Erfahrungen ignoriert
Trotz Corona-Krise: Aprés-Ski-Partys in Schweden
Europa und weite Teile der Welt im Ausnahmezustand: Italien hat am Donnerstag im Zuge der Coronavirus-Pandemie mehr Todesfälle als China gemeldet und ist mit über 3400 Opfern das Land mit den meisten offiziell gemeldeten Toten auf der Welt. Die USA warnen ihre Bürgern vor sämtlichen Reisen ins Ausland, Amerikaner wurden aufgefordert, in ihre Heimat zurückzukehren. Die schwedische Regierung gerät indessen in die Kritik, weil sie einen laxeren Kurs fährt als die anderen nordischen Länder. Besonders fragwürdig dabei ist die Tatsache, dass sich Urlauber in den Skizentren auf der Piste und beim Aprés-Ski vergnügen - die Erfahrungen aus anderen Skiorten Europas ignorierend.
Am Donnerstag gab es in Schweden rund 1400 registrierte Fälle von Covid-19. Vor allem in der Hauptstadt verbreitet sich das Virus rasch. „Stockholm bereitet sich auf eine enorme Pandemie vor“, sagte Johan Styrud von Stockholms Ärzteverband am Donnerstag gegenüber SVT. Geplante Operationen seien eingestellt worden, weil man sich in den Krankenhäusern darauf vorbereite, mehr Covid-19-Infizierte aufzunehmen. Im ganzen Land gebe es nur 523 Intensivbetten.
Der Staatsepidemiologe Anders Tegnell, der die Regierung berät, empfahl den Schweden, die Hauptstadtregion zu meiden. Skiurlaub ist bei der Verbreitung des Virus an sich ein Problem: Viele Skandinavier dürften sich bei einem solchen in Österreich angesteckt haben, ein guter Teil von ihnen wohl in Ischgl mit dem Hotspot der Bar „Kitzloch“. Für Dänemark und Norwegen ist Österreich ein Hauptquell-Land, zusammen mit Schweden gibt es über 1000 solcher Fälle.
Umso erstaunlicher, wie viele Urlauber sich derzeit noch in schwedischen Winterskiorten vergnügen. Bisher gilt die Grenze, dass alle Veranstaltungen mit mehr als 500 Menschen verboten sind. Im Skiort Sälen wurde am Wochenende dennoch ausgiebig gefeiert. Der Veranstalter versicherte im Fernsehen, dass man sich an die Vorgaben halte und dass zur Aprés-Ski-Party nicht mehr als 499 Personen eingelassen würden.
„Wir müssen die Touristenflut stoppen“
Nun hat die Skiregion Jämtland Härjedalen die Gesundheitsbehörden gebeten, strengere Vorgaben zu erlassen. Denn besonders zu Ostern wird ein großer Ansturm an Touristen erwartet. Sofia Leje vom ärztlichen Dienst in Are sagte am Donnerstag dem SVT, aus medizinischer Sicht müssten die Skianlagen geschlossen werden: „Wir müssen die Touristenflut stoppen. Es ist wichtig, dass wir von den Erfahrungen anderer Skiorte in Europa lernen, wo sich die Infektion ausgebreitet hat.“ Davon abgesehen könnte ihr ärztliches Personal einen großen Ansturm an Patienten nicht bewältigen.
Auf der anderen Seite der Grenze, in Norwegen, sind die Skigebiete verwaist. Norwegen hat seinen Einwohnern sogar verboten, zu ihrer Hütten zu fahren, eben weil dort die medizinische Hilfe nicht gewährleistet ist.
44 Corona-Todesfälle in Deutschland
Bei unseren Nachbarn in Deutschland sind bisher mindestens 14.905 Infektionen bekannt, 44 Infizierte sind bundesweit gestorben. Besonders hohe Zahlen an Infizierten haben in Deutschland die Bundesländer Nordrhein-Westfalen mit mehr als 4970, Bayern mit mehr als 2280 und Baden-Württemberg mit mehr als 2740 Fällen. Das geht aus einer Auswertung der Deutschen Presse-Agentur hervor, die die gemeldeten Zahlen der Bundesländer berücksichtigt. Die von Deutschland in der Corona-Krise Anfang März verhängte Ausfuhrsperre für Schutzausrüstungist indessen am Donnerstag ganz gefallen, wie das Wirtschaftsministerium in Wien mitteilte.
Starker Anstieg in Frankreich: 372 Tote
Auch in Frankreich breitet sich das Virus weiter rasant aus. Es starben bisher 372 Menschen, das waren 108 mehr als noch am Vortag, wie das Gesundheitsministerium am Donnerstag mitteilte. Nach Zahlen steckten sich bisher annähernd 11.000 Menschen an, das waren etwa 1900 mehr als noch am Vortag. Gut 4700 Menschen werden in Krankenhäusern behandelt. Die Epidemie ist nach den Worten von Gesundheitsdirektor Jerome Salomon „bedeutend und breitet sich aus“.
Im Kampf gegen die Pandemie hatte Frankreich zu Wochenbeginn eine Ausgangssperre verhängt, die polizeilich überwacht wird. Bürger, die vor die Türe gehen, müssen einen Passierschien vorweisen können und angeben, wohin sie gehen.
Johnson trotz Anstieg bei Infektionsfällen optimistisch
Großbritanniens Premierminister Boris Johnson erwartet indessen bereits in wenigen Monaten ein Ende der Corona-Krise in seinem Land. Das Vereinigte Königreich könne den Trend der Virus-Ausbreitung bereits in zwölf Wochen umkehren, sagte Johnson am Donnerstag. Dazu sei es nötig, dass sich alle an die von der Regierung verhängten Maßnahmen hielten. Die Briten haben mittlerweile eine Reihe von Maßnahmen verhängt, darunter die Schließung von Schulen und U-Bahnen. Weitere Schritte schließt die Regierung in London nicht aus.
Ein Mann wurde in England festgenommen, nachdem er am Mittwoch in einem Supermarkt in der Stadt Dudley nahe Birmingham absichtlich Mitarbeiter angehustet hatte. Der 57-Jährige habe behauptet, er sei mit dem neuartigen Coronavirus infiziert und habe Mitarbeiter angehustet, die ihn des Ladendiebstahls bezichtigt hätten, so die Polizei. Er sei wegen des Verdachts auf Diebstahl und eines tätlichen Angriffs festgenommen worden. Der Mann habe vermutlich psychische Probleme.
Queen ruft Briten zu Zusammenhalt auf
Die britische Königin Elizabeth II. rief ihre Landsleute zu Zusammenhalt im Kampf gegen die Coronavirus-Pandemie auf. „In Zeiten wie diesen erinnere ich mich daran, dass die Geschichte unseres Landes von Menschen und Gemeinschaften geprägt wurde, die zu einer Einheit geworden sind“, sagte die 93 Jahre alte Queen.
Präsident Zeman appelliert an Mut der Tschechen
Auch der tschechische Staatspräsident Milos Zeman munterte seine Mitbürger zum „Mut“ im Kampf gegen das Coronavirus auf. „Die Angst macht uns schwächer“, betonte Zeman in einer Ansprache im Fernsehkanal Prima am Donnerstagabend. Er warnte vor zwei Extremen: Das erste Extrem sei die Verharmlosung der Krankheit als eine „leichte Grippe“, das zweite sei Angst und Panik. Man solle sich gegenseitig helfen und so „in dieser schwierigen Zeit die Menschlichkeit dokumentieren“, so Zeman.
In Tschechien mit seinen 10,5 Millionen Einwohnern gibt es bisher 694 bestätigt Fälle einer Infektion mit dem Coronavirus. Die Zahl ist in den letzten Stunden deutlich angestiegen. Das wurde darauf zurückgeführt, dass man die Zahl der Tests vervielfacht habe.
Haftstrafen in Rumänien bei Verletzung von Auflagen
In Rumänien muss ab sofort jeder mit Haftstrafen rechnen, der sich nicht an die Auflagen hält. Einem am Donnerstag von der Regierung veröffenlichten Erlass zufolge drohen bei einer einfachen Missachtung der Anordnungen bis zu drei Jahre Haft. Wenn sich dadurch ein Mensch mit dem Virus ansteckt, steigt die Strafe auf bis zu fünf Jahre Gefängnis.
Mit bis zu 15 Jahren Haft können Verstöße gegen die Anti-Corona-Maßnahmen geahndet werden, die zum Tod eines Menschen führen. „Wir können es nicht hinnehmen, wenn unverantwortliche Menschen einfach frei herumlaufen und damit andere krank machen“, warnte Regierungschef Ludovic Orban.
Angesichts der immer drastischeren Beschränkungen in anderen Ländern Europas rief die Regierung zudem die rund vier Millionen im Ausland lebenden Landsleute auf, über die Osterzeit nicht nach Hause zurückzukehren. Rumänien hat bisher knapp 230 bestätigte Infektionsfälle. Rund 3.800 Menschen stehen zudem unter Quarantäne.
Türkei meldet vierten Corona-Toten
In der Türkei ist die Zahl der am Coronavirus gestorbenen Patienten unterdessen auf vier gestiegen. Insgesamt seien nun 359 Personen mit dem Virus infiziert, teilte das Gesundheitsministerium in Ankara mit. Am Vortag waren es 191.
Israels Armee in Alarmbereitschaft versetzt
In Israel ist indessen wegen der Ausbreitung des Coronavirus die Armee in erhöhte Alarmbereitschaft versetzt worden. Wichtigste Priorität der Armee angesichts der Pandemie sei es, die operative Einsatzfähigkeit der Truppen zu erhalten, sagte Militärsprecher Jonathan Conricus. Ein Schichtsystem solle verhindern, „dass eine ganze Einheit gleichzeitig infiziert wird“.
Regierungschef Benjamin Netanyahu verkündete zudem eine einwöchige Ausgangssperre. Die Maßnahme solle von der Regierung gebilligt und noch in der Nacht auf Freitag in Kraft treten. „Es handelt sich um eine verpflichtende Vorschrift“, erklärte der 70-Jährige.
Nach Angaben des Gesundheitsministeriums ist das Virus SARS-CoV-2 mittlerweile bei mehr als 500 Menschen in Israel nachgewiesen worden. Todesfälle wurden bisher nicht erfasst. Tausende Menschen befinden sich in häuslicher Quarantäne. Mehr als 5600 Soldaten befinden sich demnach gegenwärtig in Quarantäne, bei zehn sei das Coronavirus nachgewiesen worden. In der Küstenstadt Ashkelon werde man eine Einrichtung für leicht erkrankte Soldaten eröffnen, um den Druck auf zivile Krankenhäuser zu mindern.
Armeeeinsatz mit Codename „Ray of Light“
Die Armee unterstützt aber auch die nationalen Bemühungen im Kampf gegen das Virus. Der Einsatz habe den Codenamen „Ray of Light“ (Lichtstrahl). Neben Hotels für Patienten mit mildem Krankheitsverlauf werde die Armee auch Call Center bemannen. Fragen aus der Bevölkerung zum Coronavirus könnten dort in verschiedenen Sprachen beantwortet werden.
Die IT-Einheiten des Militärs sollen außerdem Apps zur Verfügung stellen, die im Kampf gegen das Coronavirus helfen können. Militärfahrzeuge sollen im Notfall auch als Krankenwagen für Zivilisten eingesetzt werden. Militärsanitäter könnten auch in zivilen Krankenhäusern eingesetzt werden, Spezialeinheiten zur Desinfektion öffentlicher Räume.
„Mich erinnert das an den 11. September“
Die USA warnen ihre Bürgern vor sämtlichen Reisen ins Ausland. Das Außenministerium in Washington forderte am Donnerstag amerikanische Bürger auf, in die USA zurückzukehren. Inmitten der stark ansteigenden Zahl der Corona-Nachweise im US-Bundesstaat New York beschrieb Gouverneur Andrew Cuomo die Situation als extrem ernst. „Mich erinnert das an den 11. September“, sagte Cuomo am Donnerstag. „Das ist ein Moment, der dein ganzes Leben ändert.“
Die Behörden gehen wegen lange Zeit mangelhaft vorhandenen Tests von einer hohen Dunkelziffer in den USA aus. Die Vereinigten Staaten haben insgesamt mehr als 10.000 bestätigte Fälle. Cuomo geht aber allein in seinem Bundesstaat von Zehntausenden Infektionen aus - die letzte offiziell gemeldete Zahl liegt in New York bei 3600 Infizierten. Cuomo zufolge hat US-Präsident Donald Trump nach der Sendung eines Krankenhausschiffes auch die logistische Hilfe des Armeekorps der Ingenieure für New York zugesagt.
Brasilien schließt Grenzen für zwei Wochen
Im Kampf gegen die weitere Ausbreitung des Coronavirus hat Brasilien für die kommenden zwei Wochen seine Landesgrenzen geschlossen. Nur die Grenze nach Uruguay wurde in dem Ministererlass vom Donnerstag ausgenommen, über sie sollte zu einem späteren Zeitpunkt entschieden werden. Bereits am Dienstag hatte das Land seine Grenzen zu Venezuela teilweise dicht gemacht. Brasilien zählt derzeit 428 bestätigte Infektionsfälle sowie vier Tote.
Andere südamerikanische Länder wie Kolumbien, Chile oder Argentinien hatten in den vergangenen Tagen mit deutlich drastischeren Maßnahmen auf die Ausbreitung des Virus auch auf ihrem Kontinent reagiert. Unter anderem schlossen sie nicht nur ihre Grenzen, sondern kappten auch alle Flug- und Schiffsverbindungen. Auch mehrere hochrangige brasilianische Politiker hatten derartige Maßnahmen gefordert.
Virus erreicht jetzt auch ferne Urlaubsparadiese
Das Coronavirus erreicht nun auch ferne Urlaubsparadiese. Auf dem pazifischen Inselstaat Fidschi wurde ein erster Fall bestätigt. Auf den pazifischen Inselstaaten hatte es bisher mit Ausnahme von Französisch-Polynesien keine bestätigten Coronavirus-Fälle gegeben. Die Behörden der im Indischen Ozean gelegenen Seychellen meldeten am Donnerstag den mittlerweile sechsten Fall.
Auf der ebenfalls im Indischen Ozean gelegenen Insel Mauritius wurden gleich drei Fälle bestätigt. Laut Regierung handelt es sich dort um Rückkehrer auf die Insel im Alter von 21, 25 und 59 Jahren. Zwei hatten auf Kreuzfahrtschiffen gearbeitet, der dritte kam aus Großbritannien. Der östlich von Afrika gelegene Inselstaat hat ähnlich wie viele afrikanische Staaten im Kampf gegen das Virus weitreichende Restriktionen erlassen. Auf dem afrikanischen Kontinent sind rund 600 Fälle in mindestens 34 Staaten gemeldet.
Afrika muss sich „auf das Schlimmste“ vorbereiten
Afrika muss sich nach Einschätzung der Weltgesundheitsorganisation „auf das Schlimmste“ vorbereiten. „Afrika sollte aufwachen“, sagte WHO-Chef Tedros Adhanom Ghebreyesus am Mittwoch während einer digitalen Pressekonferenz. In vielen Ländern habe man gesehen, dass sich die Ausbreitung des Virus ab einem „gewissen Umkehrpunkt“ rasant beschleunige, sagte Tedros. „Der beste Ratschlag an Afrika ist, sich auf das Schlimmste vorzubereiten, und heute damit anzufangen“, sagte er weiter.
Niger bestätigt unterdessen den ersten Fall einer Coronavirus-Infektion. Es handle sich um einen 36-jährigen Einheimischen, der jüngst nach Togo, Ghana, Elfenbeinküste und Burkina Faso gereist sei, erklärt der Gesundheitsminister. Niger ist eines der ärmsten Länder der Welt.
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