Fünf Jahre nach seinem letzten Album meldet sich Justin Bieber am Valentinstag mit „Changes“ zurück. Ein Werk, auf dem er sich musikalisch auf seine Wurzeln zurückbesinnt und inhaltlich die vielen Reifeprozesse der letzten Jahre durchlebt und weitergibt. Die „Krone“ war Österreich-exklusiv bei der Listening-Sesseion im Londoner Tape-Club dabei und sah ihn dann auch noch im O2-Indigo akustisch live performen.
Da steht er, am DJ-Pult im Londoner Tape, einem angesagten Club direkt neben der Oxford Street. Während eine Heerschar von Journalisten das erste Mal in sein heute erscheinendes Album „Changes“ hineinhören darf, bewegt Justin Bieber die Lippen dazu synchron. Österreichexklusiv war die „Krone“ bei der begehrten Listening-Session dabei. Das Album wurde von der Konserve gespielt und Bieber durften keine Fragen gestellt werden. Der 25-Jährige wurde dafür extra eingeflogen und ließ während der 13 gespielten Tracks (von insgesamt 16 auf dem Album befindlichen) immer wieder in sein Seelenleben blicken. Kaum ein Album ist 2020 so herbeigesehnt wie das Comeback von Bieber, dessen letztes Werk „Purpose“ mittlerweile knappe fünf Jahre zurückliegt.
Zahlreiche Tiefschläge
Kurz vor ebenjenem landete Bieber im Knast, bespuckte seine Fans von Hotelbalkonen herab, erkor auf Tour in München einen Affen zum Freund und wurde immer wieder mit Rauschmitteln und überbordendem Alkoholkonsum erwischt. 2017 sagte er schließlich die „Purpose“-Tour ohne nähere Angabe von Gründen ab und tauchte musikalisch fast drei Jahre unter. Passiert ist dem einstigen Teenie-Megastar dazwischen so einiges. Die ewige On-/Off-Beziehung mit Selena Gomez hat er endgültig beendet, dafür im Herbst 2018 Hailey Baldwin geehelicht. In seiner derzeit parallel zum Album erscheinenden YouTube-Dokumentation spricht er auch über die mentalen Probleme der letzten Jahre und darüber, dass sein so oft kritisierter, ausgemergelter Körper nicht etwa vom Drogenmissbrauch entschlackte, sondern von der seltenen Lyme-Borreliose, die ihn zu einem ganz neuen Lebensstil zwang.
Im Tape-Club steht ein blondierter Schnauzbratträger mit charmantem Lächeln und einer unübersehbaren Ähnlichkeit zu Thomas Brezina, der sich über das hohe Interesse an seiner neuen Musik fast genauso freut, wie an der Musik selbst. „Ich habe lange an dem Album gearbeitet und in dieser Zeit hat sich wahnsinnig viel verändert“, sagt er durchs Mikrofon, bevor er mit dem Love-Song „All Around Me“ loslegt. „Changes“ nennt sich das fünfte Album, das schon im Titel alles erklärt. Es geht um Biebers Wandel vom Pubertierenden zum Erwachsenen, vom Liebestiger zum treuen Ehemann, vom Partykönig zum vernünftigen Familienmenschen, vom musikalischen Wildfang zurück zum an der Basis arbeitenden. Während die Beats und der Bass in den ersten Songs pumpen, ist er in den Zwischenansagen sehr nachdenklich.
Mit dem Schicksal leben
„In unser aller Leben ändert sich so viel. Vieles können wir kontrollieren, anderes aber nicht. Auf ,Changes‘ geht es mitunter darum, auf gewisse Dinge richtig zu reagieren und sich auch adaptieren zu können. Das Schicksal von Kobe Bryant hat mir wieder gezeigt, dass wir das Leben manchmal einfach bei den Eiern packen müssen, um es in vollen Zügen zu genießen. Sein Schicksal hat uns wieder deutlich klargemacht, dass unser Dasein sehr fragil ist.“ So melancholisch wie Biebers Ansichten ist zumindest die erste Albumhälfte nicht. Dort steigt „Biebs“ nämlich ordentlich aufs Gaspedal und besinnt sich auf seine Wurzeln, die klar im R&B-basierten Pop liegen. „Habitual“ fällt sehr smooth aus, „Come Around Me“ würzt am Ende Reggae-Parts in den Pop und lebt von Biebers grazil-hoher Stimme. Auf „Forever“ hört man Post Malone und Clever. Der Song hat Ohrwurmgarantie und ist ganz der ewigen Liebe zu seiner Frau Hailey verschrieben. Im Prinzip trägt diese Liebe das ganze Werk.
„Es dreht sich um unser Zusammensein, unsere schöne Zeit und die Liebe“, wird er nicht müde zu betonen. Bieber scheint tatsächlich angekommen zu sein. Er ist privat als auch musikalisch mit sich im Reinen, hat die Ungereimtheiten der Vergangenheit zumindest zurzeit ad acta gelegt. Der Großteil der Songs dreht sich um die Beziehung des Promipaares. „Take It Out On Me“ soll Hailey zeigen, dass was auch immer im Leben passiert, sie mit ihrem Justin rechnen kann. Das sanfte „Confirmation“ vermischt Beziehungsglück und Gottesfürchtigkeit und „That’s What Love Is“ kehrt gleich den ganzen Romantiker in ihm hervor. Nicht umsonst ist die zweite Albumhälfte balladesker und sanfter geraten, hier will Bieber nicht zuletzt auch die Vielseitigkeit seiner Kompositionskunst zeigen. Am besten klingt er aber immer noch, wenn er die Monsterproduktionen zurückschraubt und auf Akustik setzt - so wie etwa in „ETA“ und beim melancholischen Titelsong, indem Textzeilen wie „I want to be the best me / so I can be the best for you“ keine Zweideutigkeit über seine Veränderungsprozesse zulassen.
Hilfe von Gott
Der tiefe Glaube an Gott scheint Bieber auch in den strapaziösen letzten Jahren den nötigen Halt gegeben zu haben. Als er „Confirmation“ ankündigt, hebt er gar zu einer Brandrede an. „Das Vertrauen zu Gott ist wichtig. Es ist leicht über ihn zu schimpfen und ihn zu verurteilen - auch ich habe das gemacht. Wenn du ihm aber vertraust, dann wird am Ende alles gut. Leute, ihr müsst einfach immer nach vorne schauen. Man kann sich von der Vergangenheit ohnehin nicht trennen.“ Eine große Überraschung kommt dann noch ganz am Ende. „At Least For Now“ ist eindeutig Tracy Chapmans „Fast Car“ nachempfunden, einen von Biebers erklärten Lieblingssongs. Eine Granate wie „Love Yourself“ findet sich auf „Changes“ zwar nicht, doch die Mischung aus trendigen R&B-Tracks, sanften Balladen und Gastauftritten (Star-Rapper Travis Scott veredelt „Second Emotion“) garantiert auf jeden Fall hohe Chartplatzierungen.
Am Abend stellte sich Bieber mit gelber Pudelhaube noch ein paar Fragen und Antworten glücklicher „Beliebers“ im Indigo bei der Londoner O2. Freudentränen fließen nicht nur bei jenen, die als Fragesteller live zugeschaltet und von ihrem Idol herzlich begrüßt werden. Im intimen Rahmen spielt Bieber mit zwei versierten Gitarristen insgesamt fünf Songs - vermischt aus alt und neu - im sanften akustischen Rahmen. Eine Möglichkeit, die man als Die-Hard-Fan im Leben wohl nur einmal kriegt. So prompt die etwa 40 Minuten lange Veranstaltung auch vorbei ist, so zufrieden ziehen die vorwiegend jungen Frauen von dannen. Vielleicht wird auch ihnen noch auffallen, dass die großen Hits auf „Changes“ fehlen, aber ihr Justin ist zurück. Und am Ende des Frage/Antwort-Spiels gab er auch noch die zwei wichtigsten Meldungen. „Bis zum nächsten Album wird es garantiert noch so lange dauern“ und „wir sehen uns nächstes Jahr auf Tour wieder“. Was auch Hoffnungen auf eine Österreich-Show im Jahr 2021 macht…
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