In diesen Tagen hat fast jeder seine eigene „Corona“-Erfahrung. Man erzählt von neuen Nachrichten und mischt die mit privaten Erfahrungen aus Beruf und Familie und gibt noch eine persönliche Einschätzung dazu. Meine Geschichte geht so: Letzten Sonntag lande ich, aus Singapur kommend, am Salzburger Flughafen und fahre mit dem Taxi zur Universität Mozarteum Salzburg, um dort zwei Studenten zu unterrichten.
Müdigkeit besiege ich am besten mit Arbeit: Zwölf Stunden zuvor ein Konzert in Singapur zu spielen und gleich danach zu unterrichten.
Am Montag und auch am Dienstag habe ich an der Uni unterrichtet und hatte mit allen meinen Studenten Kontakt. Mittwochnachmittag kommt der Sicherheitsbeauftragte des Hauses in unseren Unterrichtsraum und teilt mir mit, dass ich aufgrund meines Aufenthalts in Singapur in den nächsten zwei Wochen keine Lehrveranstaltungen abhalten solle. Im Klartext: Kommen Sie nicht ins Haus.
Ein bisschen erstaunt war ich schon. Um es vorweg zu nehmen: Die Leitung des Mozarteums setzt bloß die Vorgaben aus dem Ministerium um. Warum man aber erst nach drei Tagen Lehrende und Studierende aus sogenannten Risikoländern (China, Japan, Iran, Südkorea, Norditalien, Singapur) aus dem Uni-Verkehr zieht, verstehe ich nicht. Es dürfte auch dem Wissenschaftsministerium bekannt sein, dass unser Studienjahr am 1. März begonnen hat. Die Maßnahmen am 4. März einzuleiten, kommt einem dann doch merkwürdig vor.
Nach bereits fast drei vollen Universitätstagen waren wirklich alle Lehrenden und Studierenden, die davor in den sogenannten Risikoländern waren, an Ort und Stelle, um ihre Arbeit zu machen, und so in Kontakt mit allen anderen.
Vielleicht gibt es Gründe dafür und ich kenne die nur nicht. Zuhause angekommen, der nächste Schock: Eigentlich sollte ich an diesem Wochenende nach Israel fliegen. Dort standen drei Konzerte für mich mit dem Israel Philharmonic Orchestra an. Auf die Konzerte, auf Tel Aviv und Israel als Land an sich hatte ich mich sehr gefreut. Dann aber beschloss das israelische Gesundheitsministerium, Deutschen, Franzosen, Schweizern und Österreichern die Einreise vorerst zu verweigern. Für mich bedeutet das: Nichts geht mehr. Keine Uni, keine Israel-Konzerte. Stillstand.
Und da tut sich ein Moment auf, den ich schon länger herbeigesehnt habe. Der quasi staatlich verordnete Moment, ein paar Gänge zurück zu schalten. Ruhe zu finden, der Familie mehr Aufmerksamkeit zu schenken, Körper und Geist wieder in Balance zu bringen und die zurückliegenden Wochen mit Konzerten, Reisen und ja, auch über die vielen Diskussionen aufgrund meiner wöchentlichen Kolumnen hier in der „Krone“, nachzudenken. Vielleicht eröffnet uns das seltsame Virus auch eine Chance. Entschleunigung, um die Gedanken wieder auf das Wesentliche im Leben zu richten.
Natürlich freut es mich, dass diese Kolumne so viele Menschen bewegt. Viele sprechen mich auf der Straße, im Wirtshaus, nach Konzerten an, schreiben mir Briefe oder Mails oder melden sich auf meiner Facebook-Seite. Meistens sind es positive Reaktionen, andere wiederum sprechen konstruktiv dagegen. Das habe ich genauso gern. Es regt zur Reflexion und zum Hinterfragen der eigenen Positionen an.
Schädlich für die eigene Verfassung sind aber die Untergriffe, Gemeinheiten und Beschimpfungen. Dem ist schwer beizukommen. Argumente verfangen nicht gegen blinden Hass. Vielleicht können wir nun die „Corona-Entschleunigung“ nutzen, um in uns zu gehen und ganz einfach nachzudenken. Ich drücke jetzt einmal die Pause-Taste: Durchatmen!
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