Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) hat am Montag mehrere Vorschläge zur aktuellen Migrationskrise gemacht. Er will zum einen eine Soforthilfe für die Krisenregion im Nordwesten Syriens, zum anderen fordern er und die Grünen die Schaffung menschenwürdiger Bedingungen für die Migranten auf den griechischen Inseln. „Wenn das nicht gelingt, sind wir dafür, Frauen und Kinder herauszuholen.“ Mit Blick auf den türkischen Präsidenten sagte Kogler, die EU dürfe sich „nicht von Erdogan erpressen lassen“.
„Wenn es die Union und Griechenland nicht schaffen, das Leid für die Menschen auf den Inseln zu lindern, müssen wir etwas für Frauen, Kinder und Kranke tun“, sagte Kogler am Montag im Gespräch mit der Austria Presse Agentur. Man müsse überlegen, diese Gruppe zu evakuieren, „um sie überleben zu lassen“. Darum alleine gehe es und nicht um „Pull-Faktoren“, so Kogler. Die Union müsse für halbwegs menschenwürdige Bedingungen sorgen.
Erdogan treibt „böses Spiel“
Er stimme überein, dass sich die Union „nicht von Erdogan erpressen lassen darf“. Dieser treibe derzeit „ein böses Spiel, eine völlig bösartige Aktion auf dem Rücken von ohnehin schon sehr armen Menschen“. Man solle allerdings unterscheiden zwischen jenen, die bereits in der Türkei sind, und den von den Kriegshandlungen in Syrien Betroffenen. „Dort ist die Situation am schlimmsten“, sagte Kogler in Hinblick auf die Provinz Idlib. Die Grenzen blieben weiterhin offen, hatte Erdogan am Montag in einer Rede betont und erklärt, es sei jetzt an der EU, ihren „Teil der Last“ zu tragen.
Den Experten zufolge sei es den Hilfsorganisationen vor Ort wieder möglich, den Flüchtlingen zu helfen, nachdem sie bisher offenbar gehandicapt worden seien. Kogler will in der Regierung eine unmittelbare Hilfe - etwa aus dem Auslandskatastrophenhilfsfonds - zur Verfügung zu stellen, „um das schlimmste Leid für Hunderttausende zu lindern und sie halbwegs zu versorgen“. Kogler will schon diese Woche eine erste Tranche beschließen.
Die Lage an der türkisch-griechischen Grenze sei Erdogan geschuldet. Die Grünen seien dafür, das Migrationsabkommen der EU mit der Türkei fortzusetzen. „Aber die Einhaltung des Pakts bedeutet auch, dass Erdogan mit der Desinformationspolitik aufhören muss“ und Migranten nicht weiter unter „Vorspielung falscher Tatsachen an die griechische Grenze schicken“ soll.
Situation in Türkei besser als auf griechischen Inseln
„Ich bin der Meinung, dass die Übereinkunft mit der Türkei mit Inhalten ausgestaltet“ und die Türkei, die 3,6 Millionen Migranten aufgenommen hat, bei der Betreuung dieser finanziell unterstützt werden sollte. „Österreich sollte in der Union drauf hinwirken, dass die Programme glaubwürdig fortgeführt werden.“ Die Hilfsgelder sollen aber nicht einfach auf irgendwelche Regierungskosten fließen, sondern in sinnvolle Projekte. Denn in der Türkei sei die Situation für sie besser als auf den griechischen Inseln.
Kogler verwies auf den österreichischen Migrationsforscher Gerald Knaus, der den Türkei-EU-Pakt mitgestaltet hatte. Dieser meint, dass die EU der Türkei schon vor Wochen zusagen hätte müssen, sie in der Flüchtlingsfrage weiter zu unterstützen. Die Unterstützung der EU habe dazu geführt, dass in den letzten Jahren kaum noch Syrer Richtung Europa gekommen seien, sondern in Schulen gingen und über medizinische Versorgung sowie Sozialhilfe verfügten.
Kogler sprach sich zudem für eine Friedensinitiative der EU aus. Dass die aktuelle Krise den türkis-grünen Krisenmechanismus, der einen koalitionsfreien Raum in Migrationsfragen vorsieht, auszulösen könnte, glaubt Kogler nicht. Der Krisenmechanismus sei nur für unvorhersehbare Ereignisse vorgesehen, und das sei hier nicht der Fall.
Van der Bellen: Unklar, was Türkei mit Drohung will
Bundespräsident Alexander Van der Bellen betonte am Montag bei einem Besuch von Kroatiens Präsident Zoran Milanovic, dass angesichts der Öffnung der türkischen Grenze in Richtung EU für Flüchtlinge, Griechenland und Bulgarien nicht allein gelassen werden dürften. Es sei ihm „nicht offenkundig, worauf die türkische Regierung hinaus will“, sagte Van der Bellen.
Gespräche mit Ankara seien allerdings nötig, um zu klären, ob die Türkei mehr finanzielle Unterstützung oder etwas anderes wolle, denn immerhin beherberge das Land 3,6 Millionen syrische Flüchtlinge. Vor allem müsse sich aber die Situation in Syrien ändern, forderte der Bundespräsident.
Die Situation in Griechenland verdiene schon mehr Aufmerksamkeit, so Van der Bellen weiter. „Ich möchte aber warnen, vorschnell die griechische Regierung zu verurteilen“, sagte das Staatsoberhaupt angesichts des kolportierten Einsatzes von Tränengas an der Grenze.
SPÖ will Sondergipfel, FPÖ Schließung der Grenze
Dass sich die Lage an der türkisch-griechischen Grenze laut Frontex-Bericht weiter zuspitzen wird, führte in Österreich zu unterschiedlichen Reaktionen. Während SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner einheitliche Linien fordert, will EU-Delegationsleiter Harald Vilimsky (FPÖ) die Grenzen dicht halten. Burgenlands Landeshauptmann Hans Peter Doskozil (SPÖ) sieht angesichts der aktuellen Entwicklungen in der Türkei die EU und die Bundesregierung gefordert.
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