Forscher pessimistisch

Mediziner: „Nähern uns Definition einer Pandemie“

Wissenschaft
24.02.2020 18:38

Gleich eine Reihe britischer Mediziner zeigt sich äußerst skeptisch, ob die weltweite Ausbreitung des neuen Coronavirus SARS-CoV-2 noch gestoppt werden kann. „Es ist klar, dass nun alle Voraussetzungen für eine Pandemie (eine weltweite Verbreitung der Krankheit, Anm.) vorhanden sind“, erklärte Bharat Pankhania von der Universität Exeter. „Es ist besser, ehrlich zu sein und es zu sagen“, wurde der Experte am Montag in der britischen Zeitung „The Telegraph“ zitiert. Wenig später rief auch die WHO die internationale Gemeinschaft auf, sich auf eine „mögliche Pandemie“ vorzubereiten.

Vor allem die plötzliche Zunahme der Infektionsfälle im Iran, in Italien und Südkorea sei „zutiefst besorgniserregend“, sagte der Chef der Weltgesundheitsorganisation WHO, Tedros Adhanom Ghebreyesus am Montag in Genf. Trotz der wachsenden Sorge vor dem Virus planen die 26 Staaten des Schengenraums nach Angaben der EU keine Wiedereinführung systematischer Grenzkontrollen. Die Grenzen zu Italien blieben zunächst weiter offen. Fiebermessungen auf den österreichischen Flughäfen wie für Passagiere, die mit Direktflügen aus China kommen, wird es vorläufig nicht für Fluggäste aus Italien geben, bekräftigte Anschober auf Nachfrage.

„Zeitfenster schließt sich nun sehr schnell“
Im „Telegraph“ zu Wort kam auch Devi Sridhar von der Universität Edinburgh, die zur weltweiten öffentlichen Gesundheit forscht. „Das Zeitfenster für die Eindämmung des Ausbruchs schließt sich nun sehr schnell“, meinte sie.

Elektronenmikroskopische Aufnahme des Erregers SARS-CoV-2 (Bild: NIAID)
Elektronenmikroskopische Aufnahme des Erregers SARS-CoV-2

Nathalie MacDermott, Expertin für Infektionskrankheiten am renommierten King‘s College in London, nannte vor allem die Situation in Italien, Südkorea und Iran „sehr besorgniserregend“. Dort sei nicht klar, bei wem sich die Menschen infiziert hätten. Dies weise darauf hin, dass sich die Betroffenen bei Personen angesteckt hätten, die keine oder kaum Symptome zeigten und nichts von ihrer eigenen Infektion wüssten. Somit könne sich der Erreger schnell ausbreiten, bevor die ersten Fälle überhaupt nachgewiesen werden.

„Nähern uns der Definition einer Pandemie“
Schon vor knapp zwei Wochen hatte der Direktor des Instituts für Virologie an der Charité in Berlin, Christian Drosten, die Befürchtung geäußert, er halte es für möglich, dass sich der Ausbruch des neuen Coronavirus nicht mehr eindämmen lasse und die Lungenkrankheit Covid-19 zu einer Pandemie werden könnte. „Wir nähern uns der Definition einer Pandemie“, sagte er bei einer gemeinsamen Vorlesung der Charité und der London School of Hygiene and Tropical Medicine im Berliner Naturkundemuseum. „Darauf müssen wir uns einstellen“, so der anerkannte Experte für Coronaviren.

Christian Drosten ist Experte für Coronaviren. (Bild: Associated Press)
Christian Drosten ist Experte für Coronaviren.

Virus könnte 60% aller Menschen infizieren
Auch Professor Gabriel Leung, Hongkongs führender Epidemiologe und weltweit anerkannter Experte, hatte vor zwei Wochen eindringlich vor einer weiteren Ausbreitung des Erregers SARS-CoV-2 gewarnt. Er befürchtet, dass sich bis zu 60 Prozent der Weltbevölkerung mit dem gefährlichen Virus infizieren könnten, wenn es nicht gelinge, es unter Kontrolle zu bringen.

Die Bemühungen, die Erkrankungen auf China und einzelne Länder zu beschränken, seien gescheitert, eine Pandemie wohl nicht mehr zu verhindern, sagt auch der Epidemiologe Marc Lipsitch vom Center for Communicable Disease Dynamics (CCDD) an der Harvard University. Jetzt sei nur noch die Frage, welche Gegenmaßnahmen zu treffen seien. Ähnlich wie Leung glaubt auch er, dass sich bei einer Pandemie 40 bis 70 Prozent der Weltbevölkerung mit dem Erreger SARS-CoV-2 anstecken könnten.

Elektronenmikroskopische Aufnahme des Coronavirus SARS-CoV-2 (rot) (Bild: NIAID-RML)
Elektronenmikroskopische Aufnahme des Coronavirus SARS-CoV-2 (rot)

China hat Hunderttausende Infektionen verhindert
Nach Ansicht der Weltgesundheitsorganisation WHO hat China durch sein rigides Vorgehen im Kampf gegen den Erreger womöglich Hunderttausende vor einer Ansteckung bewahrt. Die Zahl der Neuinfektionen gehe inzwischen zurück, sagte der Leiter einer WHO-Delegation, Bruce Aylward, nach der Auswertung verschiedener Datenquellen.

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