Gesundheitsminister:

„Beginn einer Coronavirus-Epidemie in Deutschland“

Ausland
27.02.2020 07:33

Das neuartige Coronavirus breitet sich weiter ungebremst aus. Zuletzt gab es mehr Neuerkrankungen außerhalb als innerhalb Chinas. Angesichts dieser Dynamik hinterfragte der deutsche Gesundheitsminister Jens Spahn am Mittwoch die bisherige Strategie zum Eingrenzen des Erregers Sars-CoV-2 und zeigte sich besorgt: „Wir befinden uns am Beginn einer Corona-Epidemie in Deutschland.“

In Deutschland waren seit Dienstag zehn neue Infektionen bekannt geworden. Ein Patient im Bundesland Nordrhein-Westfalen wurde in der Nacht auf Mittwoch in kritischem Zustand auf die Intensivstation der Uniklinik Düsseldorf gebracht. Der 47-Jährige war am Montag mit Symptomen einer schweren Lungenentzündung in einem Krankenhaus in Erkelenz bei Aachen auf der Intensivstation isoliert worden. Nach dpa-Informationen leidet er an einer Vorerkrankung. Die Uniklinik Düsseldorf behandelte auch seine 46-jährige Frau. Am Mittwochabend wurde bekannt, dass eine Mitarbeiterin des Mannes und deren Lebensgefährte ebenfalls infiziert sind.

(Bild: AP)

Kindergärtnerin, Reisebegleiterin und Arzt infiziert
Das Ehepaar habe in den vergangenen Tagen mit sehr vielen Menschen Kontakt gehabt, sagte Landes-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann. Die Frau hat demnach als Kindergärtnerin noch bis Freitag gearbeitet. Die zwei Kinder des Paares zeigten bisher keine Symptome, sagte Laumann. Ein Test solle klären, ob sie infiziert seien. Auch die Kinder in dem Kindergarten, wo die Frau arbeitet, sollten getestet werden. Unklar ist, wo sich das Ehepaar infiziert hat.

Elektronenmikroskopische Aufnahme des Erregers SARS-CoV-2 (Bild: NIAID)
Elektronenmikroskopische Aufnahme des Erregers SARS-CoV-2

Unter den Patienten aus Baden-Württemberg war nach Angaben des Gesundheitsministeriums ein 25-Jähriger. Er habe sich vermutlich bei einer Reise nach Mailand mit Sars-CoV-2 infiziert und nach seiner Rückkehr grippeähnliche Symptome entwickelt. Er wird in einer Klinik in Göppingen behandelt. Bei den anderen Fällen handelt es sich nach Angaben der Uniklinik Tübingen um seine 24 Jahre alte Reisebegleiterin und deren 60-jährigen Vater. Dieser arbeitet als Oberarzt in der Pathologie der Uniklinik. Beide werden im Krankenhaus isoliert behandelt.

Bundeswehrsoldat ebenfalls erkrankt
Zudem wurde das Virus bei einem 32-Jährigen nachgewiesen, wie das Gesundheitsministerium in Stuttgart mitteilte. Er war kürzlich in Italien gewesen. In Rheinland-Pfalz wurde das Virus Sars-CoV-2, das die Lungenkrankheit Covid-19 auslösen kann, bei einem Soldaten nachgewiesen. Er werde im Bundeswehrzentralkrankenhaus in Koblenz behandelt, teilte die Bundeswehr mit.

(Bild: AFP)

Die meisten Infizierten Europas gibt es derzeit in Italien. Insgesamt überschritt die Zahl der Erkrankten in ganz Italien am Mittwochabend die Marke von 400. Zwölf Menschen starben dort an der neuen Lungenkrankheit, die zuerst in China aufgetaucht war. Der größte italienische Herd des Ausbruchs der neuen Lungenkrankheit liegt in der Lombardei.

Die Ärzte in den Krankenhäusern von Wuhan arbeiteten rund um die Uhr. (Bild: AFP)
Die Ärzte in den Krankenhäusern von Wuhan arbeiteten rund um die Uhr.

Regionalpräsident der Lombarei in Quarantäne
Regionalpräsident Attilio Fontana hat vor Kurzem angekündigt, sich ebenfalls in Quarantäne zu begeben. Zwar zeige der Lega-Politiker keine Covid-19-Symptome, doch habe er eng mit einer infizierten Person zusammengearbeitet, begründete der 67-Jährige am Mittwochabend auf Facebook seinen Schritt. Viele Italiener haben den Politiker der rechten Lega in den vergangenen Tagen oft im Fernsehen gesehen, weil er dort über die gesundheitliche Notlage und die Infektionszahlen in der Lombardei berichtet hatte.

Regionalpräsident Attilio Fontana (links) während einer Pressekonferenz mit seinem Gesundheitslandesrat Giulio Gallera (Bild: AP)
Regionalpräsident Attilio Fontana (links) während einer Pressekonferenz mit seinem Gesundheitslandesrat Giulio Gallera

Die Epidemie beeinträchtigt auch zunehmend die Wirtschaft. Die weltgrößte Tourismusmesse ITB in Berlin verschärft wegen der Ausbreitung des Virus auf Anweisung der Gesundheitsbehörden die Vorgaben. Aussteller, die innerhalb der vergangenen 14 Tage in den jeweiligen Risikogebieten in China, im Iran, in Italien oder Südkorea waren, Kontakt zu einer infizierten Person hatten oder Anzeichen typischer Symptome wie Fieber, Husten oder Atembeschwerden haben, erhalten keinen Zutritt zum Messegelände, wie die Betreiber mitteilten.

Die EU-Kommission rechnet mit negativen Folgen des Coronavirus: „Wir werden Auswirkungen haben“, sagte Wirtschaftskommissar Paolo Gentiloni. Für eine seriöse Vorhersage sei es aber noch zu früh. Der Lufthansa-Konzern startete ein Programm zur Kostensenkung. Geplante Neueinstellungen werden derzeit überprüft, ausgesetzt oder auf einen späteren Zeitpunkt verschoben, wie das Unternehmen in Frankfurt ankündigte. Darüber hinaus sollen Mitarbeiter zu unbezahltem Urlaub und geringeren Arbeitsvolumen in Teilzeit bewegt werden. Die Lufthansa Group hat bis Ende März sämtliche Passagierflüge zum chinesischen Festland gestrichen.

(Bild: AP)

Formel-1-Rennen in Vietnam gefährdet
Auch der Sport bekommt die Folgen der Epidemie zu spüren: Eine Absage des Formel-1-Rennens in Vietnam rückt näher. Ein Funktionär der Gastgeber-Stadt Hanoi schloss eine Streichung der Premiere der Motorsport-Königsklasse in dem Land nicht aus. „Wenn die Situation im März kompliziert wird, wenn es gestoppt werden muss, dann müssen wir es absagen“, sagte der Präsident von Hanois Volkskomitee, Nguyen Duc Chung Chung. Die Premiere auf dem rund 5,6 Kilometer langen Kurs ist für den 5. April vorgesehen.

(Bild: APA/AFP/Andrej ISAKOVIC, stock.adobe.com)

Auch eine Absage der Olympischen Spiele in Tokio steht im Raum. In diesem Fall wären die Veranstalter laut IOC-Mitglied John Coates finanziell ausreichend aufgestellt.

Chinesischer Experte: Ursprung der Seuche nicht in China
Weltweit wurden bereits mehr als 82.000 Infektionsfälle und rund 2800 Tote bestätigt - die meisten von ihnen verstarben in China. Die dortige Epidemie wird nach Darstellung des Chefs der Expertenkommission der chinesischen Regierung, Zhong Nanshan, noch länger andauern. „Wir sind zuversichtlich, dass es Ende April im Wesentlichen unter Kontrolle sein wird“, sagte der Professor am Donnerstag.

Ein Coronavirus-Patient in einem Spital in Wuhan (Bild: APA/AFP/STR)
Ein Coronavirus-Patient in einem Spital in Wuhan

Mit Blick auf den Ausbruch der Lungenkrankheit in anderen Ländern überraschte Zhong Nanshan mit der These, dass die ersten Infektionen zwar in China berichtet worden seien, aber der Ursprung von Sars-CoV-2 nicht unbedingt in China gewesen sein müsse. Beweise dafür legte der Experte aber nicht vor.

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