Grüne anderer Meinung

Kurz: „Keine weitere Aufnahme von Flüchtlingen“

Politik
04.03.2020 13:16

Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) hat am Mittwoch dem Appell von Bundespräsident Alexander Van der Bellen für die Aufnahme von Flüchtlingen, insbesondere Frauen und Kindern, eine Absage erteilt. „Unsere Linie als Bundesregierung ist klar, nämlich keine zusätzliche freiwillige Aufnahme in Österreich“, sagte Kurz bei einem Medientermin mit den Sozialpartnern zum Coronavirus in Wien. Der grüne Koalitionspartner denkt da allerdings anders. Sozialminister Rudolf Anschober (Grüne) sagte etwa dazu: „Da haben wir eine unterschiedliche Meinung, und das kann man so stehen lassen.“

„Österreich ist unter den am stärksten belasteten Ländern der Europäischen Union. Es gibt kaum ein Land weltweit und schon gar nicht in Europa, das pro Kopf mehr Flüchtlinge aufgenommen hat“, argumentierte Kurz. „Insofern plädiere ich dafür, dass wir zunächst einmal die gut integrieren, die jetzt schon hier sind. Wir haben zum Beispiel 30.000 arbeitslose Asylberechtigte, wo es gut wäre, die in den Arbeitsmarkt zu bringen.“

Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) (Bild: APA/ROLAND SCHLAGER)
Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP)
Sebastian Kurz und Werner Kogler (Bild: APA/ROLAND SCHLAGER)
Sebastian Kurz und Werner Kogler

Kurz verwies auch auf die „Zahlen“. „Wir haben allein im letzten Jahr über 10.000 Menschen aufgenommen. Insofern haben wir im letzten Jahr allein einige Tausend Frauen und Kinder aufgenommen. So wird es auch in diesem Jahr sein“, so Kurz. In den vergangenen fünf Jahren seien es insgesamt 200.000 Asylanträge gewesen, davon Zehntausende Frauen und Kinder.

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Es gibt kaum ein Land weltweit und schon gar nicht in Europa, das pro Kopf mehr Flüchtlinge aufgenommen hat.

Bundeskanzler Sebastian Kurz über die weitere Aufnahme von Flüchtlingen in Österreich

„2020 bereits 1000 Frauen und Kinder aufgenommen“
Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) ergänzte in einer Stellungnahme gegenüber der APA, dass Österreich „2020 bereits 1000 Frauen und Kinder neu ins Asylverfahren aufgenommen“ habe. „Alleine in den letzten zwei Jahren haben rund 11.000 Kinder und 4000 Frauen einen Asylantrag gestellt. Das sind so viele, wie Eisenstadt Einwohner hat.“ Kaum eine Frau reise alleine, sondern das passiere im Familienverband.

Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) (Bild: APA/ROLAND SCHLAGER)
Innenminister Karl Nehammer (ÖVP)

„Das heißt, darüber hinaus hat die Aufnahme von Frauen und Kindern auch die Familienzusammenführung, also Aufnahme von Vätern und Brüdern, zur Folge. Es darf jetzt zu keiner neuen Aufnahme- und Zuwanderungswelle kommen, denn wir sind jetzt noch mit den Folgen der Migrationswelle von 2015 beschäftigt. Die Integrationsmaßnahmen werden Jahre dauern“, so Nehammer.

Migranten im Hafen von Lesbos (Bild: AFP)
Migranten im Hafen von Lesbos

Die Grünen sehen das anders
Die Grünen und auch der Bundespräsident haben in dieser Sache allerdings eine andere Auffassung. Alexander Van der Bellen hatte am Dienstagabend im ORF-„Report“ gesagt, dass Österreich in der aktuellen Flüchtlingskrise in der Türkei bzw. Griechenland sich „in bestimmtem Ausmaß“ an der Aufnahme von Flüchtlingen beteiligen solle. Kinder und Frauen sollten dabei Priorität haben, äußerte er Unterstützung für die Haltung von Grünen-Chef Werner Kogler

Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) (Bild: APA/ROLAND SCHLAGER)
Vizekanzler Werner Kogler (Grüne)

Der grüne Sozialminister Rudolf Anschober steht zu den unterschiedlichen Auffassungen seiner Partei mit dem Koalitionspartner ÖVP, was die Aufnahme von Flüchtlingen betrifft. „Das ist unsere gemeinsame grüne Meinung“, sagte er am Mittwoch vor dem Ministerrat. Zentraler Punkt sei, dass sich die Bundesregierung auf erste Schritte bei der humanitären Hilfe in den betroffenen Gebieten geeinigt habe.

Gesundheits- und Sozialminister Rudolf Anschober (Grüne) (Bild: APA/ROLAND SCHLAGER)
Gesundheits- und Sozialminister Rudolf Anschober (Grüne)

„Situation ist schwierig und prekär“
„Da haben wir eine unterschiedliche Meinung, und das kann man so stehen lassen“, verteidigte Anschober die grüne Linie, die etwa Parteichef und Vizekanzler Kogler vorgegeben hatte. Dieser will betroffene Kinder und Frauen notfalls nach Österreich bringen lassen. Anschober schloss sich auch der Meinung des Bundespräsidenten „zu 100 Prozent an“. Die Flüchtlingssituation auf der griechischen Insel Lesbos bezeichnete er als schwierig und prekär. Hier sei Handlungsbedarf für Europa gegeben.

Frauenministerin Susanne Raab (ÖVP) und Justizministerin Alma Zadic (Grüne) (Bild: APA/ROLAND SCHLAGER)
Frauenministerin Susanne Raab (ÖVP) und Justizministerin Alma Zadic (Grüne)

Auch Justizministerin Alma Zadic (Grüne) wäre gewillt, notfalls weitere freiwillig ins Land zu holen. Einigkeit gab es weiterhin bei der bereits beschlossenen humanitären Hilfe vor Ort. Frauenministerin Susanne Raab betonte zudem im Pressefoyer nach der Regierungssitzung, es sei wichtig, die Außengrenze zu schützen. Den Vorschlag der Grünen, Kinder und Frauen ins Land zu holen, lehnte auch sie mit dem Argument ab, dass dies aus Integrationssicht nicht gut sei. Noch immer sei man in diesem Bereich mit den Herausforderungen der letzten Flüchtlingskrise beschäftigt.

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