Verbot gelockert
Deutsches Höchstgericht öffnet Tür für Sterbehilfe
Ein wegweisendes Urteil hat das deutsche Verfassungsgericht in Karlsruhe gefällt: Das Verbot geschäftsmäßiger Sterbehilfe wurde für verfassungswidrig erklärt und aufgehoben. Das könnte in Deutschland - ähnlich wie in der Schweiz - die Tür für Sterbehilfevereine öffnen, die Suizidwilligen tödliche Mittel zur Verfügung stellen.
Der Strafrechtsparagraf 217, der erst 2015 eingeführt worden war und der die „geschäftsmäßige Förderung der Selbsttötung“ unter Strafe stellt, ist damit nichtig. Die Verfassungsrichter begründeten dies damit, dass das allgemeine Persönlichkeitsrecht auch ein „Recht auf selbstbestimmtes Sterben“ umfasse. „Diese Recht schließt die Freiheit ein, sich das Leben zu nehmen“, sagte Gerichtspräsident Andreas Voßkuhle.
„Tötung auf Verlangen“ nach wie vor strafbar
Mehrere schwer kranke Menschen, Sterbehelfer und Ärzte hatten gegen das Verbot geklagt. Dabei handelte es sich aber nicht um aktive Sterbehilfe, die nach wie vor als „Tötung auf Verlangen“ geahndet werden kann. In diesem Fall drohen bis zu fünf Jahre Haft.
Vielmehr geht es um eine besondere Form, nämlich der „gewerbsmäßigen“ Beihilfe zum Selbstmord. „Gewerbsmäßig“ ist deswegen wichtig, weil schon bisher die Beihilfe durch Angehörige, die einem schwer kranken Patienten ein tödliches Medikament geben, das der Kranke selbst einnimmt, erlaubt war.
Höchstrichter gestatten dem Gesetzgeber Regulierungsspielraum
Die acht Verfassungsrichterinnen und -richter geben dem Gesetzgeber aber Spielraum. Diesem sei nicht untersagt, Suizidhilfe zu regulieren. Der Staat habe auch dafür Sorge zu tragen, dass die Autonomie des Einzelnen geschützt und nicht durch Dritte gefährdet wird. Der Gesetzgeber dürfe deshalb Entwicklungen entgegensteuern, die den sozialen Druck fördern, sich etwa unter Nützlichkeitserwägungen das Leben zu nehmen.
Auch die Einschätzung des Gesetzgebers, dass sich die assistierte Selbsttötung zu einer normalen Form der Lebensbeendigung insbesondere für alte und kranke Menschen etablieren könne, sei nachvollziehbar. Hierzu dürfe der Gesetzgeber Aufklärungs- und Wartepflichten festlegen. Er könne auch die Suizidhilfe unter Erlaubnisvorbehalt stellen, um die Zuverlässigkeit von Suizidhilfeangeboten zu sichern.
Deutsches Urteil weckt Hoffnungen in Österreich
Die österreichische Gesellschaft für ein Humanes Lebensende (ÖGHL) begrüßt das Urteil und hofft nun auf ebenfalls auf eine Liberalisierung. Dem Verfassungsgerichtshof liegt nämlich seit Mai 2019 ein Antrag der Gesellschaft vor, mit dem versucht wird das noch strengere Verbot als in Deutschland zu kippen. Die Höchstrichter werden sich frühestens im Juni mit der Materie beschäftigen, hieß es am Mittwoch.
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