Erdogans Machtspiele

Nach Abkommen: Was hat Türkei in Syrien verloren?

Ausland
07.03.2020 06:00

Syriens Diktator Bashar al-Assad hat den Bürgerkrieg mithilfe Russlands gewonnen. Nun will er die letzten Teile des Landes unter seine Herrschaft zwingen wie die Rebellenprovinz Idlib. Dorthin waren nämlich während des Krieges bei lokalen Kapitulationsverhandlungen Anti-Assad-Kräfte, darunter islamistische Terrormilizen, evakuiert worden - für die „Schlussabrechnung“.

So starteten Assad und Russland einen grausamen Bombenkrieg in Idlib, um Milizen und mit ihnen Anti-Assad-Zivilisten in die Flucht zu schlagen. Die Türkei sperrte die Grenze mit dem Argument, es seien schon 3,6 Millionen Flüchtlinge aus Syrien im Land.

Syriens Machthaber Bashar al-Assad auf Truppenbesuch in der Provinz Idlib (Bild: AFP)
Syriens Machthaber Bashar al-Assad auf Truppenbesuch in der Provinz Idlib

Die Folge: eine humanitäre Katastrophe an der Grenze. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan argumentiert, er wolle in Idlib erreichen, dass Zivilisten wieder zurückkehren können. Assad und Russland werfen der türkischen Armee vor, mit islamistischen Terrormilizen zusammenzuarbeiten.

(Bild: APA-Grafik, krone.at-Grafik)

Konflikt durch Putin-Erdogan-Abkommen nur eingefroren
Nach dem neuen Abkommen im Kreml wird die Provinz geteilt mit einer Pufferzone dazwischen. Die Türkei begründet das Festhalten an Assad-freien „Sicherheitszonen“ auf dem syrischem Gebiet mit früheren Artillerieüberfällen auf türkisches Grenzgebiet. Assad und Russland beschuldigen die Türkei, die „Sicherheitszonen“ mit kollaborierenden Kräften zu besiedeln und „kurdenfrei“ zu machen. Dieser Konflikt ist noch lange nicht gelöst und durch das neue Erdogan-Putin-Abkommen nur eingefroren. Je länger alles in Schwebe bleibt, desto mehr gewinnt Russland.

Recep Tayyip Erdogan und Wladimir Putin (Bild: AFP)
Recep Tayyip Erdogan und Wladimir Putin

Armut und Elend an griechisch-türkischer Grenze
Mittlerweile sind viele vor Krieg und Verfolgung aus Syrien geflohen, andere vor Armut und Elend. Manche haben alle Ersparnisse geopfert, um an die türkisch-griechische Grenze zu kommen - nur um bitter enttäuscht zu werden. Eine syrische Familie mit fünf Kindern, während des langen Bürgerkriegs mehrfach vertrieben, lagert in einem trostlosen Wald in der türkischen Grenzprovinz Edirne. Nur ein Fluss trennt sie von Griechenland, und damit ihrer ersehnten Zuflucht: Europa.

Flüchtlinge an der türkisch-griechischen Grenze (Bild: AFP)
Flüchtlinge an der türkisch-griechischen Grenze
Migranten in Edirne (Bild: AFP)
Migranten in Edirne

Migranten schlafen erschöpft, nun in Decken gehüllt
Anderswo in Edirne nutzen die Menschen jede Möglichkeit, Obdach zu finden. Familien mit Kindern nächtigen in einer leeren Markthalle, andere schlafen erschöpft, nur in Decken gehüllt. Syrer sind hier, aber auch Pakistaner, Afghanen, Somalier, Kenianer, Iraner, Iraker und Nigerianer.

(Bild: AFP)

„Wann wird die Grenze endlich geöffnet?“
Eine Stunde Autofahrt weiter, nahe dem Grenzübergang Ipsala, fragt ein Jugendlicher aus Pakistan, der kein Handy hat, ratlos, wann die Grenze endlich geöffnet werde. Ob Erdogan etwa seine Meinung geändert habe? Dass die Türken einseitig gehandelt haben und die EU nie eine Öffnung ihrer Grenzen angekündigt hat, weiß er nicht.

Griechenlands Polizei im Einsatz an der Grenze (Bild: AP)
Griechenlands Polizei im Einsatz an der Grenze
Migranten nahe dem Grenzübergang Edirne (Bild: AFP)
Migranten nahe dem Grenzübergang Edirne
(Bild: AP)

„Hier kommt es mir vor wie das Ende der Welt“
Waqar, auch er aus Pakistan, hatte es mit anderen schon auf die griechische Seite geschafft, doch nach seinen Angaben wurden sie von Polizisten verprügelt. Alles habe man ihnen abgenommen, Handys, Geld, und die Pässe zerrissen. „Seit fünf Tagen sind wir schon hier“, sagt Waqar. „Hier kommt es mir vor wie das Ende der Welt.“

Kurt Seinitz, Kronen Zeitung

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