Coronavirus-Offensive
Venetien testet nun alle Kontakte von Infizierten
Um der Corona-Pandemie Herr zu werden, testet die norditalienische Region Venetien nun flächendeckend. Denn die symptomlosen Infizierten seien unwissentlich die Hauptverbreiter des Virus, sagte der italienische Virologe Andrea Grisanti von der Universität Padua am Freitag gegenüber Ö1. „Wir testen nicht nur die Personen mit Symptomen, sondern auch ihr gesamtes soziales und geografisches Umfeld.“
Laut Grisanti, dem Leiter der Testoffensive in der Fünf-Millionen-Einwohner-Region, werden auch Familien, Freunde und alle Kontakte von Infizierten getestet, ebenso alle Personen im Gebäude sowie die gesamte Nachbarschaft im Umkreis von 50 Metern. Auch der Bewegungsradius werde rekonstruiert, „denn hier muss er sich angesteckt haben“. Alle so gefundenen Infizierten könne man dann isolieren.
Gemeinde Vo als Testmodell
Modell für die Testungen sei die Gemeinde Vo. Nach den ersten zwei Corona-Infizierten sei die Gemeinde unter Quarantäne gestellt und alle 3000 Bewohner getestet worden, erklärte Venetiens Regionalpräsident Luca Zaia im Ö1-„Morgenjournal“. Bei 66 sei das Virus nachgewiesen worden, obwohl sie symptomlos waren. Die 66 seien komplett isoliert worden. Zwei Wochen später seien es nur noch sechs Infizierte gewesen, alle symptomlos.
13.000 Tests würden nun täglich in Venetien durchgeführt, man versuche, auf Eigenproduktion umzustellen. Zu den Kosten sagte Zaia: „Wir reden vom Leben meiner Bürger.“ Und das sei jeden Preis wert.
Ausgangssperren werden nicht ernst genommen
Für Unzufriedenheit sorgt unterdessen, dass so mancher Italiener die Ausgangssperre noch immer nicht ernst nimmt und die frechsten Ausreden parat hat. Bei den Kontrollen müssen sich die Polizisten die fantasievollsten Ausreden von Italienern anhören, die sich ohne guten Grund auf der Straße aufhalten. So erklärten Jugendliche, sich Drogen besorgen zu müssen. Damen wollten zu längst gesperrten Friseurterminen.
Nur aus beruflichen oder dringenden Gründen dürfen die Bürger in Coronavirus-Zeiten auf die Straße, etwa um Besorgungen im Supermarkt oder in der Apotheke zu tätigen. Um Menschenversammlungen im Freien zu verhindern, haben die meisten Städte nun Parks und Grünflächen gesperrt. In einigen Regionen ist inzwischen auch das Joggen und das Radfahren untersagt, nachdem in den vergangenen milden Frühlingstagen Tausende sonnenhungrige Italiener trotz Ausgangssperre ins Freie gestürmt waren.
Wer sich nicht an die Vorschriften hält, verletzt Paragraf 650 des Strafgesetzbuches, der Missachtung von Behördenverordnungen ahndet. Dabei drohen ernst zu nehmende strafrechtliche Folgen: drei Monate Haft oder eine Geldstrafe bis zu 206 Euro. Um dem zu entgehen, bekommen Polizisten die unglaublichsten Begründungen zu hören, weshalb man trotz Ausgangsperre gerade nicht in den eigenen vier Wänden sitzt.
In Recco in Ligurien erklärte ein Autofahrer bei der Polizeikontrolle, er sei von seiner Freundin von zu Hause verjagt worden. Nachforschungen ergaben jedoch, dass die beiden schon seit mehr als einem Jahr gar nicht mehr zusammenleben.
Freche Ausreden
In Südtirol wurden drei Pustertaler Jugendliche in Bozen und damit außerhalb ihrer Heimatgemeinden erwischt. Auf Nachfrage der Polizisten erklärten sie seelenruhig, sich in der Landeshauptstadt mit Drogen versorgen zu wollen. Sie zeigten sogar eine Präzisionswaage vor, die zur genauen Überprüfung des Gewichts ihres Einkaufs dienen sollte, wie sie den verblüfften Polizisten mitteilten.
Die Kontrollen betreffen natürlich auch Ausländer. Zwei Nigerianer, die trotz Ausgangssperre in Modena auf der Straße Bier tranken, versicherten den Carabinieri, dass sie gegen den Coronavirus immun seien. „Wir gehören einem Stamm aus der Subsahara an, der virusresistent ist“, versicherten die beiden. Die Ausrede ersparte ihnen die Anzeige aber nicht.
Dame wollte zum Friseur
Auch Senioren halten sich nicht immer an die strengen Quarantäne-Regeln. Eine ältere Autofahrerin wurde außerhalb ihrer Gemeinde in Treviso angehalten. Sie erklärte den Carabinieri, sie habe einen Termin bei ihrem Friseur. Schade nur, dass die Frisierläden schon seit mehr als einer Woche komplett geschlossen sind. Ein Pensionist wurde in Padua nachtsüber aufgehalten und entschuldigte sich damit, an Schlaflosigkeit zu leiden, falls er vor dem Zubettgehen nicht spazieren gegangen sei.
Viele Italiener leiden darunter, derzeit kaum Sport treiben zu können. Sportanlagen und Schwimmhallen sind geschlossen, aber nicht für alle stellt dies ein Problem dar. In Rom wurden zwei Personen beobachtet, die sich an dem warmen Frühlingstag im Tiber Abkühlung verschafften. In Verona sprangen ein Vater und sein 17-jähriger Sohn in die Etsch, um sich fit zu halten. Das Video mit ihrem Bad im Fluss wurde mehrfach auf Facebook geteilt und kostete die beiden eine Anzeige. 1,2 Millionen Italiener wurden kontrolliert, 53.000 Personen wegen Verstößen gegen die Quarantäne-Vorschriften angezeigt.
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