhandlungsrunde am Montag gab sich Eva Scherz, Verhandlerin für die Gewerkschaft GPA-djp, optimistisch. „Wenn sich die Arbeitgeber einen Ruck geben“, sei eine Einigung möglich, kündigte sie an. Der mögliche Kompromiss, dass die 35-Stunden-Woche nicht auf einmal, sondern etappenweise eingeführt wird, nannte sie einen „gangbaren Weg“, über den man am Montag sicher sprechen werde.
„Guten Willens zu verhandeln“
Vida-Verhandlerin Michaela Guglberger bezeichnete das Angebot eines mehrjährigen Kombipakets von Sozialminister Anschober - dieser warf auch höchstpersönlich einen Blick auf die Versammlung, ehe er an seinen Arbeitsplatz zurückkehrte - als „nett“, leider sitze dieser aber nicht am Verhandlungstisch mit ihnen, sondern die Arbeitgeber, sagte sie. Für Montag sei sie „guten Willens zu verhandeln“, so Guglberger.
Sie betonte, dass der Sozialbereich zwar eine „besondere Branche“ sei, trotzdem brauche es eine Entlastung, da die Arbeit schwer und belastend sei: 70 Prozent der Beschäftigten arbeiten in Teilzeit, weil mehr einfach nicht zu schaffen sei.
Unterstützt wurde sie dabei von den Streikenden selbst. Die Arbeitszeitverkürzung sei schon lange notwendig, hieß es da mit breiter Zustimmung. Man leiste in der Branche emotionale Schwerstarbeit, es herrsche hoher Druck, die Ökonomisierung sei ein großes Problem, wurde berichtet.
„Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich macht Beruf attraktiver"
Rückendeckung bekamen die Gewerkschaften am Mittwoch auch von der Arbeiterkammer, die per Aussendung gute Gründe für die Einführung einer 35-Stunden-Woche in den Sozialberufen aufzeigte. „Eine Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich macht den Beruf attraktiver“, sagte AK-Präsidentin Renate Anderl.
Die Arbeitgeber warnten am Mittwoch trotz der hohen Streikbeteiligung von mehr als 250 Standorten erneut vor einem verschärften Personalmangel im Pflegebereich im Fall einer Arbeitszeitverkürzung auf 35 Stunden pro Woche. „Wir sind schon jetzt in der bedauerlichen Situation, dass wir dringend benötigte Pflegeplätze nicht anbieten können, weil uns qualifiziertes Personal fehlt“, beklagte Walter Marschitz, Verhandlungsführer der Sozialwirtschaft Österreich (SWÖ). „Wenn wir die Arbeitszeit verkürzen, verschärfen wir diese Situation sehenden Auges“, sagte er.
Der Ausgang der sechsten Verhandlungsrunde am kommenden Montag ist derzeit völlig offen.
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