Flüchtlingskrise
Erdogan an Griechenland: „Mach auch die Tore auf!“
Einen Tag vor einem treffen mit EU-Vertretern in Brüssel provoziert der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan in der Migrationskrise an der türkisch-griechischen Grenze weiter. Erdogan ermunterte Griechenland am Sonntag dazu, Migranten an der gemeinsamen Grenze in Richtung anderer EU-Länder durchzulassen. „Hey Griechenland, diese Menschen kommen nicht zu dir und bleiben, sie kommen zu dir und gehen in andere Länder Europas. Warum stößt du dich daran?“
„Mach du doch auch die Tore auf!“, sagte Erdogan am Sonntag auf einer Veranstaltung anlässlich des Weltfrauentags in Istanbul an Griechenland gerichtet. Zugleich kritisierte Erdogan das Nachbarland scharf und warf den Griechen vor, Migranten, die es in die EU geschafft haben, unrechtmäßig in die Türkei zurückzuschicken, zu „schlagen“, zu „töten“ und zu „foltern“. Niemand erhebe die Stimme gegen solch unmenschliche Aktionen, kritisierte Erdogan. Das Gegenteil sei der Fall, Griechenland werde sogar noch unterstützt.
Nach türkischen Angaben war am vergangenen Mittwoch ein Migrant von griechischen Sicherheitskräften erschossen worden. Auch vergangenen Montag soll ein Migrant an der türkisch-griechischen Grenze getötet worden sein. Athen wies das entschieden zurück. Angespannt ist die Lage aber nicht nur an der Landgrenze zwischen der Türkei und Griechenland. Auch in der Ägäis geben gefährliche Zwischenfälle Grund zur Sorge. So soll die türkische Wasserpolizei in der Ägäis ein griechisches Boot der Küstenwache abgedrängt und dabei riskante Manöver vollführt haben. Griechische Medien veröffentlichten am Samstag entsprechende Videoaufnahmen.
Erdogan bestätigte am Sonntag auch seine Reisepläne: Er reise am Montag nach Belgien und werde an einem Treffen mit EU-Vertretern teilnehmen, sagte Erdogan in Istanbul. Bei den Gesprächen werde es unter anderem um den Flüchtlingspakt von 2016 und die Situation im Bürgerkriegsland Syrien gehen. Er hoffe, dass sein Land mehr Unterstützung von der internationalen Gemeinschaft erhalte, fügte er hinzu.
„Wir machen die Tore zu und Du deinen Mund“
Eine erste Reaktion aus der österreichischen Innenpolitik zu Erdogans Aufruf kam vom Freiheitlichen Dominik Nepp: Er persiflierte Erdogans Zitat auf Facebook, nachdem er das Original aus einem ZiB-Beitrag gepostet hatte.
Situation an der Grenze weiter angespannt
Die Situation an der griechisch-türkischen Grenze bleibt indessen weiterhin angespannt. Immer wieder kam es in der Nacht und Sonntag früh zu Attacken mit Tränengas, Rauchbomben und Blendgranaten, die von der türkischen Seite aus über den Zaun geschossen wurden, wie griechische Medien berichteten. Für Aufregung sorgen in Griechenland zudem Aufnahmen einer Wärmebildkamera der griechischen Polizei.
In der Nacht zum Samstag wurde damit ein gepanzertes Fahrzeug beim Versuch gefilmt, den Grenzzaun einzureißen, um den Flüchtlingen und Migranten den Weg nach Europa freizumachen. Die gespenstischen Aufnahmen, die dem griechischen Fernsehsender Skai zugespielt worden waren, zeigen den Berichten zufolge ein gepanzertes türkisches Grenzüberwachungsfahrzeug vom Typ „Hizir/Ates“, das über ein Stahlseil mit dem Grenzzaun verbunden ist und versucht, das Drahtgeflecht niederzureißen.
Türkische Panzerfahrzeuge mit EU-Mitteln finanziert
Eine unabhängige Bestätigung für die brisanten Aufnahmen, die auch in sozialen Netzwerken kursieren, gibt es aber bislang nicht. Interessantes Detail: Wie etwa auch auf Twitter angemerkt wurde, wurden die entsprechenden Panzerfahrzeuge des türkischen Grenzschutzes mehrheitlich mit Geldern aus der Europäischen Union finanziert. In den offiziellen türkischen Informationen ist zu lesen, die „gepanzerten HIZIR 4X4-Fahrzeuge“ seien im Rahmen des Projekts „Bereitstellung mobiler Überwachungseinheiten zur Erhöhung der Grenzüberwachungskapazität von Grenzen zwischen der Türkei und der EU" zu 75% von der Europäischen Union finanziert worden.
Andere Videos zeigen türkisches Militär, das Tränengaskartuschen oder Rauchbomben über die Grenze schießen soll. Der türkische Innenminister Süleyman Soylu hatte solche Beschuldigungen seitens der Griechen zuletzt zurückgewiesen.
Immer wieder Tränengaseinsätze gegen Migranten
Griechenland erlebt derzeit eine Krise, weil die Türkei entgegen dem EU-Türkei-Flüchtlingsabkommen Ende Februar seine Grenzen in Richtung EU für geöffnet erklärt hat. Seitdem haben bereits Tausende Menschen versucht, nach Griechenland und damit in die Europäische Union zu gelangen. Griechenland hat den Grenzschutz verstärkt und setzte Blendgranaten und Tränengas gegen die andrängenden Migranten ein.
Die Türkei hat rund 3,6 Millionen Flüchtlinge aus Syrien aufgenommen, wo Ankara eine der Parteien im 2011 begonnenen Bürgerkrieg ist. Zuletzt war die Lage in dem Krieg wieder eskaliert, und Hunderttausende Syrer waren auf der Flucht Richtung türkische Grenze. Außerdem leben in der Türkei viele Flüchtlinge und andere Migranten aus Afghanistan und anderen Ländern.
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