Am Montag in Brüssel
Erdogans neuer Coup: Mit EU Deal „überarbeiten“
Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan wird am Montag in Brüssel erwartet. Nach den jüngsten Spannungen im Flüchtlingsstreit wird Erdogan von EU-Ratspräsident Charles Michel empfangen. Es geht um die Migrationskrise, aber auch um eine grundsätzliche Neuausrichtung zwischen Brüssel und Ankara. Das Flüchtlingsabkommen will Erdogan „überarbeiten“.
Auf der Tagesordnung stehen neue Flüchtlingshilfen, Unterstützung für Wiederaufbau und Wiederansiedlung im Norden Syriens, aber auch eine Modernisierung der Zollunion zwischen EU und Türkei und Visaerleichterungen für türkische Staatsbürger bei Reisen in die EU. Das Flüchtlingsabkommen will Erdogan „überarbeiten“. Seiner Ansicht nach hat die EU einige Verpflichtungen aus dem Deal nicht erfüllt.
Türkei stoppt Boote zu griechischen Inseln
Als „Geste des guten Willens“ hat Erdogan die Küstenwache angewiesen, keine Boote mehr zu den griechischen Inseln durchzulassen. Er begründet das mit dem gefährlichen Verhalten der griechischen Seite. Erdogan hatte vor einer Woche die Grenzen seines Landes zur EU für Migranten für geöffnet erklärt, daraufhin hatten sich Tausende zur Grenze begeben. Griechenland drängte sie mit Härte zurück.
EU verlangt Einstellung der „erpresserischen Politik Ankaras“
Die EU stellt allerdings ihrerseits Bedingungen für Hilfen in der Flüchtlingskrise. Weitere Finanzhilfen könne es nur geben, wenn „die erpresserische Politik Ankaras durch die Entsendung von Flüchtlingen in Richtung EU eingestellt wird“, sagte EU-Budgetkommissar Johannes Hahn der deutschen Zeitung „Die Welt“.
Griechenland-Hilfe der Bundesregierung
Bundeskanzler Sebastian Kurz mobilisiert Hilfe für Griechenland, dessen Regierungschef Kiriakos Mitsotakis er am Montag in Wien trifft. Die Unterstützung reicht von schwerem Gerät für den Grenzschutz bis zu finanziellen Mitteln. Im Detail:
- 1 Cobra-Einheit mit 13 Beamten,
- 1 Drohne inklusive 2 Piloten,
- 1 gepanzertes Fahrzeug,
- 1 Million Euro für humanitäre Hilfe zur Linderung der Not an der griechisch-türkischen Grenze.
Kurz kündigt Verdoppelung der Spenden als Hilfe vor Ort an
Der Kanzler über das österreichische Hilfspaket: „Hilfe vor Ort ist derzeit das wichtigste Mittel, um einen Grenzsturm an der EU-Außengrenze zu verhindern.“ In der „Pressestunde“ des ORF kündigte Kurz zudem an, alle Spenden, die bis Ostern über die ORF-Aktion „Nachbar in Not“ für die Flüchtlinge im syrischen Idlib gesammelt werden, aus dem Auslandskatastrophenfonds zu verdoppeln,
Kurz betont, dass Griechenland in dieser schwierigen Situation, die vom türkischen Präsidenten Erdoğan bewusst herbeigeführt und provoziert wurde, die volle Solidarität und Unterstützung der EU brauche. „Es geht jetzt darum, dass die EU Geschlossenheit und keine Schwäche gegenüber der Türkei zeigt“, so Kurz.
Kurt Seinitz, Kronen Zeitung/krone.at
Kommentar von Kurt Seinitz: Ein Besuch auf Sultans-Art
Der Besucher hat polternd, wie es seine Art ist, an der Tür angeklopft: 13.000 Flüchtlinge an der EU-Grenze als nicht mehr zu überhörendes Argument - und die EU hat dem Sultan die Tür geöffnet. Ist die EU in die Knie gegangen, oder bekommt Erdogan in Brüssel ohnehin nur die von ihm immer schon gewünschte „Augenhöhe“ mit Europa? Jedenfalls hat der Sultan die EU wachgerüttelt.
Verantwortungsvolle Politik hat die Aufgabe, Auswege aus verfahrenen Situationen zu finden. Die EU weiß, dass die Migrationsproblematik mit der Türkei einer Neubewertung bedarf. Und die kann nur mit Erdogan erfolgen, weil es an Erdogan vorbei keinen Weg gibt. Die Türkei hat manche Argumente auf ihrer Seite, die auf mehr Verständnis stoßen könnten, würde der Sultan nicht mit Erpressung, Drohungen und Ultimaten arbeiten. Sogar die Geldfrage wäre mit der EU leichter zu lösen als die Hürde des Defizits an Rechtsstaatlichkeit der Erdogan-Türkei.
Erdogan wird in Brüssel im Zusammenhang mit dem EU-Flüchtlingsdeal die Zusicherung der Visafreiheit und anderer ähnlicher Maßnahmen anmahnen. Aber bei demokratischen Werten kann die EU so gut wie keine Kompromisse machen. Das liegt an ihren Genen, und diese Erfahrung machen auch Ungarn und Polen. Erdogan will der EU und die EU will dem Sultan die Augen öffnen. Man würde es vier Millionen Kriegsflüchtlingen wünschen.
Kommentare
Da dieser Artikel älter als 18 Monate ist, ist zum jetzigen Zeitpunkt kein Kommentieren mehr möglich.
Wir laden Sie ein, bei einer aktuelleren themenrelevanten Story mitzudiskutieren: Themenübersicht.
Bei Fragen können Sie sich gern an das Community-Team per Mail an forum@krone.at wenden.