„Krone“: Frau Raab, ist der Weltfrauentag für die Frauenministerin nicht ein besonders frustrierender und deprimierender Tag? In den vergangenen Jahren hat sich bei der Gehaltsschere kaum eine Verbesserung eingestellt.
Susanne Raab: Der internationale Weltfrauentag erinnert uns daran, dass es in der Gleichstellung zwischen Mann und Frau noch immer viel zu tun gibt. Vor allem, wenn es darum geht, Lohngerechtigkeit zu schaffen. Er ist aber auch ein Tag, an dem wir die große Leistung der Frauen betonen und sie vor den Vorhang holen.
Es wird nun aber schon seit vielen Jahren stets über dieselben Themen diskutiert, aktuell arbeiten Frauen in Österreich 57 Tage pro Jahr länger, um das Jahreseinkommen der Männer zu erzielen. In diesem Bereich geht nicht viel weiter.
Die Generationen vor uns haben extrem dafür gekämpft, die Situation von Frauen zu verbessern. Steter Tropfen höhlt den Stein, wir müssen dranbleiben - in allen Lebensbedingungen, und dafür die politischen Rahmenbedingungen schaffen.
Video: Ministerinnen zum Weltfrauentag
Die skandinavischen Länder sind uns da um einiges voraus. In Island wurde ein Gesetz für gleiche Bezahlung beschlossen. Warum gibt es so etwas bei uns nicht?
Man muss sich zuerst einmal anschauen, warum die Einkommensschere so auseinander geht. Da orte ich mehrere Gründe. Etwa, dass Frauen in Branchen tätig sind, die schlechter entlohnt werden. Dann gibt es den Karriereknick, wenn Frauen ein Kind bekommen, dann sind der Berufseinstieg und oft Teilzeitarbeit ein Thema. Schließlich gibt es noch die klassische Diskriminierung - Frauen verdienen für denselben Job weniger. Das darf es nicht geben. Da müssen wir Institutionen stärken, die für den Diskriminierungsschutz auftreten. Man kann also an verschiedenen Stellschrauben drehen. Das automatische Pensionssplitting, das wir jetzt einführen, ist eine davon.
Weil Sie den Karriereknick nach der Geburt der Kinder angesprochen haben: Ihr Parteikollege, Finanzminister Gernot Blümel, ist vor Kurzem Vater geworden. Er hat in einem Interview gesagt, er könne sich keinen Papamonat leisten, das gehe sich einfach nicht aus. Bedient das nicht genau das Vorurteil, dass der Job der Männer wichtiger ist als jener der Frauen?
Ich bin für die Selbstbestimmung der Frau und dafür, dass Frauen frei wählen können. Dafür will ich die nötigen Rahmenbedingungen schaffen. Aber wir müssen von den Klischees wegkommen. Frauen werden sehr oft in Schubladen gesteckt. Wenn wir Frauen keine Kinder haben, sind wir gleich kinderlose Karrieristinnen, wenn wir rasch nach der Geburt wieder arbeiten gehen, Rabenmütter, und wenn wir länger daheim bleiben, Glucken und Hausmütterchen. Davon müssen wir uns lösen. Alle Lebensmodelle sollen in Österreich Platz finden.
Wie stehen Sie zur Quotenregelung?
Ich glaube, die Quote ist kein Allheilmittel für die Gleichstellung von Männern und Frauen. Ich finde es aber gut, dass wir als Bundesregierung mit einem guten Beispiel vorangehen, wir haben mehr Frauen als Männer in der Regierung.
Haben Sie das Frauenvolksbegehren unterschrieben?
Nein, habe ich nicht. Weil ich nicht allem zugestimmt habe, etwa der 30-Stunden-Woche.
Bezeichnen Sie sich selbst als Feministin?
Feminismus ist für mich ein Etikett. Ein Etikett, das uns Frauen nicht gerade verbindet. Oft wird vermittelt, wer sich als Feministin bezeichnet, gilt als starke Frau, wer das nicht macht, ist schwach und eine Frau, die das Patriarchat hochhält. Das halte ich für falsch. Ich kenne viele Frauen, die sich nicht als Feministin bezeichnen, aber jeden Tag ihre Frau stehen.
Lassen Sie uns in die Zukunft blicken: Wie lange werden wir den Weltfrauentag noch brauchen, wie lange werden wir noch über dieselben Themen reden müssen?
Ich würde mir wirklich wünschen, dass wir in naher Zukunft nicht mehr auf die Ungleichstellung zwischen Mann und Frau hinweisen müssen, sondern dass der Weltfrauentag ein Tag ist, an dem wir uns Frauen feiern.
Das klingt natürlich nett, aber für wie realistisch halten Sie diesen Wunsch?
Wir sind in den letzten Jahren und Jahrzehnten schon weit gekommen, aber wir müssen weiterkämpfen. Und zwar als gesamte Gesellschaft. Denn Frauenpolitik betrifft nicht nur Frauen, wir müssen auch die starken Männer auf unserer Seite wissen.
Doris Vettermann, Kronen Zeitung
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