Auch für iPhone-Nutzer ist Google am Smartphone eine gewohnte Erscheinung. Wer ein Android-Handy hat, bindet sich noch enger an den Internetriesen - wenn es sich nicht um ein Gerät eines Herstellers handelt, den die US-Regierung der Spionage bezichtigt. Huawei-Smartphones sind durch einen erzwungenen Lieferstopp derzeit von Google-Diensten - Android selbst ist frei nutzbar, Google-Dienste wie der Play Store aber nicht - befreit. Wer in Österreich ein neueres Huawei-Smartphone erwirbt, bekommt daher nicht die gewohnten Google-Dreingaben, sondern alles bis hin zum App Store von Huawei. Wir haben im erzwungenen Selbstversuch ausprobiert, ob Android auch in der Version ohne Google funktioniert.
Eines vorweg: Bei älteren Huawei-Handys, die vor den US-Handelsbeschränkungen vom Mai 2019 vorgestellt wurden, hat man nichts zu befürchten. Geräte wie das P30 (Pro bzw. Lite) sind nach wie vor mit Play Store, YouTube-, Maps-, Gmail-App und anderen Google-Werkzeugen wie Chromecast-Streaming und Chrome-Browser ausgestattet, wenn man sie kauft. Später vorgestellte Geräte wie das nach langem Hin und Her mittlerweile doch in Österreich erhältliche Mate 30 Pro aber nicht.
Huawei kontert mit eigenem App-Marktplatz
Hier installiert Huawei statt dem Google-Paket namens Google Mobile Services, die auch als Programmierschnittstelle für die Anwendungen Dritter dienen, seine eigenen Huawei Mobile Services, mit denen man in Windeseile bestmöglich nachzubauen versucht hat, was anderen Android-Herstellern Google liefert. Die Programmierschnittstellen sind wichtig, will beispielsweise eine Anwendung die Kamera-App anzapfen, um Fotos zur weiteren Verarbeitung zu machen. Oder wenn eine Anwendung den Kartendienst braucht, um direkt auf Karten zuzugreifen.
Nun hatte Huawei noch kein Jahr Zeit, um sich mit dem erzwungenen Abschied von Google zu arrangieren, sieht sich mit seiner App Gallery aber mittlerweile gut genug aufgestellt. Viele wichtige Apps habe man schon in den eigenen Store geholt. An vielen weiteren sei man dran und suche dabei aktiv die Zusammenarbeit mit lokalen Entwicklern, erzählte uns Huawei.
Bastler können Play Store nachinstallieren
Tatsächlich ist der Play Store kein Muss: Vieles lässt sich auch aus externen Quellen ganz ohne App Store installieren. Wer die APK-Installationsdatei einer App hat und es in den Geräteeinstellungen erlaubt, installiert vieles einfach direkt vom Hersteller oder aus einschlägigen Online-Datenbanken. Wer sich ein wenig mit Android und einschlägigen Anleitungen auseinandersetzt, installiert den Play Store im Zweifel auch selbst aufs Gerät.
Dabei kommen allerdings Programme aus nicht nachvollziehbaren Quellen zum Einsatz, teils auf Chinesisch. Und wer sich Administratorrechte verschafft und womöglich die Software bis zum Funktionsversagen schindet, verliert normalerweise die Garantie aufs Gerät. Das ist also in Wahrheit auch nur dann eine Lösung, wenn man sich der Folgen und Risiken bewusst ist und sich größere Software-Eingriffe zutraut, also für eine Bastlerminderheit.
Noch genügt das Huawei-Ökosystem nicht
Warum wir an dieser Stelle schon darauf zu sprechen kommen, wie man den Play Store auf den neuen Huawei-Smartphones nachinstalliert? Weil es vermutlich sehr, sehr viele Nutzer schon nach recht kurzer Zeit tun werden. Huawei hat sich redlich bemüht, sein eigenes Ökosystem der Huawei Mobile Services auf die Beine zu stellen, forscht ja sogar schon länger an einem ganz eigenen Betriebssystem. Reif für den Alltag einer westlichen Nutzerschaft ist das aber fürs Erste noch nicht.
Widmen wir uns zunächst der App Gallery, also dem Huawei-Play-Store. Der wächst zwar stetig und hat schon ein paar Österreich-Spezifika anzubieten, versagt dafür aber bei vielen anderen App-Wünschen komplett. Apps heimischer Banken gibt es bislang teils nur für deren Osteuropa-Dependancen. Firefox-Browser oder Chrome? Fehlanzeige, aber immerhin Opera gibt es. Spotify? Pech gehabt. Netflix? Nix da. Die Mediatheken von ORF, ARD, ZDF, 3Sat oder ARTE? Gibt’s nicht, lediglich das eine oder andere Privatsender-Angebot. YouTube? Kann man im Browser öffnen, ist aber mit App angenehmer zu nutzen. Sie merken schon: Auch, wenn Huawei Zigtausende Apps in seine App Gallery gelockt hat, fehlen viele große Namen.
Chromecast-Streamer haben es ganz schwer
Überhaupt, Streaming: Chromecast-Nutzer vergessen leicht, dass ihr heimisches Streaming-Vergnügen eng mit einem Google-Standard verknüpft ist, über den sehr viele Drittanbieter-Apps Streaming auf externe Geräte umsetzen. Somit fehlt das Chromecast-Knopferl, das sonst das Bild auf den großen Fernseher wirft, in den Apps auf Huaweis Android-Interpretation.
Gerade im Multimedia-Bereich war der Alltag ohne Google im Test kein Spaß. Musik hört der Autor am Handy normalerweise mit Spotify. Gehört nicht zu Google, ist aber nur über Googles oder Amazons App Stores offiziell für Android zu bekommen. Bei den inoffiziellen App-Archiven im Netz ist Vorsicht geboten: Viele sind schlimme Werbeschleudern, mancherorts würde es uns nicht wundern, wenn man sich Ad- oder gar Malware einfängt.
Am Handy ohne Google schlägt Amazons Stunde
Das führte zur paradoxen Situation, dass wir am Google-losen Huawei-Smartphone letztlich den von Fire-Tablets bekannten Amazon Appstore, den man direkt vom Hersteller auf jedes Android-Handy nachinstallieren kann, Huaweis App Gallery vorgezogen haben. Schlicht, weil der zwar auch nicht alles hat, aber etabliert am deutschsprachigen Markt ist und viele Dinge hat, die uns Huaweis junge App Gallery noch nicht bieten konnte - etwa öffentlich-rechtliche Mediatheken oder eben Spotify. Auch für US-Apps wie Facebook ist Amazon eine gute Quelle.
Den Streaming-Platzhirschen Netflix brachten wir am Mate 30 Pro nur mit schwarzinstallierten Google-Diensten zum Laufen. Ohne die klagte die aus Drittquellen installierte Anwendung mal, dass das Gerät nicht unterstützt werde, mal konnte sie keine Verbindung zum Netflix-Server herstellen. Updates sind bei manuell installierten Anwendungen auch so eine Sache: Überlässt man es sonst einfach dem Play Store, die Programme aktuell zu halten, muss man ohne diesen selbst updaten, was man nicht über Huaweis App Gallery bezogen hat.
Basisfunktionen funktionieren auch ohne Google
Vor allem im Multimedia-Bereich hat man also ohne Google am Android-Smartphone ein schweres Leben. Fairerweise muss man aber sagen, dass es auch Dinge gibt, die auch ohne Google problemlos klappen. E-Mails ruft man einfach mit der E-Mail-Anwendung seiner Wahl statt mit Gmail ab. Navi-Apps gibt es auch andere als Google-Maps - zum Beispiel Here Maps, das man allerdings auch nicht in Huaweis App Gallery findet, sondern aus Drittquellen installieren muss. Viele Dinge, die man sonst in einer App erledigt, lassen sich auch auf der mobilen Website des Anbieters erledigen - bisweilen mit Komforteinbußen. Und vieles - etwa WhatsApp oder Facebook - läuft nach der Beschaffung direkt beim Hersteller, abgesehen von den manuell vorzunehmenden Updates, reibungslos.
Einfachheit ist beim Endbenutzer Trumpf
Die Crux an der ganzen Sache: Android ist nicht zuletzt deshalb so erfolgreich geworden, weil es sehr einfach in der Bedienung ist und selbst Menschen, die keine ausgewiesenen Computerfreaks sind, es intuitiv bedienen können. Und daran haben die Google-Dienste einen Anteil. Wer seine Lieblingszeitung lesen will und nicht allzu versiert mit dem Internet-Browser ist, installiert einfach eine App aus dem Play Store. Wer YouTube nutzen will, öffnet die vorinstallierte App. Wer ein Video auf den großen Fernseher streamen will, drückt das Chromecast-Knopferl.
Hinzu kommt: In vielerlei Bereichen sind die Anwendungen von Google schlichtweg sehr gut - oft besser als das, was Smartphone-Hersteller oder Konkurrenten als Alternative bieten. YouTube ist als Streaming-Plattform unangefochten, Google Maps sicher eines der besten Gratis-Navis. Und je enger man sich an Google-Dienste wie den Cloud-Speicher Drive oder die Foto-Cloud Google Photos bindet, umso besser greift alles ineinander - und umso mehr vermisst man es, wenn man es nicht mehr hat.
Ohne Google stehen Einsteiger vor großer Hürde
Das Fehlen des Play Store zieht auf Huawei-Smartphones letztlich eine neue Hürde hoch, die versierte User sicher überspringen, Computeranfänger aber eben nicht. Die werden häufig schon daran scheitern, im Dschungel zwielichtiger APK-Archive im Web die gewünschte Software überhaupt zu finden, anschließend über die Installation fluchen und später definitiv nicht regelmäßig nach Updates für die manuell installierte Software suchen und so Tür und Tor für Cyberkriminelle offenhalten.
Fazit: Man muss kein Google-Fan sein, um die Bequemlichkeit zu vermissen, die Google-Dreingaben einem Android-Smartphone verleihen und anzuerkennen, dass schnelle Updates via Play Store eine gute Sache sind. Sicher kann man sich mit etwas Einsatz auch ohne Google-Dienste ein Android-Smartphone einrichten, das für die alltäglichen Aufgaben hinreichend gerüstet ist. Man stößt dabei aber laufend auf Probleme, die zu Improvisation und Handarbeit zwingen, die es bei Android-Installationen mit Google-Dreingaben eben nicht braucht und die den meisten Ottonormalnutzern schlicht nicht zumutbar sind. Unser Rat: Machen Sie, wenn Sie es nicht bewusst haben wollen, einen Bogen um Smartphones ohne Google-Dienste. Die Nachteile überwiegen etwaige Vorteile.
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