Spott und Häme
Neue Pässe der Briten kommen aus EU-Land Polen
Oh süße Ironie: Groß war die Freude vieler Briten darüber, demnächst wieder den klassischen Reisepass des Inselstaates ausgestellt zu bekommen. „Durch die Rückkehr zum legendären blau-goldenen Design wird der britische Pass wieder mit unserer nationalen Identität verschränkt sein“, jubelte neben Premier Boris Johnson auch die britische Innenministerin Priti Patel angesichts des Abschiedes von den EU-weiten bordeauxfarbenen Pässen. Doch wie nun öffentlich wurde, werden die brandneuen blauen Pässe ausgerechnet im EU-Land Polen hergestellt. Damit noch nicht genug, ging der millionenschwere Auftrag an ein französisch-niederländisches Unternehmen ...
Die britische Regierung hatte im Jahr 2017 entschieden, nach dem Brexit die Verweise auf die EU aus den Pässen zu streichen und wieder zum traditionellen Dunkelblau zurückzukehren, „um die nationale Identität wiederherzustellen“. Ab 1921 waren die britischen Pässe blau. Die Rückkehr zur alten Farbe war von den Brexit-Befürwortern als symbolische Rückgewinnung der Souveränität begrüßt worden und hatte zu heftigen Debatten mit den Austrittsgegnern geführt.
Besonders stolz auf „grüne“ Herstellung
Am Samstag verkündete dann Innenministerin Priti Patel, dass ab Anfang März wieder die blauen Pässe ausgestellt würden. Patel posierte, ebenso wie Premier Boris Johnson, voller Stolz mit einem der neuen alten Pässe Großbritanniens. Besonders hervorgestrichen wurde, dass der neue Pass durch den Einsatz innovativer Produktionstechnologien besonders „grün“ sein - bei seiner Herstellung werde der ökologische Fußabdruck auf null reduziert, hieß es. Details zur Produktion des Passes kehrte das britische Home Office aber wohl bewusst unter den Teppich.
Doch in einem am Samstag von der „Times“ veröffentlichten Bericht wurde schließlich enthüllt, dass die Pässe in einem Werk in Tczew (Dirschau) in Polen hergestellt werden - von einem französisch-niederländischen Unternehmen dank EU-Vergabevorschriften.
Britische Firma bekam millionenschweren Zuschlag nicht
Dies ergab sich dem Zeitungsbericht zufolge deshalb, weil das britische Unternehmen, das sich ebenfalls um den Vertrag mit einer Laufzeit von elf Jahren beworben hatte, den Zuschlag für den 260-Millionen-Pfund schweren Deal nicht bekommen hatte.
Die in Polen produzierten neuen Pässe werden jedenfalls ab Anfang März 2020 verteilt, aber die Ironie, dass sie ausgerechnet aus der Europäischen Union stammen, jener Staatengemeinschaft, die Großbritannien gerade freiwillig verlassen hat, ist vielen Briten natürlich nicht entgangen.
In den sozialen Netzwerken wurde fleißig über Johnson und seine „britischen Reisepässe“ gespottet. Tenor: Brexit - ein Geschenk, das immer „weiterschenkt“ ...
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