Der neue Mobilfunkstandard 5G wird auch in Österreich bereits aufgebaut und vereinzelt gibt es schon Sendemasten, die den neuen Standard beherrschen. Bei A1 hat man beispielsweise nach eigenen Angaben schon weite Teile Wiens mit der nötigen Technik ausgerüstet und bietet erste 5G-Tarife an - zu für Normalverbraucher aberwitzigen Preisen von bis zu 100 Euro im Monat. Wir haben in Wien nach 5G-Empfang gesucht und gemessen, wie schnell man damit wirklich surft.
Für 100 Euro pro Monat verspricht A1 5G-Kunden eine Datenrate von 300 Megabit, für 85 Euro sind es 150 und für 75 Euro 100 Megabit mit unlimitierter Datennutzung und Telefonie sowie je nach Tarif 40 bis 60 Gigabyte Datenvolumen im Ausland. Sehr hohe Datenraten, aber eigentlich keine, die man nicht auch mit aktueller LTE-Technologie unter guten Bedingungen erreichen könnte. Tatsächlich soll 5G deutlich mehr können und in den Gigabit-Bereich vordringen, wenn das Netz einmal fertig ausgebaut ist. Für heutige Verhältnisse sind 300 Megabit freilich schon sehr flott.
Die Suche nach 5G kann mühsam sein
Von einem flächendeckenden Netz kann momentan allerdings noch keine Rede sein - auch nicht in den offiziell versorgten Gebieten in Wien. Auch, wenn A1 auf einer Karte auf seiner Website bereits weite Teile der Hauptstadt als 5G-Empfangsgebiet - Outdoor, wohlgemerkt! - kennzeichnet, ist die Suche nach dem Supernetz momentan noch Glücksspiel. Wir sind eine ganze Weile durch die laut A1 abgedeckten Bezirke gewandert und haben nach 5G gesucht - anfangs mit wenig Erfolg.
Gefunden haben wir das 5G-Netz letztlich unter einem kleinen Handymasten-„Wald“ auf einem hohen Gebäude am Währinger Gürtel im 18. Wiener Gemeindebezirk, auf das wir nach erfolgloser Suche am Donaukanal und im Süden von Döbling extra wegen der weithin sichtbaren Sendeanlagen zusteuerten. Direkt darunter haben wir Samsungs 5G-Smartphone Galaxy Fold gezückt und das Tempo gemessen.
Enormes Tempo von 900 Megabit gemessen
Und tatsächlich: Bei einer Messung kratzten wir an der Marke von 900 Megabit pro Sekunde, schaufelten also gut 100 Megabyte in der Sekunde kabellos auf das Test-Handy. Das ist eine für kabellose Verhältnisse unerhört hohe Geschwindigkeit und ähnlich schnell wie die flottesten WLAN-Router für den Heimgebrauch oder eine Kabelverbindung im Gigabit-Netzwerk. Die 900-Megabit-Messung war allerdings der Spitzenwert, bei weiteren Messungen - siehe Video oben - schwankte das Tempo direkt am Sendemast zwischen 600 und 900 Megabit.
Bewegt man sich nur wenige Hundert Meter vom Sendemast weg, ändert sich das Bild relativ schnell. Versperrte im Nahbereich des Senders ein Gebäude den Sichtkontakt mit dem Handymast, brach die Datenrate prompt um fast zwei Drittel auf 300 bis 400 Megabit ein. Als wir uns gut 200 Meter vom Mast entfernten und in eine Nebengasse einbogen, war der laut A1 an dieser Stelle im Außenbereich flächendeckende 5G-Empfang wieder unterbrochen und das Handy wechselte auf zurück auf 4G.
Momentan hat man 5G fast für sich allein
Bei der von uns durchgeführten Messung sind mehrere Besonderheiten zu berücksichtigen: Zum einen haben wir uns die verfügbare Bandbreite vermutlich mit kaum jemandem teilen müssen, weil noch fast niemand ein 5G-Smartphone mit passendem Vertrag besitzt. Die 900-Megabit-Messung dürfte also so ziemlich das Optimum sein, das die derzeitige Technik hergibt. Greifen Dutzende oder gar Hunderte Nutzer auf die Sendeanlage zu, wird das nicht zu halten sein. Zum anderen ist die Reichweite von 5G aktuell - vor allem, wenn Gebäude im Weg sind - noch überschaubar.
Noch sind nicht alle Frequenzen in Benutzung
Das ist auch kein Wunder: Noch sind nicht alle notwendigen Frequenzen versteigert. Derzeit funkt 5G am Frequenzbereich zwischen 3,4 und 3,8 Gigahertz, der zwar hohe Datenraten ermöglicht, aber keine große Reichweite hat. Erst heuer werden weitere Funkfrequenzen im niedrigeren Bereich - 700, 1500 und 2100 Megahertz - versteigert, die mehr Reichweite, aber nicht so hohe Datenraten wie die bereits versteigerten Frequenzen liefern. Diese Frequenzen werden für den 5G-Ausbau am Land wichtig werden.
Langfristig soll das 5G-Netz auch noch mit ganz kleinen Sendeanlagen für Hausfassaden, Straßenlaternen oder Öffi-Haltestellen ausgebaut werden, die auf der sehr hohen 26-Gigahertz-Frequenz arbeiten und enorme Datenraten bei recht geringer Reichweite liefern. Es wird also - zum Unmut von Mobilfunkgegnern - sehr viele Kleinzellen im öffentlichen Raum brauchen, um großflächig 5G-Performance anbieten zu können. Damit sollen irgendwann sogar Geschwindigkeiten von zehn Gigabit möglich werden, versprechen Netzausrüster wie Huawei.
Sehr schnelle Reaktionszeiten
Zurück zur bereits verfügbaren Technik: Hier haben wir nicht nur sehr hohe Datenraten, sondern auch sehr schnelle Reaktionszeiten gemessen. Rund 18 Millisekunden - der sogenannte „Ping“ - lagen zwischen unseren Anfragen an den Server und dessen Reaktion. Sicher, bei 5G-Vorführungen auf Mobilfunkmessen wurden noch 10 Millisekunden versprochen, trotzdem ist das ein sehr guter Wert, den man normalerweise eher mit verkabelten Verbindungen und nicht über Mobilfunk erreicht. Das lässt vor allem Gamer hoffen, dass das neue Netz ihnen verzögerungsfreies Online-Gaming und Spiele-Streaming ermöglichen wird.
Für klassischere Tätigkeiten wie Surfen oder Video-Streaming braucht es keine so schnellen Reaktionszeiten, trotzdem sind die von uns gemessenen Geschwindigkeiten natürlich auch hier nicht unpraktisch: Bei Websites beobachtet man kaum mehr einen Seitenaufbau, sondern blickt beim Aufruf im Grunde sofort auf die gewünschte Seite. Beim Video-Streaming wird nicht lang gepuffert oder geladen, sondern sofort in hoher Qualität wiedergegeben. Apps werden aus dem Play Store augenblicklich installiert, ganz so als lägen sie lokal am Smartphone bereit.
Fazit: Da kommt was Großes - aber für wen?
Momentan braucht es noch Glück oder eine zielstrebige Wanderung zu selbigem, um in Wien einen 5G-Zugangspunkt zu finden. Hat man aber einen gefunden und guten Empfang, dann liefert 5G noch nie dagewesene Geschwindigkeiten. 900 Megabit pro Sekunde sind so schnell wie über ein Gigabit-Netzwerkkabel, die Reaktionszeiten sind auch tadellos. Tatsächlich band uns der 5G-Sendemast im Test mehr als zehnmal schneller ans Internet an als die - im Vergleich zu dem, was am Land möglich ist, nicht gerade langsame - 75-Megabit-Festnetzleitung, die der Autor privat nutzt.
Man darf aber auch die Frage stellen, wozu man eine 900-Megabit-Leitung am Smartphone braucht. Zum Surfen und Streamen sind auch LTE-Verbindungen schnell genug, wenn es nicht gerade 8K-Auflösung sein muss, die man ohnehin nur auf einer Handvoll sündteurer Edelfernseher abspielen kann. Außer bei Games und Virtual-Reality-Anwendungen aus der Cloud - und für Private wenig interessanten Industrieanwendungen - wird man auch selten die extrem geringen Latenzzeiten brauchen, die 5G bietet.
Wo es aber unserer Einschätzung nach großes Potenzial haben könnte, ist die Internetversorgung am Land. Dort ist schon heute der nächste LTE-Mast oft schneller als das, was die A1-Festnetzleitung hergibt. Mit 5G wird sich dieser Vorsprung - wenn die noch nicht vergebenen Frequenzen halten, was die bereits nutzbaren versprechen - wohl noch einmal vergrößern.
Kommentare
Da dieser Artikel älter als 18 Monate ist, ist zum jetzigen Zeitpunkt kein Kommentieren mehr möglich.
Wir laden Sie ein, bei einer aktuelleren themenrelevanten Story mitzudiskutieren: Themenübersicht.
Bei Fragen können Sie sich gern an das Community-Team per Mail an forum@krone.at wenden.