„Ohne Pull-Faktor“
EU-Einigung auf neue Marinemission vor Libyen
Das Ringen um einen Kompromiss bei der Überwachung eines vor Wochen neuerlich beschlossenen Waffenembargos gegen Libyen dürfte erfolgreich beendet worden sein. Die bisherige EU-Mission „Sophia“ ist Geschichte, nun soll aber ehebaldigst eine „neue Marinemission“ im Mittelmeer gestartet werden, deren Ziel einzig und alleine darin bestehe, mögliche Waffentransporte auf dem Luft-, dem See- und dem Landweg ins Bürgerkriegsland aufzudecken. Die Sorgen mehrerer EU-Staaten wie Österreich und Ungarn, wonach neue Schiffe im Mittelmeer das Schleppergeschäft wieder ankurbeln könnten („Pull-Faktor“), wurden offenbar aus der Welt geschafft - denn die neue Mission sieht vor, dass die EU-Schiffe abseits der Hauptroute der Migrantenschiffe patrouillieren.
Österreich, Ungarn und die Slowakei hatten bis zuletzt Bedenken geäußert und mit Blockade gedroht, sollten wieder Schiffe im Mittelmeer eingesetzt werden wie während der EU-Mittelmeermission „Sophia“. Laut Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) wird „Sophia“ allerdings „beendet“. „Es gibt einen Grundkonsens, dass wir jetzt eine militärische Mission wollen und keine humanitäre Mission, und diese hat den Fokus Waffenembargo“, so Schallenberg. Der Fokus liege zum ersten Mal auf der Luftraumüberwachung, sagte der Minister nach einer „langen und schwierigen Debatte mit mehreren Unterbrechungen“. Die Mission sollte bald starten können, an dem Mandat werde nun intensiv gearbeitet.
Notbremse, sollte Mission von Schleppern missbraucht werden
„Maritime Elemente“ sollen nur außerhalb des bisherigen Operationsbereichs zum Einsatz kommen, „sprich im Osten Libyens und noch weiter östlich“, so Schallenberg. Als weiteren Punkt, auf den man sich geeinigt habe, nannte der Minister, dass die Kräfte wieder abgezogen werden sollen, sobald ein „Pull-Faktor“ festgestellt werde. Damit ist gemeint, dass der Einsatz von Schiffen beendet wird, sollte sich zeigen, dass Schlepper die verpflichtende Seenotrettung ausnutzen. Wo die Schwelle für den Missbrauch durch Schlepper liege, müsse erst von den Experten verhandelt werden. „Wenn Menschen in Not sind, muss ihnen geholfen werden“, räumte der Außenminister ein.
Kampf gegen Schlepperbanden gescheitert
Die „Sophia“-Mission war 2015 auf dem Höhepunkt der Flüchtlingskrise im Kampf gegen Schlepperbanden beschlossen worden. Ihre Schiffe retteten knapp 50.000 Flüchtlinge und brachten diese nach Italien. Da sich die EU-Staaten aber nicht auf eine Verteilung der Migranten einigen konnten, verweigerte Italien die weitere Einfahrt. Aus diesem Grund waren seit Anfang 2019 keine Schiffe mehr im Einsatz.
Österreich war wegen seiner Position von mehreren Seiten heftig kritisiert worden. Es gehe in Libyen „nicht nur um Migrationsfragen“, sondern „auch um die Sicherheit in Europa“, sagte der deutsche Außenminister Heiko Maas. Alle EU-Mitglieder müssten sich „bewusst sein, dass man Migrationsprobleme auch nur lösen kann, wenn Libyen kein Failed State (gescheiterter Staat, Anm.) bleibt“. Wichtig sei, „dass wir überwachen können, ob über Land, über Luft oder über Wasser das Embargo gebrochen wird“, sagte er. „Und dazu brauchen wir unbedingt einen Beitrag der Europäischen Union.“ Maas appellierte an Österreich, Fortschritte nicht wegen migrationspolitischer Bedenken zu blockieren.
Ins selbe Horn stieß sein luxemburgischer Kollege Jean Asselborn. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass die EU das Waffenembargo nicht überwacht, weil ihre Schiffe einige Hundert Menschen retten müssen“, meinte Asselborn. Wichtig sei die Mission auch, um festzustellen, welche ausländischen Staaten Truppen nach Libyen brächten, um die dortigen Konfliktparteien zu unterstützen.
Karas auf Distanz zum österreichischen Veto
Auch der ÖVP-Europaabgeordnete Othmar Karas sowie die grüne Delegationsleiterin im EU-Parlament, Monika Vana, gingen am Montag auf Distanz zum österreichischen Veto gegen die EU-Mittelmeermission. „Ich finde, dass man nicht den Kampf gegen Schlepper gegen die Rettung von Menschen ausspielen darf“, sagte Karas in Wien. Vana ortete in der Frage der Mission einen „großen Dissens mit dem Koalitionspartner“. Die Grünen stünden „selbstverständlich“ für die Weiterführung von „Sophia“, bekräftigte sie frühere Aussagen von Sozialminister Rudolf Anschober.
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