Der Grazer Dschihadistenprozess ist am Donnerstag mit vier Verurteilungen und sieben Freisprüchen nach mehr als vier Monaten zu Ende gegangen. Der Hauptangeklagte, ein Prediger, wurde zu fünf Jahren Haft verurteilt. Zwei weitere führende Persönlichkeiten des Taqwa-Vereins bekamen vier Jahre, eine Frau wurde zu drei Jahren Haft verurteilt.
Der Prozess begann am 8. November. Die Anklageschrift listete 13 Personen auf, zwei erschienen nicht zum Prozess und waren nicht greifbar. Gegen die restlichen Angeklagten - acht Männer und drei Frauen - wurde dann 18 Tage lang verhandelt. Sie alle hatten mehr oder weniger mit dem Grazer Glaubensverein Taqwa zu tun.
Die schwersten Vorwürfe galten einem 44-jährigen Prediger, der starken Einfluss auf die Moschee genommen haben soll und in Haft ist. Ihm und anderen wurde angelastet, mehrere Personen animiert zu haben, nach Syrien zu gehen und sich der Terrororganisation Islamischer Staat (IS) anzuschließen.
38 Personen zogen nach Syrien
Auffallend war, dass aus diesem Grazer Verein 2014 insgesamt 38 Personen nach Syrien gezogen waren. Die Spur der ersten Auswanderer hat sich verloren, es ist nicht bekannt, ob diese Familien noch leben. Die zweite Partie kehrte nach wenigen Monaten wieder zurück und wurde teilweise bereits rechtskräftig in Österreich verurteilt.
Der Staatsanwalt betonte während der langen Verhandlung immer wieder, dass der Taqwa-Verein nichts anders getan habe, als „als die Ideologie des IS in Graz zu leben“. Ganz besonders prangerte er auch in seinem Schlussplädoyer die Erziehung der Kinder im Verein an. Die Angeklagten hatten großteils alles geleugnet, nur einer war geständig.
Frauen gaben sich betont unwissend
Unter den Beschuldigten waren auch drei Frauen, die alle mit Kopftuch und Körperverhüllung erschienen sind. Sie gaben sich betont unwissend und wollten von den Aktivitäten ihrer Männer nichts bemerkt haben. Bei einer der Frauen wurden auf dem Handy Fotos gefunden, unter anderem von einem Reisepass, auf dem „State of Islam“ steht und das Bild einer IS-Flagge. „Das war nicht auf meinem Handy“, behauptete die Angeklagte, was der Richter widerlegte.
„Die einzig wahren Muslime“
Als Sachverständiger war mehrere Male Islamismus-Experte Guido Steinberg geladen. Er bezeichnete den Prediger als Anhänger der Takfiristen. Diese Gruppe fühle sich als „die einzig wahren Muslime. Sie halten selbst Dschihadisten für ungläubig“, beschrieb der Gutachter. Einige Takfiristen-Führer und Prediger waren beim IS, wurden dort aber entfernt oder hingerichtet, weil sie der Organisation zu extrem waren. Der Prediger sei nach Meinung des Sachverständigen „eine Autoritätsperson für die Mitglieder der Taqwa-Moschee gewesen“.
Die sechs Verteidiger meinten am Ende der Verhandlung, die Vorwürfe gegen ihre Mandanten hätten sich „in keiner Weise verdichtet“. Der Anwalt des Predigers betonte, der Beschuldigte habe „überhaupt keinen Einfluss“ auf die Taqwa-Moschee gehabt.
Acht Stunden Beratung
Die Geschworenen berieten acht Stunden. Sie verurteilten den Prediger und zwei weitere Männer, die in der Moschee Führungspositionen innehatten. Auch die Ehefrau eines der Männer wurde für schuldig befunden. Alle vier haben nach Meinung der Geschworenen die Verbrechen der terroristischen Vereinigung, der kriminellen Organisation und der staatsfeindlichen Verbindung begangen. Sieben Angeklagte wurden freigesprochen. Das Urteil ist nicht rechtskräftig.
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