Konflikt eskaliert

NATO verurteilt Russland und Syrien für Angriffe

Ausland
28.02.2020 17:44

Nachdem bei einem Angriff in Syrien 33 türkische Soldaten ums Leben gekommen sind, hat der NATO-Rat am Freitag in Brüssel auf Antrag der Türkei eine Sondersitzung einberufen. NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg erklärte danach die Solidarität der Bündnispartner mit der Türkei: „Wir rufen Russland und das syrische Regime dazu auf, die rücksichtslosen Luftangriffe zu stoppen.“ Auf eine türkische Bitte um militärische Unterstützung ging die NATO jedoch nicht direkt ein.

Der türkische Außenminister Mevlut Cavusoglu hatte nach dem Angriff auf türkische Soldaten um Beratungsgespräche gemäß Artikel 4 des NATO-Vertrags gebeten. Dieser sieht Beratungen der NATO-Staaten vor, wenn ein Bündnismitglied die Unversehrtheit seines Gebiets oder die eigene Sicherheit bedroht sieht. Seit der Gründung der NATO im Jahr 1949 kam der Artikel 4 nun zum insgesamt sechsten Mal zur Anwendung. 

Stoltenberg: „Syrien und Russland müssen Offensive beenden“
Stoltenberg erklärte nach dem Zusammentreffen des NATO-Rats, dass die NATO an einer Deeskalation der gefährlichen Situation interessiert sei und Zugang für humanitäre Maßnahmen in Idlib erlaubt werden müsse. Das syrische Regime und ihr Unterstützer Russland müssten „ihre Offensive in der Provinz Idlib beenden“ und „internationales Recht respektieren“. Die Türkei sei derjenige NATO-Verbündete, der am stärksten vom „schrecklichen Konflikt in Syrien“ betroffen sei.

(Bild: APA-Grafik, krone.at-Grafik)

Russische Marine verlegt zwei Kriegsschiffe Richtung Syrien
Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell warnte davor, „in eine große, offene internationale militärische Konfrontation zu rutschen“. Die EU werde alle notwendigen Maßnahmen zum Schutz ihrer Sicherheitsinteressen prüfen. Russland gab unterdessen bekannt, dass die Marine zwei mit Marschflugkörpern ausgestattete Kriegsschiffe in die Gewässer vor der syrischen Küste verlegen würde.

Russland: Türkei unterstützt terroristische Truppen 
Russische Medien berichteten hingegen, dass die türkischen Soldaten bei einer Gegenoffensive der syrischen Armee gegen terroristische Gruppen in Idlib getötet worden seien. Laut Angaben des russischen Verteidigungsministeriums habe die Türkei nicht angegeben, dass dort auch türkische Truppen stationiert waren.

Die Türkei wies das jedoch umgehend zurück: „Ich möchte klarstellen, dass während dieses Angriffs keine bewaffneten Gruppen in der Nähe unserer Truppen waren“, sagte Verteidigungsminister Akar der Nachrichtenagentur Anadolu. Der russische Außenminister Sergej Lawrow betonte am Freitag, dass Syrien jedes Recht dazu habe, „gegen den Terrorismus in seinem Land zu kämpfen.“

NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg (Bild: AFP)
NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg

Türkei fordert Flugverbotszone in Syrien
Die Türkei machte die syrische Regierung für die Luftangriffe verantwortlich und forderte die internationale Gemeinschaft dazu auf, eine Flugverbotszone in Syrien einzurichten. Russland hatte jedoch noch am Donnerstagabend deutlich gemacht, dass der Luftraum in Syrien ihnen gehöre. Günther Seufert, Leiter des Centrums für angewandte Türkeistudien (CATS) erklärte dazu, dass „Erdogans Politik der maximalen Austestung der Grenzen mit Russland nicht funktioniere“. 

Doch keine Aufkündigung des EU-Türkei-Deals
Am Vormittag gab es Verwirrung darüber, ob die Türkei ihre Grenzen für syrische Flüchtlinge nach Europa geöffnet hätten, was einer Aufkündigung des EU-Türkei-Deals gleichgekommen wäre. Innenminister Karl Nehammer hatte in einer ersten Reaktion auf die Bilder aus der Türkei und Griechenland erklärt, dass man die Lage „sehr genau beobachte“. Gegen Mittag führte er ein Telefonat mit EU-Kommissionsvizepräsident Margaritis Schinas und teilte ihm mit, dass Österreich dazu bereit sei, die Länder auf der Balkanroute mit zusätzlichen Polizisten zu unterstützen.

Am Freitag machten sich viele syrische Flüchtlinge von der Türkei aus auf den Weg nach Griechenland. Teilweise fuhren Busse von Istanbul aus in Richtung griechischer Grenze. (Bild: AFP)
Am Freitag machten sich viele syrische Flüchtlinge von der Türkei aus auf den Weg nach Griechenland. Teilweise fuhren Busse von Istanbul aus in Richtung griechischer Grenze.

Im Laufe des Tages kam jedoch ein Dementi dazu aus Ankara: „In der Flüchtlings- und Migrationspolitik unseres Landes, das die meisten Flüchtlinge in der Welt aufgenommen hat, gibt es keine Änderung“, sagte der türkische Sprecher des Außenministeriums, Hami Aksoy. Griechenland verstärkte seine Grenzpatrouillen und schloss am Freitag den Grenzübergang zur Türkei bei Kastanies/Pazarkule.

Von der Türkei unterstützte syrische Rebellen kämpfen gegen die syrische Armee, die wiederum von Russland unterstützt wird, um die Vorherrschaft in der letzten Rebellenhochburg Idlib. (Bild: AFP)
Von der Türkei unterstützte syrische Rebellen kämpfen gegen die syrische Armee, die wiederum von Russland unterstützt wird, um die Vorherrschaft in der letzten Rebellenhochburg Idlib.

Türkisches Ultimatum läuft Samstagnacht aus
Am Samstag verstreicht ein Ultimatum des türkischen Machthabers Erdogan. Er hatte wiederholt mit einem Militäreinsatz gedroht, falls sich das syrische Militär in Idlib nicht bis Ende Februar aus einem bestimmten Gebiet wieder zurückziehen würde. Bei Angriffen der türkischen Streitkräfte auf syrische Stellungen sind nach Angaben von Beobachtern mindestens 16 syrische Soldaten getötet worden.

In der letzten Rebellenhochburg des Bürgerkriegslandes Syrien sind die Truppen der syrischen Regierung mit russischer Hilfe auf dem Vormarsch. Hunderttausende Menschen fliehen auch in Richtung türkische Grenze.

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